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Hartz IV- Empfänger haben für die Wohnungserstausstattung als auch für die Erstausstattung mit Bekleidung nach Haftentlassung nur Anspruch auf Grundausstattungen, die einfachen Bedürfnissen genügen - Inhaftierung -

Arbeitslosengeld II - Sonderbedarf - Wohnungs- und Bekleidungserstausstattung - Bemessung von Pauschalbeträgen


§ 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II, § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB a.F.


BSG,  Urteil vom 13.04.2011, - B 14 AS 53/10 R-


Die Grundvoraussetzung für die Bewilligung einer Erstausstattung für die Wohnung gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II ist  erfüllt, denn nach seiner Inhaftierung von 1985 bis zum 23.1.2007 verfügte der Kläger nicht über eine Wohnung und Haushaltsgegenstände. Insofern entspricht er auch dem vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Personenkreis (vgl BT-Drucks 15/1514 S 60 zu Art 1 § 32 zum gleichlautenden § 31 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch <SGB XII> mit den Beispielen Wohnungsbrand und Haftentlassung).


Für die Höhe des Anspruchs auf Wohnungserstausstattung ist zunächst der Leistungsumfang maßgeblich. Leistungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II sind - wie die zuständigen Senate des BSG übereinstimmend mehrfach entschieden haben - für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen (vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, RdNr 19; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 49/07 R - BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr 16, RdNr 23 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 75/10 R -).

Der Anspruch auf Erstausstattung einer Wohnung ist wie alle Leistungen des SGB II bedarfsbezogen zu verstehen (BSG, aaO). Die Wohnung soll nicht nur die Bedürfnisse nach Schutz vor Witterung und einer Gelegenheit zum Schlafen befriedigen, sondern auch die Unterbringung von Gegenständen aus dem persönlichen Lebensbereich (vgl BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 1/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 14 RdNr 16) sowie die Führung eines Haushalts ermöglichen. Dabei wird aber - in Anlehnung an die Vorschrift des § 22 SGB II zur Unterkunft - nur eine angemessene Ausstattung berücksichtigt, die den grundlegenden Bedürfnissen genügt und im unteren Segment des Einrichtungsniveaus liegt (vgl BSG Urteile vom 19.8.2010 - B 14 AS 10/09 R - RdNr 21 und - B 14 AS 36/09 R - RdNr 20).

Unter Anwendung der genannten Grundsätze haben die Vorinstanzen zutreffend entschieden, dass die von dem Beklagten vorgelegte Liste hinsichtlich der zu gewährenden Erstausstattung der Befriedigung von einfachen und grundlegenden Wohnbedürfnissen (Essen, Schlafen, Aufenthalt, vgl Urteil des Senats vom 24.2.2011 - B 14 AS 75/10 R -) genügt.


Wird - wie hier - zur Erfüllung des Erstausstattungsanspruchs vom Grundsicherungsträger die Leistungsart "Geldleistung" gewählt, so kann er diese auch in Form von Pauschalbeträgen erbringen (§ 23 Abs 3 Satz 5 SGB II). Die Festsetzung der Höhe der Pauschalen unterliegt der richterlichen Kontrolle (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 20 f). Die Pauschale muss so bemessen sein, dass der Hilfebedürftige mit dem gewährten Betrag seinen Bedarf auf Erstausstattung (ausgehend von einfachen und grundlegenden Wohnbedürfnissen) in vollem Umfang befriedigen kann, denn die Gewährung von Pauschalbeträgen führt nicht zu einer Verkürzung des Leistungsanspruchs gegenüber der Gewährung durch Sachleistung oder der individuell bestimmten Geldleistung (vgl Urteil des Senats vom 19.8.2010 - B 14 AS 10/09 R - RdNr 21); insoweit ist zu prüfen, ob die Pauschalen auf nachvollziehbaren Erfahrungswerten beruhen.

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass außergewöhnliche Umstände wie Obdachlosigkeit, langjährige Inhaftierung und ggf erhebliche Gewichtsschwankungen auch insoweit einen besonderen Bedarf begründen, weil so gut wie keine brauchbaren Kleidungsstücke mehr vorhanden sind (vgl BT-Drucks 15/1514 S 60 zu Art 1 § 32; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Oktober 2007, § 23 RdNr 364). Für die Höhe der Leistungen ist hier ebenfalls einerseits der Umfang der Erstausstattung maßgeblich und andererseits - bei Geldleistungen in Form von Pauschalen - die Nachvollziehbarkeit der zugrunde gelegten Beträge .

http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2011&nr=12091&pos=18&anz=91


Anmerkung: Lesenswert auch folgender Beitrag : Hartz IV- Empfänger haben kein Recht auf einen Fernseher, denn ein Fernsehgerät gehört nicht zur Erstausstattung einer Wohnung.

BSG,  Urteil vom 24.02.2011, - B 14 AS 75/10 R - 

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/08/hartz-iv-empfanger-haben-kein-recht-auf.html


Anmerkung: Lesenswert auch folgender Beitrag : Wohnungserstausstattung bei Geburt - Sach- oder Geldleistung -Pauschalbeträge - Ermessensreduzierung auf Null - Ausgabe von Gutscheinen keine Diskriminierung oder Stigmatisierung- kein Verstoß gegen Art. 1 GG - einstweiliger Rechtsschutzes vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz - Babyschale - Hochstuhl .

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss vom 07.04.2011, - L 5 AS 50/11 B ER -

Aus § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II a. F. (Leistungen für die Wohnungserstausstattung bei Geburt) kann eine Hilfeempfängerin nach dem SGB II keinen unbedingten Rechtsanspruch auf eine Geldleistung herleiten.

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/07/wohnungserstausstattung-bei-geburt-sach.html

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

Kommentare

  1. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 07.11.2011, - L 19 AS 1468/11 B -



    Ein Anspruch auf Erstausstattung für Bekleidung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II a.F. kann bei einem Erwachsenen bestehen, wenn außergewöhnliche Umstände wie Obdachlosigkeit, langjährige Inhaftierung, ggf erheblich Gewichtsschwankungen einen besonderen Bedarf begründen, weil so gut wie keine brauchbaren Kleidungstücke mehr vorhanden sind (vgl. BSG Urteil vom 23.03.2010 - B 14 AS 81/08 R = juris 26).


    Die pauschale Angabe einer medikamentös bedingten Gewichtszunahme von 35 Kilogramm begründet allenfalls eine entfernte Erfolgschance einer Beweisaufnahme. Der Kläger hat aber weder die von ihm geltend gemachte außergewöhnliche Gewichtszunahme durch Beweisantritte oder die Vorlage geeigneter Unterlagen, wie z.B. eines ärztlichen Attests, substantiiert noch hat er näher konkretisiert, in welchem Zeitraum die Gewichtszunahme erfolgt ist, obwohl der Beklagte in der Klageerwiderung darauf hingewiesen hat.

    MfG Detlef Brock

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