Die Abänderung eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts während dessen Geltungszeitraum durch einen weiteren Ersetzungsbescheid nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ist nur unter Beachtung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X zulässig.
§ 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ,§ 48 Abs. 1 SGB X
Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 02.08.2011, - L 7 AS 2367/11 ER-B -
Die Voraussetzungen für die nachträgliche Korrektur des eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts im Sinne einer Anpassung haben nicht vorgelegen . In Betracht kommen dürfte insoweit nur die Bestimmung des § 48 Abs. 1 SGB X (vgl. Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 15 Rdnr. 33 (dort zur entsprechenden Anwendung der Norm auf die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II)).
Die genannte Bestimmung setzt indessen eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen voraus; eine "niederschwelligere Anpassungsverpflichtung" (vgl. hierzu Berlit in LPK-SGB II, 3. Auflage, § 15 Rdnr. 36; ferner Sauer in Sauer u.a., SGB II, 2011, § 15 Rdnr. 12), wie sie möglicherweise in § 37 Abs. 3 Satz 2 SGB III (in der Fassung des Neuausrichtungsgesetzes vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2917) für die Eingliederungsvereinbarung nach dem SGB III gesehen werden kann, ist in Bezug auf den eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB III auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und des SGB XII vom 24. März 2011 (a.a.O.) weiterhin nicht normiert.
Im Übrigen wird selbst für die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II, die nach bisher herrschender Meinung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellen soll (vgl. Senatsurteil vom 19. Juli 2007 - L 7 AS 689/07 - ; Fuchsloch in Gagel, SGB II/SGB III, § 15 SGB II Rdnr. 21 (Stand Juni 2006); Berlit in LPK-SGB II, a.a.O., Rdnr. 8; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 2. Auflage, § 15 Rdnrn. 22, 25 ff. (Stand 24.08.2010); Sauer in Sauer u.a., a.a.O., Rdnr. 6; a.A. Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 14 B 568/08 AS ER - ; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, a.a.O., Rdnr. 10 (normersetzende Handlungsform sui generis); so wohl auch BSGE 104, 185 = SozR 4-4200 § 15 Nr. 1; zu § 37 SGB III ferner Peters-Lange in Gagel, a.a.O., § 37 SGB III Rdnr. 7 (Stand Dezember 2009)), überwiegend die Auffassung vertreten, dass eine Anpassung nur bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 59 Abs. 1 SGB X verlangt werden kann (vgl. Fuchsloch, a.a.O., Rdnr. 75; Sonnhoff, a.a.O., Rdnrn. 132 ff.; Sauer, a.a.O, Rdnr. 12).
Eine solche wesentliche Änderung der Verhältnisse ist etwa gegeben, wenn bei der leistungsberechtigten Person zwischenzeitlich gesundheitliche Einschränkungen aufgetreten sind, sich in ihrem persönlichen oder familiären Bereich Veränderungen ergeben haben, ferner eine Maßnahme aus organisatorischen Gründen (z.B. wegen nicht genügender Teilnehmerzahl) oder aus sonstigen aus der Sphäre des Bildungsträgers stammenden Gründen nicht realisiert werden kann (vgl. Sonnhoff, a.a.O., Rdnr. 135). Demgegenüber dürfte allein eine neue Eingliederungsstrategie, die nicht erkennen lässt, weshalb die zuvor abgeschlossene und noch geltende Eingliederungsvereinbarung oder der sie ersetzende Verwaltungsakt objektiv fehlsam und damit ineffektiv sein sollen, eine Anpassung wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse nicht zu begründen vermögen (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 25. Mai 2010 - L 11 AS 294/10 B ER - .
Derartige vorstehend aufgezeigte Umstände, die für eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sprechen könnten, sind hier indessen nicht ersichtlich.
Anmerkung: Eingliederungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag
Leitsatz(von Juris)
1. Eine Eingliederungsvereinbarung i.S.v. § 37 Abs. 2 SGB III stellt trotz des abweichenden Willens des Gesetzgebers (BT-Drs. 14/6944, S. 31) einen subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar.
2. Aus einer solchen Eingliederungsvereinbarung können demzufolge auch für die Bundesagentur für Arbeit Pflichten erwachsen.
3. Die im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung als Leistung der Agentur für Arbeit getroffene Vereinbarung "Unterstützung durch Entgeltsicherung, wenn eine geringer bezahlte Stelle angenommen wird" stellt eine Zusicherung i.S.v. § 34 SGB X dar. Die Bundesagentur für Arbeit ist für den Fall der tatsächlichen Aufnahme einer solchen geringer bezahlten Stelle an diese Zusicherung gebunden und kann sich nicht auf eine fehlende rechtzeitige Antragstellung berufen.
4. Die Ablehnung eines Antrags durch die Bundesagentur für Arbeit wegen verspäteter Antragstellung stellt dann, wenn dieselbe Leistung zuvor im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung ohne Vorbehalt dem Grunde nach zugesagt worden ist, ein Verstoß gegen Treu und Glauben dar, so dass wegen Vorliegens einer unbilligen Härte die verspätete Antragstellung nach § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III zuzulassen ist.
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/07/eingliederungsvereinbarung-als.html
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.
Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 02.08.2011, - L 7 AS 2367/11 ER-B -
Die Voraussetzungen für die nachträgliche Korrektur des eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts im Sinne einer Anpassung haben nicht vorgelegen . In Betracht kommen dürfte insoweit nur die Bestimmung des § 48 Abs. 1 SGB X (vgl. Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 15 Rdnr. 33 (dort zur entsprechenden Anwendung der Norm auf die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II)).
Die genannte Bestimmung setzt indessen eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen voraus; eine "niederschwelligere Anpassungsverpflichtung" (vgl. hierzu Berlit in LPK-SGB II, 3. Auflage, § 15 Rdnr. 36; ferner Sauer in Sauer u.a., SGB II, 2011, § 15 Rdnr. 12), wie sie möglicherweise in § 37 Abs. 3 Satz 2 SGB III (in der Fassung des Neuausrichtungsgesetzes vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2917) für die Eingliederungsvereinbarung nach dem SGB III gesehen werden kann, ist in Bezug auf den eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB III auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und des SGB XII vom 24. März 2011 (a.a.O.) weiterhin nicht normiert.
Im Übrigen wird selbst für die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II, die nach bisher herrschender Meinung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellen soll (vgl. Senatsurteil vom 19. Juli 2007 - L 7 AS 689/07 - ; Fuchsloch in Gagel, SGB II/SGB III, § 15 SGB II Rdnr. 21 (Stand Juni 2006); Berlit in LPK-SGB II, a.a.O., Rdnr. 8; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 2. Auflage, § 15 Rdnrn. 22, 25 ff. (Stand 24.08.2010); Sauer in Sauer u.a., a.a.O., Rdnr. 6; a.A. Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Juli 2008 - L 14 B 568/08 AS ER - ; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, a.a.O., Rdnr. 10 (normersetzende Handlungsform sui generis); so wohl auch BSGE 104, 185 = SozR 4-4200 § 15 Nr. 1; zu § 37 SGB III ferner Peters-Lange in Gagel, a.a.O., § 37 SGB III Rdnr. 7 (Stand Dezember 2009)), überwiegend die Auffassung vertreten, dass eine Anpassung nur bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 59 Abs. 1 SGB X verlangt werden kann (vgl. Fuchsloch, a.a.O., Rdnr. 75; Sonnhoff, a.a.O., Rdnrn. 132 ff.; Sauer, a.a.O, Rdnr. 12).
Eine solche wesentliche Änderung der Verhältnisse ist etwa gegeben, wenn bei der leistungsberechtigten Person zwischenzeitlich gesundheitliche Einschränkungen aufgetreten sind, sich in ihrem persönlichen oder familiären Bereich Veränderungen ergeben haben, ferner eine Maßnahme aus organisatorischen Gründen (z.B. wegen nicht genügender Teilnehmerzahl) oder aus sonstigen aus der Sphäre des Bildungsträgers stammenden Gründen nicht realisiert werden kann (vgl. Sonnhoff, a.a.O., Rdnr. 135). Demgegenüber dürfte allein eine neue Eingliederungsstrategie, die nicht erkennen lässt, weshalb die zuvor abgeschlossene und noch geltende Eingliederungsvereinbarung oder der sie ersetzende Verwaltungsakt objektiv fehlsam und damit ineffektiv sein sollen, eine Anpassung wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse nicht zu begründen vermögen (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 25. Mai 2010 - L 11 AS 294/10 B ER - .
Derartige vorstehend aufgezeigte Umstände, die für eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sprechen könnten, sind hier indessen nicht ersichtlich.
Anmerkung: Eingliederungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag
Leitsatz(von Juris)
1. Eine Eingliederungsvereinbarung i.S.v. § 37 Abs. 2 SGB III stellt trotz des abweichenden Willens des Gesetzgebers (BT-Drs. 14/6944, S. 31) einen subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar.
2. Aus einer solchen Eingliederungsvereinbarung können demzufolge auch für die Bundesagentur für Arbeit Pflichten erwachsen.
3. Die im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung als Leistung der Agentur für Arbeit getroffene Vereinbarung "Unterstützung durch Entgeltsicherung, wenn eine geringer bezahlte Stelle angenommen wird" stellt eine Zusicherung i.S.v. § 34 SGB X dar. Die Bundesagentur für Arbeit ist für den Fall der tatsächlichen Aufnahme einer solchen geringer bezahlten Stelle an diese Zusicherung gebunden und kann sich nicht auf eine fehlende rechtzeitige Antragstellung berufen.
4. Die Ablehnung eines Antrags durch die Bundesagentur für Arbeit wegen verspäteter Antragstellung stellt dann, wenn dieselbe Leistung zuvor im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung ohne Vorbehalt dem Grunde nach zugesagt worden ist, ein Verstoß gegen Treu und Glauben dar, so dass wegen Vorliegens einer unbilligen Härte die verspätete Antragstellung nach § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III zuzulassen ist.
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Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.
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