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Hartz IV - Leistungsausschluss bei Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung - Ersatzfreiheitsstrafe gem § 43 StGB - subjektiven Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheids

BSG, Urteil vom 21.06.2011, - B 4 AS 128/10 R -

Bei Aufnahme in den geschlossenen Vollzug zur Ableistung einer Ersatzfreiheitsstrafe ist der Antragsteller gem. § 7 Abs 4 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

Dieser Leistungsausschluss greift auch ein, wenn der Hilfebedürftige in einer JVA eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt.

Anmerkung: Entsprechend der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts hat der 14. Senat des BSG zu § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II in der hier maßgebenden Fassung entschieden, dass der Leistungsausschluss vom ersten Tag der Aufnahme in die Einrichtung (BSG Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 16/07 R, BSGE 99, 88 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 7, RdNr 16) auch greife, wenn der Hilfebedürftige in der JVA eine Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 Strafgesetzbuch (StGB) verbüße, weil er sich auch dann in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalte (BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 81/09 R, RdNr 20).

Hintergrund des fehlenden Ausspruchs der Ersatzfreiheitsstrafe im Falle der Nichtzahlung der Geldstrafe im Strafurteil sei, dass der Maßstab der Umrechnung zwischen Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe im Gesetz bereits bestimmt sei und dem Strafrichter insoweit kein Raum für eine eigene Entscheidung verbleibe (§ 43 Abs 2 StGB). Bei jeder Verurteilung zu einer Geldstrafe werde die Ersatzfreiheitsstrafe bei Nichtzahlung der Geldstrafe mitgedacht und mitverhängt und trete als echte Strafe ohne rechtsgestaltenden Akt an die Stelle der Geldstrafe (BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 81/09 R, RdNr 21).

Im Übrigen könne dahingestellt bleiben, ob der vom 14. Senat in seiner Entscheidung vom 6.9.2007 (B 14/7b AS 16/07 R, BSGE 99, 88 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 7) entwickelte funktionale Einrichtungsbegriff in Bezug auf die Rechtslage nach dem FortentwicklungsG weiterer Modifizierungen bedürfe. Jedenfalls lasse die ausdrückliche und spezielle Regelung zu den Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehungen nach § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II erkennen, dass diese eine Sonderstellung einnähmen.

Es komme insofern nicht mehr darauf an, ob sie nach ihrer Art die Aufnahme einer mindestens dreistündigen täglichen Erwerbsarbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausschlössen; vielmehr seien Leistungen generell ausgeschlossen. Die gesetzgeberische Entscheidung, den Aufenthalt in einer JVA dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung - ohne weitere Prüfung des Vorliegens einer solchen - gleichzustellen, werde auch durch die Gesetzbegründung belegt, wonach es Ziel sei, Personen in diesen Einrichtungen vom Leistungsbezug nach dem SGB II auszuschließen (BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 81/09 R, RdNr 25, mit Hinweis auf BT-Drucks 16/1410, S 20)

Auch die subjektiven Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheids lagen vor. Der Kläger hat es unterlassen, dem Beklagten mit dem Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe seinen Aufenthalt in der JVA mitzuteilen.

Seine Pflicht zur Mitteilung ergibt sich aus § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II, wonach derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, ua Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen hat.

Diese Pflicht hat der Kläger grob fahrlässig verletzt. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BSG ist bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit einen subjektiven Maßstab anzulegen (BSG Urteil vom 29.10.2008 - B 11 AL 52/07 R - SozR 4-4300 § 118 Nr 2, RdNr 20; BSG Urteil vom 13.7.2006 - B 7a AL 16/05 R - SozR 4-4300 § 122 Nr 5, RdNr 14) .

Anmerkung: Vgl. dazu auch - Kein Arbeitslosengeld II während Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe,auch wenn Vollzugslockerungen gewährt worden waren.

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/06/kein-arbeitslosengeld-ii-wahrend.html

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

Kommentare

  1. Mal 'ne Frage: Ist das hier ein Blog von einem »Fach« (?)-Anwalt für »Hartz IV« oder einem Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht ? Ich finde gerade als angeblicher Sozialrechtsexperte, oder Mitarbeiter eines angeblichen Sozialrechtsexperten sollte man diese leider weit verbreitete Unsitte von »Hartz IV« zu schreiben und reden, vermeiden. Ich hoffe jedenfalls das es bekannt ist, das es diese Leistung im wortwörtlichen Sinne nicht gibt. Das ist mindestens genauso unsinnig, als wenn ein Steuerberater über Mehrwertsteuer schreiben würde, die ja eine Umsatzsteuer ist. Man braucht ja nicht unbedingt von Regelleistung nach dem SGB II zu schreiben, ALG II (Arbeitslosengeld nach SGB II) wäre aber schon wesentlich näher dran, als diese leider weit verbreitete Unsitte diese Leistung als Hartz IV zu bezeichnen. Gerade die es besser wissen oder sollten (?), sollten doch mit gutem Beispiel vorangehen. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, das im Urteil vom BSG auch diese Bezeichnung verwendet wurde.

    M.f.G. LV

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  2. Einen schönen guten Tag LV. Ich halte es nicht für eine Unsitte das SGB II mit "Hartz IV" zu bezeichnen. Hartz IV ist einfach der bessere Ausdruck und wesentlich griffiger als SGB II. Das vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt steht für römisch IV. Und HartzIv steht für Peter Hartz den zwischenzeitlich abgetretenen VW-Manager, der der so genannte Hartz Kommission vorstand. Hartz IV ist auch der Name für eine Idiologie und der Glaube daran, dass man die Menschen nur genügend aktivieren müsse, dann löse sich das Arbeitslosenproblem von alleine. Individualisierung eines kollektiven Problems oder kurz auf den Nenner geracht "selber Schuld". Weil ich nicht nur für Juristen und andere Fachleute schreiben, nehme ich mir die Freiheit einfach weiter Hartz IV zu sagen.

    vergleiche: http://www.nomos-shop.de/Zimmermann-Hartz-IV-Mandat/productview.aspx?product=12936

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  3. ich weis gar nicht in welche richtung ich hier suchen muss...

    ich habe folgenes problem:
    ich erhalte hartz 4, mein verlobter ist polnischer staatsbürger und zur zeit in der jva moabit, ich habe ihn bei mir polizeilich angemeldet, wie sieht es nun mit meinem hartz 4 aus? kann er einen antrag von der jva aus stellen? er gehört ja eigentlich zur bedarfgemeinschaft, aber ist ja gar nicht da. was ist mit meiner miete? wird er in meiner bedarfsgemeinschaft mit eingetagen und trotzdem bleibt alles so wie jetzt auch ( miete zahlt das amt komplett)??? bitte helfen sie mir

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  4. Wer in länger als sechs Monate in Haft ist und kein unbeschränkter Freigänger kann nicht arbeiten gehen und hat daher auch keinen Anspruch auf Hartz IV. Die Miete für die restliche Bedarfsgemeinschaft zahlt zunächst das Jobcenter. Wenn das Jobcenter keinen Aufforderung zur Senkung der Unterkunftskosten gemacht hat, besteht weiter Anspruch auf die volle Miete. Bei weiteren Fragen Beratungshilfeschein beim Amtsgericht holen und mit mir in der Wiclefstraße 16/17 in Berlin-Möabit einen Termin vereinbaren.

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