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Es werden Posts vom November, 2014 angezeigt.

Hausverbot für Hartz IV-Empfängerin im Jobcenter wegen Beschimpfung eines Mitarbeiters

Das SG Heilbronn hat entschieden, dass das Jobcenter einer Hartz IV-Empfängerin bereits bei erstmaliger Störung des Hausfriedens ein befristetes Hausverbot erteilen darf. Die 30-jährige Hartz IV-Empfängerin M. aus Neckarsulm sprach am 17.10.2014 ohne vorherige Terminabsprache beim Jobcenter Landkreis Heilbronn vor und verlangte, ihr sofort die bereits bewilligten Sozialleistungen in bar auszuzahlen. Auf die Bitte, im Wartebereich Platz zu nehmen, wurde M. äußerst ungehalten. Zu einem hinzugerufenen Sicherheitsmann rief sie "Was möchtest du, du Möchtegernglatzkopf?" Das Jobcenter erteilte M. sodann einige Tage später ein für knapp zwei Monate befristetes Hausverbot und ordnete dessen Sofortvollzug an. Dem widersprach M.: Der Präventivcharakter des Hausverbotes verbiete es, sie für vorangegangenes Verhalten zu bestrafen. Zudem habe es sich bei ihr nur um eine "einmalige Taktlosigkeit" gehandelt. Vor dem Sozialgericht begehrte M., die

Soldat hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme für Refertilisation

Das VG Augsburg hat entschieden, dass ein Soldat im Rahmen der truppenärztlichen Versorgung keinen Anspruch darauf hat, dass die Kosten für eine Refertilisationsoperation von der Bundesrepublik Deutschland übernommen werden. Ein Soldat hatte vor einigen Jahren eine Vasektomie (Durchtrennung der Samenleiter) durchführen lassen, weil er nach seiner damaligen Familienplanung keine Kinder bekommen wollte. Aufgrund einer Änderung seines Kinderwunsches begehrte er von der Bundesrepublik Deutschland nun die Übernahme der Kosten für die geplante operative Rückgängigmachung der Vasektomie (Refertilisation). Die Bundesrepublik Deutschland lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Maßnahme nicht Teil der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung sei. Das VG Augsburg hat die Klage des Soldaten gegen den Ablehnungsbescheid abgewiesen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts stellt eine Refertilisation keine zur Behandlung einer Erkrankung spe

Keine Beihilfe für physiotherapeutische Behandlung durch eigenen Sohn

Das VG Trier hat entschieden, dass ein Beamter keinen Anspruch darauf hat, dass der Dienstherr die Kosten erstattet, die anlässlich einer Behandlung durch den eigenen Sohn entstanden sind. Ein Bundesbeamter und seine Ehefrau befanden sich seit 2011 bei ihrem Sohn in physiotherapeutischer Behandlung. In der Vergangenheit reichte der Beamte Rechnungen über die Behandlungskosten bei der Beihilfestelle ein, die diese als beihilfefähig anerkannte. Im Januar 2014 fand erstmals keine Kostenerstattung statt. Aufwendungen für Behandlungen durch Ehegatten und Kinder seien von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Die hiergegen erhobene Klage hat das VG Trier abgewiesen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sehen die Beihilfevorschriften einen Ausschluss von Leistungen für Behandlungen durch enge Verwandte vor. Es bestehe die naheliegende Möglichkeit, dass im Verhältnis zwischen unterhaltspflichtigen Angehörigen der Behandelnde tatsächlich kein Ho

E-Zigarette kein Arzneimittel oder Medizinprodukt

Das BVerwG hat in drei Revisionsverfahren entschieden, dass nikotinhaltige Flüssigkeiten, die mittels E-Zigaretten verdampft und inhaliert werden, keine Arzneimittel sind und dementsprechend die E-Zigarette selbst kein Medizinprodukt ist. Die Klägerin im ersten Verfahren betrieb in Wuppertal seit Dezember 2011 ein Ladengeschäft für E-Zigaretten und Zubehör. Im Februar 2012 untersagte ihr die beklagte Stadt den Vertrieb nikotinhaltiger Liquids in verschiedenen Stärken mit der Begründung, es handele sich um Arzneimittel, die wegen Fehlens der erforderlichen Zulassung nicht verkehrsfähig seien. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Untersagungsverfügung abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil geändert und den angefochtenen Bescheid aufgehoben, weil die beanstandeten Liquids keine Arzneimittel seien. Das BVerwG hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Nach Auffassung des BVerwG sind di

Kein Arbeitsunfall, wenn Unternehmer beim Äpfelschütteln auf benachbartem Grünstreifen Bänderriss erleidet

Das SG Heilbronn hat entschieden, dass die Verletzung eines Unternehmers beim Äpfelschütteln auf einem dem Firmengelände angrenzenden Grünstreifen nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Der 61-jährige Kläger G. ist Geschäftsführer eines zwischen Schwäbisch Hall und Bad Mergentheim gelegenen mittelständischen Unternehmens. Zwischen abgezäuntem Firmengelände und angrenzender Straße befindet sich ein dem Hohenlohekreis gehörender Grünstreifen mit Apfelbäumen. Beim Versuch, im September 2012 die Äpfel mit einer Hakenstange herunterzuschütteln, zog sich G. einen Bänderriss in der Schulter zu, wurde anschließend operiert und leidet noch heute unter Beschwerden. Seine Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, weil Äpfelschütteln keine unfallversicherte Beschäftigung des G. gewesen sei. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte G. geltend, der Hohenlohekreis habe sich nie um die Pflege des Grünstreifens gekümmert. Damit das Bet

BSG aktuell: angemessene Miete in Dresden für SGB II Empfänger 294,83 €

Die Klägerin bezog zum 01.06.2008 die auch im streitigen Zeitraum von ihr bewohnte 50,18 qm große Wohnung, für die eine Grundmiete i.H.v 256,50 Euro und nicht aufgeschlüsselte monatliche Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung i.H.v. 100 Euro zu zahlen waren. Eine vor dem Umzug beantragte Zusicherung zur Übernahme der Aufwendungen für die neue Unterkunft hatte der beklagte SGB II-Träger "wegen Unangemessenheit der Mietkosten" abgelehnt. Die Klägerin hatte im April 2008 schriftlich bestätigt, "die unangemessenen Kosten für die Miete selbst zu tragen". Für die streitige Zeit vom 01.12.2011 bis 31.05.2012 erbrachte der Beklagte nur die von ihm für angemessen gehaltenen Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v 321 Euro, wobei er sich auf ein Gutachten des Instituts Wohnen und Umwelt GmbH (IWU) vom 24.10.2011 zur Ermittlung von Richtwerten für Angemessenheitsgrenzen der Kosten der Unterkunft für die Stadt Dresden berief. Die Gesamtnebenkostenvorauszahlung teil

BSG: Neues zur Übernahme von Mietschulden bei Hartz IV : Darlehen muß nicht während des Leistungsbezug zurückgezahlt werden - keine Verzinsung bei nicht rechtzeitiger Tilgung

 Der Kläger und seine Lebenspartnerin mieteten im Januar zum 01.02.2006 für sich und zwei minderjährige Kinder – eines davon teilweise nicht im Leistungsbezug – eine Wohnung. Die Lebenspartnerin des Klägers und deren Tochter M gebaren beide im März 2006 ein Kind. Der Beklagte führte die M und deren Kind alsdann als eigene Bedarfsgemeinschaft. Nachdem der Beklagte die bewilligte Mietkaution zunächst nicht an den Vermieter überwiesen hatte, konnten der Kläger und seine Familie die Wohnung nach Auszahlung der Mietkaution erst im März 2006 beziehen. In der Folgezeit kam der Beklagte auch der beantragten Direktüberweisung der Miete an den Vermieter nicht nach. Später erfolgten Zahlungen in unterschiedlicher, die Mietforderungen nicht deckender Höhe. Teilweise wurden auch Leistungen für Unterkunft an die Bedarfsgemeinschaften erbracht. Den Antrag auf Übernahme von Mietschulden beschied der Beklagte zunächst nicht. Im April 2007 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis fristlos

BSG: minderjähriger SGB II Empfänger haftet nur bis zur Höhe des Vermögens, was er hatte, als er volljährig wurde

Der Kläger wendet sich gegen eine von dem beklagten SGB II-Träger kurz nach Eintritt seiner Volljährigkeit verfügte Aufhebung einer Leistungsbewilligung und Erstattungsforderung. Der im Februar 1989 geborene Kläger lebte 2006 in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter, seiner Halbschwester und seinem Stiefvater. Dieser hatte bei der erstmaligen Antragstellung im August 2004 angegeben, der Kläger sei Schüler und in den Folgeanträgen insoweit jeweils Änderungen verneint. Bei den anteiligen monatlichen SGB II-Leistungen berücksichtigte der Beklagte daher nur das Kindergeld als Einkommen. Ab September 2006 nahm der Kläger an einer von der Bundesagentur für Arbeit bis in das Folgejahr hinein geförderten berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teil, wegen der ihm mit einem an seinen Stiefvater gerichteten Bescheid der Bundesagentur für Arbeit eine Berufsausbildungsbeihilfe i.H.v. monatlich 211 Euro bewilligt wurde. Im Juli 2007 und damit nach Eintritt der Volljährigkeit des

Arbeitslosmeldung muss immer persönlich erfolgen

Das LSG Chemnitz hat entschieden, dass eine nur telefonische Rückmeldung nicht ausreicht, sondern die Arbeitslosmeldung immer persönlich zu erfolgen hat. In dem Beschwerdeverfahren vor dem LSG Chemnitz war zu entscheiden, ob der Klägerin für eine Klage vor dem SG Dresden Prozesskostenhilfe zu gewähren war, was zumindest hinreichende Erfolgsaussichten der Klage voraussetzt. Mit der Klage wollte die Klägerin Arbeitslosengeld I für die Tage nach einer telefonischen Rückmeldung, aber vor der persönlichen Arbeitslosmeldung bei der Agentur für Arbeit ausgezahlt bekommen. Sie war zuvor arbeitslos gewesen, hatte sich aber in der Hoffnung, ab dem nächsten Monatsersten eine Beschäftigung anzutreten, bei der Agentur für Arbeit abgemeldet. Als das Beschäftigungsverhältnis wider Erwarten doch nicht zustande kam, meldete sie sich zunächst nur telefonisch bei dem von der Agentur für Arbeit betriebenen Callcenter. Das LSG Chemnitz hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe ve

Unerwünschte Katzenbesuche als Mangel

Orientierungssatz zur Anmerkung Der Vermieter muss als Teil der Gebrauchsgewährungspflicht das häufige Eindringen einer Nachbarskatze in die vermietete Wohnung jedenfalls dann unterbinden, wenn auch die Halterin der Katze seine Mieterin ist. A. Problemstellung Haustiere bieten Anlass für Streitigkeiten sowohl zwischen Nachbarn als auch zwischen Mieter und Vermieter. Ein Konfliktfeld eröffnet sich gerade bei der Katzenhaltung, wenn der Halter seine Katze nicht in der Wohnung einsperrt, sondern sie frei laufen lässt. Manche Katze geht dann auf Besuch zum Nachbarn, der das nun als Belästigung empfindet. Ein solcher Fall lag dem AG Potsdam vor. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Der Beklagte hatte den beiden Klägern eine Erdgeschosswohnung mit Terrasse vermietet. Die Mieterin der Wohnung im 1. OG hielt eine Katze, die sie frei laufen ließ. Die Katze drang durch geöffnete Türen oder Fenster in die Erdgeschosswohnung ein und blieb dort jeweils au

Lohnvereinbarung mit "Hartz-IV"-Empfänger: Stundenlohn von zwei Euro sittenwidrig

Das LArbG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die Vereinbarung eines Stundenlohnes von weniger als zwei Euro regelmäßig sittenwidrig und damit rechtsunwirksam ist, wenn die Vergütung mehr als 50 vH hinter der üblichen Vergütung zurückbleibt. Der Arbeitgeber, ein Rechtsanwalt, beschäftigte zwei Empfänger von Leistungen nach dem SGB II mit Bürohilfstätigkeiten gegen ein Entgelt von 100 Euro im Monat, was bei der abverlangten Arbeitsleistung einen Stundenlohn von weniger als zwei Euro ergab. Das Jobcenter machte aus übergegangenem Recht weitere Lohnansprüche geltend; es liege eine sittenwidrige Lohnvereinbarung vor, die den Arbeitgeber zur Zahlung der üblichen Vergütung verpflichte. Das LArbG Berlin-Brandenburg hat der Klage des Jobcenters im Wesentlichen entsprochen. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts führten die Lohnvereinbarungen zu einem besonders groben Missverhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der Gegenleistu

Beginn der Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung

Das SG Dortmund hat entschieden, dass die Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung auch dann mit dem Tag der verspäteten Meldung beginnt, wenn ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nicht mehr eintritt, weil die Arbeitslosigkeit erst nach Ablauf der Sperrzeit beginnt. Eine arbeitslose Frau ging davon aus, dass ihr befristetes Arbeitsverhältnis verlängert wird und meldete sich daher erst einen Monat vor Ende des Arbeitsverhältnisses und damit nach Ablauf der Dreimonatsfrist arbeitsuchend, nachdem ihr Arbeitgeber schriftlich die Verlängerung abgelehnt hatte. Die Agentur für Arbeit Bochum stellte eine einwöchige Sperrzeit fest und bewilligte das Arbeitslosengeld ab der zweiten Woche der Arbeitslosigkeit. Die hiergegen beim SG Dortmund erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Der Eintritt der Sperrzeit ist zwar nach Auffassung des Sozialgerichts wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung berechtigt. Gleichwohl ruhe das Arbeitslosengeld nicht,

Verwandte müssen in "Hartz IV"-Prozessen aussagen

Das LSG Essen hat entschieden, dass Mutter und Stiefvater eines Antragstellers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in einem sozialgerichtlichen Prozess kein Zeugnisverweigerungsrecht im Bezug auf familiäre Vermögensangelegenheiten haben. Der Kläger, ein Langzeitarbeitsloser aus Köln, macht beim SG Köln Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gegenüber dem Jobcenter Köln geltend. Dieses lehnte Leistungen ab, weil der Kläger nicht hilfebedürftig sei. Das Einkommen seines Stiefvaters decke auch den Bedarf des Klägers. Im Klageverfahren macht der Kläger geltend, er könne keine Angaben zu den Einkommensverhältnissen seiner Mutter und seines Stiefvaters machen. Das SG Köln wollte die Mutter und den Stiefvater als Zeugen vernehmen. Diese beriefen sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Verwandte bzw. Ehegatten von Verwandten. Das Sozialgericht hatte festgestellt, dass weder die Mutter noch der Stiefvater ein Zeugnisverweigerungsrecht ha

Deutschland darf Zuwanderer von Hartz IV-Leistungen ausschließen

Der EuGH hat entschieden, dass Deutschland Ausländer aus anderen EU-Mitgliedstaaten von staatlichen Leistungen wie Hartz IV ausschließen kann, wenn diese nur zum Bezug von Sozialleistungen einreisen. In Deutschland sind Ausländer, die einreisen, um Sozialhilfe zu erhalten, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, von den Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen, die insbesondere zur Sicherung des Lebensunterhalts ihrer Empfänger dienen (§ 7 Abs. 1 Unterabs. 2 Nr. 2 SGB II und § 23 Abs. 3 SGB XII). Das SG Leipzig ist mit einem Rechtsstreit zwischen zwei rumänischen Staatsangehörigen – Frau D. und ihr Sohn – auf der einen Seite und dem Jobcenter Leipzig, das ihnen Leistungen der Grundsicherung (existenzsichernde Regelleistung, Sozialgeld und anteilige Kosten für Unterkunft und Heizung) verweigert hat, auf der anderen Seite befasst. Frau D. ist nicht nach Deutschland eingereist, um dort Arbeit zu suchen. Si

Mehr Hilfe für Pflegebedürftige ab dem 01.01.2015

Die Länder haben in ihrer Plenarsitzung am 07.11.2014 das Pflegestärkungsgesetz gebilligt. Das Gesetz entwickelt die Pflegeversicherung weiter und macht sie zukunftsfest. Es weitet in einem ersten Schritt die Leistungen der Pflegeversicherung für die Pflegebedürftigen aus und schafft bessere Möglichkeiten zur Betreuung – insbesondere in den eigenen vier Wänden. Im Gegenzug steigt der Beitragssatz zum 01.01.2015 um 0,3 Beitragssatzpunkte an. Weitere 0,2 Punkte folgen im Jahr 2017. Die Bildung eines Vorsorgefonds vermeidet Beitragssprünge und verteilt die Kosten der steigenden Leistungsausgaben gerechter auf die Generationen. Das Gesetz kann damit dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt werden. Weitere Informationen Erstes Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Erstes Pflegestärkungsgesetz - PSG I) (BR-Drs. 466/14 – PDF, 429 KB) Gericht/Institution: BR Erscheinungsdatum: 07.1

SG Berlin: Entschädigung für DDR-Inhaftierte nach Panikattacken, Phobien und Zwangsadoption

Das SG Berlin hat entschieden, dass eine ehemalige DDR-Inhaftierte einen Anspruch auf Entschädigung wegen Panikattacken und Phobien nach der Haft in der DDR und einer Zwangsadoption ihrer Tochter hat. Die damals 18 Jahre alte Klägerin war im Frühjahr 1971 in Untersuchungshaft in der Haftanstalt Cottbus. Infolge einer Schwangerschaft wurde die Haft unterbrochen. Anfang Januar 1972 gebar die Klägerin eine Tochter, die sie auf Druck von Staatssicherheit und Jugendamt unmittelbar nach der Geburt zur Adoption freigab. Von Ende Januar bis Ende November 1972 verbüßte sie eine Strafhaft in Halle. Der Tatvorwurf lautete: "Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten." Wegen beider Haftzeiten wurde sie 1994 durch Beschluss des LG Cottbus nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) rehabilitiert. Im Januar 2006 stellte die Klägerin beim beklagten Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin einen Antrag auf Beschädigt

SG Berlin: DDR-Zwangsdoping: Anspruch einer Athletin auf Opferentschädigung begründet

Das SG Berlin hat entschieden, dass ein ehemaliges Mitglied der DDR-Damen-Volleyballnationalmannschaft Anspruch auf Opferentschädigung wegen Vermännlichung, Bewegungsdefiziten und Schmerzen nach Zwangsdoping hat. Die 1959 geborene Klägerin stieß mit 13 zum Volleyballteam des SC Dynamo Berlin und wurde mit 15 Mitglied der Volleyballnationalmannschaft der DDR. 1980 gewann sie mit ihrer Mannschaft bei der Olympiade in Moskau die Silbermedaille. Ein Jahr später beendete sie ihre sportlerische Karriere aus gesundheitlichen Gründen. Nach unterschiedlichen beruflichen Tätigkeiten ist die Klägerin seit 2000 arbeitslos. 2006 stellte die Klägerin beim Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin einen Antrag auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. Sie habe zwischen 1972 und 1981 ohne ihr Wissen Dopingsubstanzen erhalten. Unter anderem seien ihr 1975 in Vorbereitung auf die Junioren-Europameisterschaft blaue Tabletten gegeben worden – es müsse

Verstoß gegen EMRK bei Rückführung einer afghanischen Familie nach Italien

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass die Abschiebung einer afghanischen Flüchtlingsfamilie nach Italien (im Rahmen der Dublin-Verordnung) gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Beschwerdeführer sind die Mitglieder einer achtköpfigen Familie mit afghanischer Staatsangehörigkeit – ein Ehepaar mit sechs minderjährigen Kindern – die derzeit in der Schweiz lebt. Der Fall betrifft die Entscheidung der Schweizer Behörden, die Familie nach Italien zurückzuführen. Nachdem die Familie im Juli 2011 zunächst über Italien in die EU eingereist war, stellte sie in Österreich einen Asylantrag, der abgelehnt wurde, und reiste schließlich in die Schweiz weiter, wo sie im November 2011 einen Asylantrag stellte. Die Schweizer Behörden lehnten es ab, den Antrag zu bearbeiten, da gemäß der Dublin-Verordnung der EU, die nach einem Assoziierungsabkommen auch in der Schweiz Anwendung findet, Italien für die Bearb

BSG aktuell: Feststellung der Höchstwerte während Zeiten der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Angehörigen der NVA - Verpflegungsgeld als Arbeitsentgelt ?

Die Revisionen der Beklagten waren im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung erfolgreich. Die Kläger begehren im Wege der Kombination einer Anfechtungs- und zweier Verpflichtungsklagen jeweils allein die Aufhebung bestandskräftiger Feststellungen der Höchstwerte während Zeiten der Zugehörigkeit zu Sonderversorgungssystemen erzielter Arbeitsentgelte und die Berücksichtigung weiterer Entgelte. Verwaltungsakte zu den Voraussetzungen besonderer Entgeltgrenzen sind von diesem Streitgegenstand nicht erfasst. Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des vor ihm für das Recht der Rentenüberleitung zuständigen 4. Senats (BSG, Urt. v. 23.08.2007 - B 4 RS 4/06 R) an. Hiernach bestimmt sich der Begriff des Arbeitsentgelts i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nach § 14 SGB IV. Kann im ersten Prüfungsschritt das Vorliegen von Arbeitsentgelt in diesem Sinne bejaht werden, ist im zweiten festzustellen, ob sich auf der Grundlage von § 17 SGB IV i.V.m. § 1 der ArEV

BSG aktuell: Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger - Stichtagsregelung und unschädliche Unterbrechung

Die Revision des Klägers war erfolglos. Im Ergebnis zutreffend hat das LSG Essen seine Berufung zurückgewiesen und das Klage abweisende Urteil des Sozialgerichts bestätigt. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht als sog. arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger für Zeiten ab dem 01.02.2008 nach § 231 Abs. 5 Satz 1 SGB VI besteht nicht. Zwar kann derzeit nicht festgestellt werden, ob der Kläger in der am 31.12.1998 ausgeübten selbstständigen Tätigkeit versicherungspflichtig war oder ab dem 01.02.2008 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig ist. Auch kann dem angegriffenen Urteil nicht entnommen werden, ob die weiteren Voraussetzungen des einschlägigen § 231 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfüllt sind. Dennoch ist eine abschließende Entscheidung möglich. Die in Frage stehende Norm ist Besitzstands- bzw Vertrauensschutzregelung und bewahrt im Sinne der Statuskontinuität die von ihr B

BSG aktuell: Antrag auf Hörgerät ist gleichzeitig Antrag auf Leistungen zur Teilhabe - ausschließliche Zuständigkeit des erstangeganegenen Trägers

Die Revision der Beklagten war im Sinn der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräte entweder durch die Beklagte oder durch die Beigeladene. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass allein die Beklagte Revisionsführerin ist. Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass ein Antrag auf Versorgung mit Hörgeräten immer auch auf Leistungen zur Teilhabe i.S.v. §§ 1, 4 und 5 SGB IX gerichtet ist (BSG, Urt. v. 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - SozR 4-3250 § 14 Nr. 8 Rn. 18). Die Zuständigkeit des hierzu nach § 14 SGB IX berufenen Trägers schließt die Zuständigkeit aller anderen Träger aus und erstreckt sich im Außenverhältnis gegenüber dem behinderten Menschen auf Ansprüche aus allen Rechtsgrundlagen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Sie umfasst ggf. auch Erstattungsansprüche nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SG

Posttraumatische Belastungsstörung als Folge eines zehn Jahre zurückliegenden Arbeitsunfalls verneint

Das LSG München hat entschieden, dass ein Pilot, der erst über zehn Jahre nach einer Notlandung aus psychischen Gründen fluguntauglich wurde, keine verzögerte Posttraumatische Belastungsstörung hat. Ein Rettungshubschrauber-Pilot war 1994 wegen eines Maschinendefektes zu einer Notlandung gezwungen. Alle Hubschrauber-Insassen blieben körperlich unverletzt. Der Pilot wurde fluguntauglich aus psychischen Gründen – allerdings erst im Jahr 2005. Ein Jahr danach begehrte er rückwirkend eine Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalles 1994. Die Berufsgenossenschaft erkannte einen Arbeitsunfall an, lehnte aber die Verletztenrente ab. Eine Verletztenrente erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge Arbeitsunfalles dauerhaft gemindert ist. Infolge heißt, dass der Gesundheitsschaden kausal auf den Unfall zurückzuführen ist. Die Erwerbsfähigkeit sei nicht "infolge" des Arbeitsunfalles über die 26. Woche hinaus relevant gemindert. Dagegen wandte sich der