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Hilfebedürftiges minderjähriges Kind kann von seinem Kindergeld gem. § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II - Krankenzusatzversicherung und (erweiterte) Unfallversicherung im Rahmen der Privatschutz-Police - nicht absetzen.

Landesszialgericht Sachsen-Anhalt , Beschluss vom 23.06.2011, - L 5 AS 129/11 B ER -

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Alg II-V ist von dem Einkommen Minderjähriger ein Betrag iHv 30,00 EUR monatlich für die Beiträge zur privaten Versicherungen nach § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II abzusetzen, wenn der oder die Minderjährige eine entsprechende Versicherung abgeschlossen hat und diese nach Grund und Höhe angemessen ist.

Krankenzusatzversicherung ist dem Grund und der Höhe nach nicht angemessen, denn im Regelfall ist für gesetzlich krankenversicherte Leistungsberechtigte der von der GKV gewährleistete Leistungsstandard für die Versorgung ausreichend . Eine diesen Standard übersteigende Versorgung ist im Regelfall nicht geboten und daher unangemessen.

Dem Grund nach angemessen sind Versicherungsbeiträge dann, wenn ein Risiko abgesichert wird, das entweder üblich oder durch besondere Lebensumstände gerechtfertigt ist. Dabei ist auf die aktuellen Lebensumstände, hier also auf die Inanspruchnahme staatlicher Fürsorgeleistungen, und nicht auf den Lebenszuschnitt ohne staatliche Unterstützung abzustellen.

Es kann offen bleiben, ob eine private Unfallversicherung zur Absicherung gegen Freizeitunfälle bei den maßgeblichen einfachen wirtschaftlichen Lebensverhältnissen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 18/96 R,  RN 26) angemessen ist.

Kinder sind während des Besuchs von Kindertageseinrichtungen oder Schulen gegen das Risiko von Invalidität und Tod durch Unfallfolgen durch die Gesetzliche Unfallversicherung nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe a und b SGB VII) geschützt.

Jedenfalls handelt es sich bei der Privatschutz-Police nicht um eine reine Unfallversicherung, sondern es werden weitere Risiken abgedeckt, die zweifellos als Luxusversicherung zu bewerten sind. Dies gilt insbesondere für die Krankenhaustagegeldversicherung iHv 20,00 EUR täglich (obwohl Minderjährige gemäß § 39 Abs. 4 Satz 1 SGB IV keine Zuzahlung zu vollstationären Krankenhausbehandlungen zu erbringen haben), die Auslandskrankenversicherung mit Rückholkosten, die Versicherungen für die Kosten von kosmetischen Operationen iHv bis zu 10.000,00 EUR und von Kuren iHv bis zu 3.000,00 EUR. Hierfür sind individuell begründete besondere Risiken der Antragstellerin zu 3 nicht erkennbar.

 Bei der abgeschlossenen Privatschutz-Police handelt es sich insgesamt um eine unangemessene Versicherung , die den Abzug der Versicherungspauschale nach § 6 Alg II-V nicht auslöst (so auch: LSG Hamburg, Urteil vom 11. November 2010, Az.: L 5 AS 58/07, RN 24ff.).

Auch aus dem Urteil des BSG vom 13. Mai 2009 (Az.: B 4 AS 39/08 R, juris) folgt im Hinblick auf die Abzugsfähigkeit der Versicherungspauschale bei S. nichts anderes. Zwar wird ausgeführt, dass vom Einkommen Minderjähriger die Versicherungspauschale abzuziehen sei, wenn diese aus der Bedarfsgemeinschaft allein aufgrund überschießenden Einkommens herausfallen würden. Die Entscheidung erging jedoch noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Neuregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Alg II-V ab dem 1. August 2009.

Denn offensichtlich in Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG hatte sich der Verordnungsgeber dazu entschlossen, in der Alg II-V eine grundsätzliche Abzugsmöglichkeit der Versicherungspauschale von dem Einkommen Minderjähriger vorzusehen. Nach der nunmehr geltenden Regelung ist es ohne Belang, ob die Kinder einer Familie "formal" Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht. Darauf stellt die Neuregelung nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht mehr ab.

Maßgeblich ist der tatsächliche Abschluss einer entsprechenden Versicherung durch die minderjährige Person deren Angemessenheit nach Grund und Höhe. Das o.g. Urteil des BSG ist nur auf Fälle anwendbar, die nach der alten Regelung in der Alg II-V zu beurteilen sind (vgl. so auch SG Chemnitz, Urteil vom 11. November 2010, Az.: S 35 AS 1612/10, juris RN 38 f.). Die nunmehr getroffene Differenzierung bei der Absetzbarkeit zwischen Erwachsenen und Minderjährigen ist ermächtigungskonform und steht im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz.

Denn soweit Kinder im Hinblick auf den Versicherungsschutz privater Versicherungen an dem ihrer Eltern teilnehmen können, ist die Versagung der Versicherungspauschale für Minderjährige nicht zu beanstanden, wie dies das BSG bereits im Urteil vom 18. Juni 2008 (Az.: B 14 AS 55/07 R, RN 40; vgl. auch Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 18/06 R, RN 27) ausgeführt hat.

Anmerkung: Wann kann von dem Einkommen Minderjähriger, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für Beiträge zu privaten Versicherungen in Abzug gebracht werden?

Muss der Minderjährige die Versicherung selbst - also eigentätig - abgeschlossen haben ? -Private Unfallversicherung - Paketversicherung- .

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/07/wann-kann-von-dem-einkommen.html

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

Kommentare

  1. Das BSG hat in diesem Termin und in den folgenden den Schutz auf körperliche Unversehrtheit aufgegeben.

    Zu diesem Schutz gehört nicht nur die nackte Heilbehandlung sondern besonders bei Kindern die Abwehr psychischer Schäden durch Schmerzen oder anderer belastender Krankheitssymptome wie verstopfte Atemwege mit Erstickungsgefühl oder schmerzender Husten.

    Auch wenn von Kindern (und Erwachsenen) eine gewisse Leidensfähigkeit durchaus mal erwartet werden mag, ist sie und die Traumatisierung bei vorhander Abhilfe durch Bagatellmedikamente (und somit die dazu notwendigen Mittel) durchaus vermeidbar.

    Vermeidbare Schmerzen und Hunger sind Folter, ebenso wie Waterboarding auch, ....

    Die Menschheit möge das GG lesen und endlich verstehen.

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