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Die Beweislast für das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II bzw. das Vorliegen der Voraus-setzungen einer der Vermutungsregelung nach § 7 Abs. 3 a SGB II trägt im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der jeweilige Leistungsträger, der auch darlegungs- und glaubhaftmachungspflichtig ist .

§ 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II 

Sozialgericht Lüneburg Beschluss vom 10.05.2011, - S 45 AS 124/11 ER -

Mit der Regelung über die Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft knüpft der Ge-setzgeber an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an, wonach für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft die Bindungen der Partner so eng sein müs-sen, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Le-bens erwartet werden kann. Das setzt voraus, dass sie sich füreinander verantwortlich fühlen, zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherzustellen, bevor sie ihr per-sönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse einsetzen (BVerfG, Urt. v. 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 -).


Die Beweislast für das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II bzw. das Vorliegen der Voraus-setzungen einer der Vermutungsregelung nach § 7 Abs. 3 a SGB II trägt im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der jeweilige Leistungsträger, der auch darlegungs- und glaubhaftmachungspflichtig ist (LSG Nds.-Bremen, Beschl. v. 04.12.2008 - L 9 AS 467/08 ER -. Die gesetzliche Vermutung des § 7 Abs. 3 a SGB II führt zu einer Umkehr der Beweislast (LSG Nds.-Bremen, Beschl. v. 16.01.2007 - L 13 AS 15/06 ER -). Sie kann aber widerlegt werden. Zu Umfang und Reichweite der Vermutungsregel des § 7 Abs. 3 a SGB II hat das LSG Niedersachsen-Bremen jüngst wie folgt ausgeführt (Beschl. v. 27.01.2011 - L 15 AS 311/10 B ER -):


"Mit der zum 1. August 2006 in Kraft getretenen Novelle wird ihm indessen die Be-weisführung durch die Einführung der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3a SGB II erleichtert, von denen vorliegend namentlich die Nr 1 in Betracht zu ziehen ist. Danach wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenle-ben. Nach richtiger Auffassung bedeutet die Einführung dieser Vermutungsregel al-lerdings keine Verminderung der materiellen Anforderungen an das Bestehen einer (Lebens-)Partnerschaft. Entscheidend bleibt insoweit der innere Wille, füreinander einzustehen. Soweit es aber für die Beurteilung einer solchen inneren Haltung durch Dritte zwangsläufig äußerer Anknüpfungstatsachen bedarf (vgl. dazu bereits BVerfG, aaO), die neben der Erziehung gemeinsamer Kinder namentlich in der Dauer der Verbindung und der Einräumung der Befugnis zur Verfügung über Ver-mögensgegenstände des Partners liegen können, begründet das mehr als ein Jahr währende Zusammenleben nach § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II als äußere Anknüpfungs-tatsache den - widerleglichen - Schluss auf eine den materiellen Anforderungen des § 7 Abs. 3 Lit. c) genügenden Willen. In den Fällen des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II beschränkt sich demzufolge die materielle Darlegungs- und Beweislast des zustän-digen Trägers auf die tatsächlichen Voraussetzungen der Vermutungsregel (so auch Spellbrink, aaO, § 7 Rdnr. 50 u.H.a. LSG Baden–Württemberg; vgl. im Übri-gen die amtliche Begründung zu dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsiche-rung für Arbeitssuchende, BT–Drucks. 16/1410, S. 19, zu Nr. 7, Buchst. b), wonach die neu eingeführten Vermutungsregeln des § 7 Abs. 3 a SGB II im Sinne einer "Umkehr" der beim Träger liegenden Beweislast verstanden werden).

Der Um-stand, dass aus den in § 7 Abs. 3a SGB II geregelten Vermutungstatbeständen auf den weiterhin verfassungsrechtlich maßgeblichen Willen zu gegenseitiger Verant-wortungsübernahme und Fürsorge lediglich geschlossen werden soll, gebietet es indessen, die Anwendung der Vermutungsregeln auf diejenigen Fälle zu beschrän-ken, in denen ein solcher Rückschluss von den Umständen tatsächlich nahegelegt und gerechtfertigt wird.

 Für die Anwendung von § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II reicht es daher nicht aus, wenn der Arbeitsuchende länger als ein Jahr mit einer anderen Person in derselben Wohnung wohnt. Wie bereits der Gesetzgeber durch die Ver-wendung der Begriffe "Partner" und "Zusammenleben" hinreichend deutlich ge-kennzeichnet hat, ist § 7 Abs. 3a Nr. 1 auf bloße Wohngemeinschaften nicht an-wendbar, sondern erfordert das Vorliegen eines darüber hinausgehenden, qualifi-zierten Zusammenlebens wenigstens in der Form einer Haushalts- und Wirt-schaftsgemeinschaft (vgl. LSG Niedersachsen - Bremen, Beschl. 10. September 2007, Az. L 9 AS 439/07 ER und Beschl. v. 16.10.2009, Az. L 9 AS 717/09 B ER; Spellbrink in Eicher / Spellbrink, aaO, § 7 Rdnr. 45; Brühl / Schoch in Münder, LPK-SGB II, aaO, § 7 Rdnr. 85; zum Erfordernis des Wirtschaftens "aus einem Topf", vgl. BSG, Urt. v. 13.11.2008, Az. B 14 AS 2/08 R, zugleich auch zur Zulässigkeit einer hierauf gründenden, typisierenden Bewertung des gegenseitigen Einstands-willens)."

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

Kommentare

  1. Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft?,
    65 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)
    ANGER

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  2. Klingt gut aber ich wurde eines besseren belehrt. Ich soll mit weiter auf die Schnauze hauen lassen und das mit Beschluss vom LSG Bremen ohne Rechtsmittel einlegen zu können. §177SGG. Trotz Beschluss des Familiengerichtes nach Gewaltschutzgesetz und Eidesstattlicher Versicherung im Gerichtsprozess werden mir Leistungen rückwirkend aberkannt-da Anhaltspunkte vorliegen das ich dort mit Ihm wohne.Hier handelt es sich um meinen Namen an der Tür. Meine Kinder und ich sind somit ohne Krankenversicherung, der Lebenspartner bezieht selber ALG 2 und wir stehen jetzt da.Weitere zwischenzeitliche Anzeigen gegen den Lebenspartner reichen nicht aus um das Gegenteil zu beweisen!!!!!!!!

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  3. Wie sieht es aus wenn die Arge nach 4 Jahren zusammenleben ,ich Harz4 und er in Arbeit drauf kommt uns als BG zu sehen?Ich habe bei Umzug angegeben das wir eine WG sind , was auch so ist Ich habe alleine im DG ein Wohnzimmer,Schlafzimmer Bad und Kinderzimmer und die Küche teilen wir uns und er hat sein eigenes Schlafzimmer. Ich zahle meine Miete für mich und meiner Tochter in seinem Haus. Ausserdem auch wenn wir füreinander Einstehen wollten würde es nicht gehen durch seine Hauskredite und aus erste Ehe Kredit verpflichtungen.Er will nicht für uns aufkommen und ich möchte das auch nicht.Kann die Arge wenn sie denn nach 4 Jahren nachfragen uns zur BG zwingen ?Lg

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  4. Alles Quark diese hirnrissige scheiße..
    Eine eheähnliche Gemeinschaft zeichnet sich aber im Kern dadurch aus, dass das gesamte Einkommen und Vermögen auf freiwilliger Basis vorrangig für den Partner eingesetzt wird. Eine „Beziehung (ist) wirklich eheähnlich, (wenn) die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung … durch die Bereitschaft zur Unterhaltsleistung ersetzt wird”. (Winkler 2005, 254) Das wäre dann auch der Beweis dafür, dass eine der Ehe ähnliche Beziehung tatsächlich existiert. Das Bundessozialgericht stellt deswegen darauf ab, dass „eine Verpflichtung empfunden wird, ähnlich wie Ehegatten - auch im Sinne gegenseitiger Unterhaltsleistung - füreinander einzustehen.” (BSG 17.10.2002 - B 7 AL 96/00 R)

    Deshalb sagt das Bundesverfassungsgericht: „Ohne rechtlichen Hinderungsgrund kann der mit dem Arbeitslosen nicht verheiratete Partner auch jederzeit sein bisheriges Verhalten ändern und ein Einkommen ausschließlich zur Befriedigung eigener Bedürfnisse oder zur Erfüllung eigener Verpflichtungen einsetzen. Wenn sich ein Partner entsprechend verhält, besteht eine eheähnliche Gemeinschaft nicht oder jedenfalls nicht mehr.” (BVerfG 17.11.1992, IDAS 3/93 I 3.4.)
    Das ist eine unmissverständlich klare Aussage. Eine Aussage, die von den an Zwangsverheiratung interessierten Kreisen mit Absicht übersehen wird. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht diesen korrekten Standpunkt in einem neueren Urteil bekräftigt. Eine eheähnliche Gemeinschaft „ist allein die Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau, … die sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen.” (BVerfG 02.09.2004 - 1 BvR 1962/04) Die inneren Bindungen reichen nicht. Sie müssen ein (tatsächliches) Einstehen der Partner begründen, d.h. das „Einstehen” in Form von realen Zahlungen. Einstehen füreinander begründen, heißt es, und nicht „die Erwartung des Einstehens füreinander begründen”.
    Auch wenn es den finanziellen Interessen von Regierung, Bundestag und Behörden nicht entspricht, bedeutet das im Klartext,

    „dass die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft von vornherein ausgeschlossen ist, wenn der vermögende Partner erklärt, den Hilfeempfänger nicht zu unterstützen und nicht unterstützen zu wollen.” (VGH München 01.07.1998, FEVS 1999, 110)


    So fasste der Bayerische VGH die heutige Auffassung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts richtig zusammen.

    Eine eheähnliche Gemeinschaft liegt also nur dann vor, wenn jemand erklärt, dass er sein gesamtes Einkommen und Vermögen (nicht nur einen Teil) für seine Partnerin/seinen Partner einsetzen will und das auch tut.

    Eine Einstehensgemeinschaft im klassischen Sinne wird durch rechtsverbindliche Mechanismen wie Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft rechtlich nominiert. Diese verlangt rechtlich gestützte gegenseitige Unterhaltspflicht.

    Eine „eheähnliche Gemeinschaft“ nach dem SGB II setzt hingegen lediglich eine „freiwillige Unterhaltszahlung“ voraus (Einstehen tatsächlich begründen), das sich allerdings jederzeit ändern kann.

    Dies ist keine neue Rechtslage: Die Grundsatzurteile wurden lange vor dem vor dem Gesetzgebungsverfahren des SGB II gefällt, und die Sozialgerichte verweisen auf diese längst gefällten Urteile. Zusätzlich mussten die Gerichte feststellen, dass der Antrag auf ALG II gegen geltendes Recht verstößt! Geändert wurden die Erläuterungen zum ALGII-Antrag, aber klar sind diese noch immer nicht. Klar wäre es, wenn hier ausdrücklich und verständlich stünde: „Unterhalt zwischen nicht verheiraten Paaren ist freiwillig! Erhalten Sie freiwilligen Unterhalt von Ihrem Partner oder anderen Personen? Wenn ja, in welcher Höhe?“
    Bei solch einer klaren Darstellung des geltenden Rechts gäbe es nichts hinzuzufügen und würde jede Menge Prozesse ersparen.

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