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Der Gesetzgeber hat in § 10 Abs. 1 BEEG die Anrechnungsfreiheit bis zu einer Höhe von 300,00 EUR im Monat und nicht "pro Elterngeldberechtigten" bestimmt .

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil vom 25.05.2011, - L 13 AS 90/09 -

Im Ausgangspunkt ist zu berücksichtigen, dass es sich sowohl beim Anspruch auf Elterngeld nach den Bestimmungen des BEEG als auch beim Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II um Individualansprüche handelt; so ist auch nach den Bestimmungen des SGB II das Elterngeld als Einkommen dem jeweils bezugsberechtigten Elternteil zuzurechnen (Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 11 Rn. 44).


Soweit eine Einzelnorm eine Ausnahme von diesem Grundsatz konstituieren soll, bedarf es dafür hinreichend klarer Anhaltspunkte im Gesetz. Diese ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass nach § 10 Abs. 1 BEEG das Elterngeld bis zu einer Höhe von "insgesamt" 300,00 EUR im Monat als Einkommen unberücksichtigt bleibt. Denn das Wort "insgesamt" bezieht sich nicht die Menge "zwei Elternteile", sondern auf die im Gesetz genannte Menge "Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf das Elterngeld angerechneten Leistungen", also auf den Gesamtbetrag aus diesen Leistungen (so auch Lenz, in: Rancke (Hrsg.), Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit, Handkommentar, § 10 BEEG, Rn. 2).


Aus dem Zusammenwirken von § 2 Abs. 5 BEEG, § 10 BEEG und § 11 Abs. 3a SGB II ergibt sich, dass der Gesetzgeber den Mindestbetrag des Elterngeldes i. H. von 300,00 EUR bis zum Jahresende 2010 als reine Förderungsleistung ausgestaltet hat, nur der darüber hinausgehende Betrag hat Entgeltersatzfunktion (vgl. Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 8. Aufl. 2008, § 10 BEEG, Rn. 5). Zweck des Elterngeldes ist insoweit ein Ausgleich für finanzielle Einschränkungen in den ersten 12 oder 14 Lebensmonaten eines Kindes sowie die Anerkennung für die Betreuungsleistung; das Elterngeld soll den Eltern bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage ohne größere finanzielle Nöte helfen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucksache 16/1889, S. 26, vgl. dort auch S. 15, 16, sowie Jung, SGb 2007, 449 (453)). Daraus ergibt sich, dass die Elterngeldzahlung in dieser Höhe für jeden der 12 bzw. 14 Anspruchsmonate keine Zweckidentität mit den Leistungen nach dem SGB II aufweist (vgl. insoweit die – im Rahmen des § 11 Abs. 3a SGB II freilich nicht unmittelbar anwendbare – Vorschrift des § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II, jeweils in der zur Zeit des Leistungsfalles geltenden Fassung).

So ist in der Gesetzesbegründung auch ausdrücklich ausgeführt worden, das Elterngeld zähle i. H. von 300,00 EUR nicht als Einkommen für andere Sozialleistungen bei allen Familien auch tatsächlich zu einer Erhöhung des verfügbaren Haushaltsnettoeinkommens führe, (Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucksache 16/1889, S. 17).


Der Bezugspunkt des genannten Betrages i. H. von 300,00 EUR ist der Anspruchsmonat. Was unter einem Anspruchsmonat zu verstehen ist, ergibt sich aus der Vorschrift des § 4 Abs. 2 BEEG, die wie folgt lautet: "Elterngeld wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt. Die Eltern haben insgesamt Anspruch auf zwölf Monatsbeträge. Sie haben Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge, wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt. Die Eltern können die jeweiligen Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen." Hieraus wird deutlich, dass für die 12 bzw. 14 Anspruchsmonate grundsätzlich auch ein Doppelbezug im gleichen Monat möglich ist, wie dies durch den Gesetzgeber auch ausdrücklich gewollt war (vgl. Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/1889, S. 23). § 4 Abs. 2 Satz 4 BEEG stellt klar, dass die Eltern die 12 oder 14 Monatsbeträge, auf die sie Anspruch haben, auch gleichzeitig in Anspruch nehmen können. Zeiten gleichzeitiger Inanspruchnahme von Elterngeld führen dabei zu einem doppelten Verbrauch von Monatsbeträgen und zu einer entsprechenden Verkürzung des Bezugszeitraums (Gesetzesbegründung, a. a. O., S. 23, vgl. auch S. 16). Die konsequente Durchhaltung eines strikten Grundsatzes in dem Sinne, dass ein Anspruchsmonat (und sein Verbrauch) jeweils einem (einzelnen) Elternteil zuzurechnen ist, zeigt sich auch in der Ablehnung eines Änderungsantrages, mit welchem eine gleichzeitige Teilzeitarbeit beider Elternteile in Abwandlung dieses Grundsatzes nur zum Verbrauch eines Anspruchsmonats führen sollte (BT-Drucks. 16/2785 vom 27. September 2006, S. 33).

Vor diesem Hintergrund bestimmt § 11 Abs. 3 a SGB II die Anrechnungsfreiheit des Betrages nach § 10 BEEG. Dies ist auf den Betrag i. H. von 300,00 EUR und auf den Anspruchsmonat zu beziehen, wie dies (allein) dem System des BEEG entspricht. Wenn es an einer konkreten Zielsetzung des Gesetzgebers fehlt, welche die Auslegung einer Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut gebietet, so ist für richterliche Rechtsfortbildung kein Raum. Somit obliegt die Beurteilung der Frage, in welcher Höhe Empfängern von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ein Betrag vom Elterngeld anrechnungsfrei verbleiben muss, nicht den Gerichten. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine sozialpolitische Entscheidung allein des Gesetzgebers, der sich eindeutig für die Möglichkeit des Doppelbezuges von Elterngeld durch beide Elternteile mit der Konsequenz des doppelten Verbrauchs von Anspruchsmonaten entschieden hat.

Dieses System des BEEG ist auch für den Anwendungsbereich des SGB II hinzunehmen (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. November 2010 – L 6 AS 1118/10 B – ,Rn. 12).

 Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

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