Im Rahmen des § 74 SGB XII gehören nich zu den erforderlichen Aufwendungen Kosten einer Auslandsbeerdigung - Beisetzung in der Türkei - islamische Glaube - Aus der Tragung der Flugkosten im Verwandtenkreis ist nicht auf die Leistungsfähigkeit der SGB II - LB zu schließen.
Sozialgericht Lüneburg Urteil vom 12.05.2011, - S 22 SO 19/09 -
Bei dem Rechtsbegriff der Erforderlichkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. Urteil der Kammer vom 18. Januar 2010 - S 22 SO 87/09 -; Grube/Wahrendorf, 2. Auflage 2008, § 74, Rd. 30). Die Erforderlichkeit bezieht sich sowohl auf die Art der Kosten als auch auf deren Höhe (vgl. Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Kommentar zum SGB XII, 18. Auflage 2010, § 74, Rd. 14). Was ortsüblich und angemessen ist, bestimmt sich in erster Linie nach den einschlägigen friedhofsrechtlichen Vorschriften der Kommune und ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) Baden-Württemberg vom 19. Dezember 1990 - 6 S 1639/90 -).
Zu übernehmen sind die Kosten, die üblicherweise für eine würdige, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende einfache Bestattung anfallen, die aber nicht beschränkt sind auf die Aufwendungen einer von der Ordnungsbehörde im Wege der Ersatzvornahme veranlassten Einfachbestattung (vgl. LPK/SGB XII/Berlit, 8. Auflage 2007, § 74, Rd. 12; Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Nordrhein-Westfalen vom 04. März 1996 - 19 A 194/96 -; Beschluss des Hessischen Landessozialgerichtes vom 20. März 2008 - L 9 SO 20/08 B ER -). Dabei ist der Eindruck eines Armengrabes zu vermeiden und auf ein Begräbnis auch in ortsüblicher einfacher Art in Würde zu achten (vgl. Urteil des Hessischen VGH vom 10. Februar 2004 - 10 UE 2497/03 -; Urteil des Verwaltungsgerichtes Hannover vom 06. Juni 2000 - 3 A 5028/99 -).
Eine generelle Feuerbestattung oder anonyme Beisetzung sind nicht statthaft und nicht vom Rechtsbegriff der Erforderlichkeit gedeckt (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichtes Hannover vom 16. September 1997 - 3 A 2204/96 -). Andererseits sind nicht alle Traditionen und Gebräuche sozialhilferechtlich angemessen, wobei Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine standesgemäße Beerdigung (§ 1968 BGB) nicht besteht (LPK/SGB XII/Berlit aaO.; Beschluss des Hessischen VGH vom 13. Januar 2006 - 10 ZU 1391/05 -).
Nicht zu den erforderlichen Aufwendungen zählen Kosten einer Auslandsbeerdigung. Dies betrifft insbesondere die Überführungs-, Transport- und Beisetzungskosten nach örtlichen Gepflogenheiten. Im vorliegenden Fall wäre dem Verstorbenen eine Beisetzung auf einen islamischen Friedhof in Deutschland, insbesondere Hamburg, möglich und zumutbar gewesen, so dass eine sozialhilferechtliche Erforderlichkeit der Beisetzung in der Türkei zu verneinen ist (vgl. so auch Urteil des OVG Hamburg vom 21. Februar 1992 - Bf IV 44/90 -, FEVS 43, 66). Dass sein persönlicher Wunsch dahin ging, in der Türkei bestattet zu werden, begründet keine Leistungsverpflichtung im Rahmen der Sozialhilfe, da sie mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden war. Die Beisetzung im Ausland war somit sozialhilferechtlich nicht erforderlich (vgl. Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/ Hohm, § 74, Rd. 17).
Eine Beisetzung im Inland wäre auch nicht unüblich gewesen, wie die nennenswerte Zahl islamischer Friedhöfe in Großstädten gerade zeigt. Der islamische Glaube gebietet dabei nicht zwingend, eine Beisetzung in heimischer Erde vorzunehmen. Somit kann eine Versagung der Leistungen hierfür die Freiheit der Religionsausübung gemäß Artikel 4 Absatz 2 Grundgesetz (GG) nicht verletzten. Denn davon sind alle denkbaren kultischen Handlungen sowie die Beachtung und Ausübung religiöser Gebräuche umfasst (vgl. Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Loseblattsammlung, Artikel 4, Rd. 101).
Zudem ist das Grundrecht auf Religionsausübungsfreiheit als Abwehrgrundrecht ausgestaltet und eröffnet keine weitere Teilhabemöglichkeiten, welche zulasten eines Dritten gingen (vgl. von Münch/Kunig/Mager, Kommentar zum GG, 5. Auflage 2000, Artikel 4, Rd. 61; Dreier/Morlok, Kommentar zum GG, 2. Auflage 2004, Artikel 4, Rd. 103). Somit ist weder die Religionsausübungsfreiheit des Verstorbenen oder der Klägerin verletzt durch die Nichtübernahme der Überführungskosten.
Im Rahmen des § 74 SGB XII sind lediglich die tatsächlich angefallenen Kosten berücksichtigungsfähig und nicht fiktive Kosten einer vergleichbaren Beisetzung im Bundesgebiet (vgl. Urteil des OVG Hamburg vom 21. Februar 1992 aaO.).
Im vorliegenden Fall waren somit weder die Überführungskosten Hamburg-Istanbul (700,- Euro) noch die Aufwendungen für den Überführungssarg (600,- Euro) zu übernehmen.
Aus der Bestatterpauschale waren erforderlich und angemessen im vollen Umfang die Aufwendungen für Sargzubehör (61,36 Euro), Einkleiden und Einbetten (76,69 Euro), Überführung bis 80 km (91,15 Euro), Überführungsträger (61,36 Euro), Aufbahrung zur Trauerfeier (71,58 Euro), Verwaltungskosten (38,35 Euro) und Transportsarg (29,65 Euro). Nicht erforderlich waren Beratung und Erledigung der Formalitäten und der Sargschmuck, da eine einfache, ortsübliche Bestattung zugrunde zu legen ist. Zudem können die entsprechenden Formalitäten auch zumutbar in Eigenleistung erbracht werden, zumal die beschäftigungslose Klägerin hierzu auch zeitlich in der Lage war.
Hinsichtlich der Pauschale 2 von 366,- Euro waren voll übernahmefähig die Beschaffung von Leinentüchern, die Waschraumnutzung und die Beiziehung eines Imam zum Totengebet, da dies zu einer islamischen Beerdigung erforderlich und die Würde des Verstorbenen dies erfordert. Die muslimische Beerdigung ist aufgrund des Artikels 3 Absatz 3 Grundgesetz der christlichen Bestattung gleichzustellen, in der die rituelle Waschung und das Totengebet zum Kernbereich gehören (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichtes Berlin vom 03. November 1992 - 8 A 286/89 -).
In Höhe der erforderlichen Kosten ist der HB als Hinterbliebene aufgrund ihrer Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II eine Kostentragung unzumutbar, so dass sich insoweit ein gebundener Anspruch gegen das JC ergibt. Der Argumentation des JC ist nicht zu folgen, aus der Tragung der Flugkosten im Verwandtenkreis sei auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin zu schließen.
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.
Bei dem Rechtsbegriff der Erforderlichkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. Urteil der Kammer vom 18. Januar 2010 - S 22 SO 87/09 -; Grube/Wahrendorf, 2. Auflage 2008, § 74, Rd. 30). Die Erforderlichkeit bezieht sich sowohl auf die Art der Kosten als auch auf deren Höhe (vgl. Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Kommentar zum SGB XII, 18. Auflage 2010, § 74, Rd. 14). Was ortsüblich und angemessen ist, bestimmt sich in erster Linie nach den einschlägigen friedhofsrechtlichen Vorschriften der Kommune und ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) Baden-Württemberg vom 19. Dezember 1990 - 6 S 1639/90 -).
Zu übernehmen sind die Kosten, die üblicherweise für eine würdige, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende einfache Bestattung anfallen, die aber nicht beschränkt sind auf die Aufwendungen einer von der Ordnungsbehörde im Wege der Ersatzvornahme veranlassten Einfachbestattung (vgl. LPK/SGB XII/Berlit, 8. Auflage 2007, § 74, Rd. 12; Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Nordrhein-Westfalen vom 04. März 1996 - 19 A 194/96 -; Beschluss des Hessischen Landessozialgerichtes vom 20. März 2008 - L 9 SO 20/08 B ER -). Dabei ist der Eindruck eines Armengrabes zu vermeiden und auf ein Begräbnis auch in ortsüblicher einfacher Art in Würde zu achten (vgl. Urteil des Hessischen VGH vom 10. Februar 2004 - 10 UE 2497/03 -; Urteil des Verwaltungsgerichtes Hannover vom 06. Juni 2000 - 3 A 5028/99 -).
Eine generelle Feuerbestattung oder anonyme Beisetzung sind nicht statthaft und nicht vom Rechtsbegriff der Erforderlichkeit gedeckt (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichtes Hannover vom 16. September 1997 - 3 A 2204/96 -). Andererseits sind nicht alle Traditionen und Gebräuche sozialhilferechtlich angemessen, wobei Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine standesgemäße Beerdigung (§ 1968 BGB) nicht besteht (LPK/SGB XII/Berlit aaO.; Beschluss des Hessischen VGH vom 13. Januar 2006 - 10 ZU 1391/05 -).
Nicht zu den erforderlichen Aufwendungen zählen Kosten einer Auslandsbeerdigung. Dies betrifft insbesondere die Überführungs-, Transport- und Beisetzungskosten nach örtlichen Gepflogenheiten. Im vorliegenden Fall wäre dem Verstorbenen eine Beisetzung auf einen islamischen Friedhof in Deutschland, insbesondere Hamburg, möglich und zumutbar gewesen, so dass eine sozialhilferechtliche Erforderlichkeit der Beisetzung in der Türkei zu verneinen ist (vgl. so auch Urteil des OVG Hamburg vom 21. Februar 1992 - Bf IV 44/90 -, FEVS 43, 66). Dass sein persönlicher Wunsch dahin ging, in der Türkei bestattet zu werden, begründet keine Leistungsverpflichtung im Rahmen der Sozialhilfe, da sie mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden war. Die Beisetzung im Ausland war somit sozialhilferechtlich nicht erforderlich (vgl. Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/ Hohm, § 74, Rd. 17).
Eine Beisetzung im Inland wäre auch nicht unüblich gewesen, wie die nennenswerte Zahl islamischer Friedhöfe in Großstädten gerade zeigt. Der islamische Glaube gebietet dabei nicht zwingend, eine Beisetzung in heimischer Erde vorzunehmen. Somit kann eine Versagung der Leistungen hierfür die Freiheit der Religionsausübung gemäß Artikel 4 Absatz 2 Grundgesetz (GG) nicht verletzten. Denn davon sind alle denkbaren kultischen Handlungen sowie die Beachtung und Ausübung religiöser Gebräuche umfasst (vgl. Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Loseblattsammlung, Artikel 4, Rd. 101).
Zudem ist das Grundrecht auf Religionsausübungsfreiheit als Abwehrgrundrecht ausgestaltet und eröffnet keine weitere Teilhabemöglichkeiten, welche zulasten eines Dritten gingen (vgl. von Münch/Kunig/Mager, Kommentar zum GG, 5. Auflage 2000, Artikel 4, Rd. 61; Dreier/Morlok, Kommentar zum GG, 2. Auflage 2004, Artikel 4, Rd. 103). Somit ist weder die Religionsausübungsfreiheit des Verstorbenen oder der Klägerin verletzt durch die Nichtübernahme der Überführungskosten.
Im Rahmen des § 74 SGB XII sind lediglich die tatsächlich angefallenen Kosten berücksichtigungsfähig und nicht fiktive Kosten einer vergleichbaren Beisetzung im Bundesgebiet (vgl. Urteil des OVG Hamburg vom 21. Februar 1992 aaO.).
Im vorliegenden Fall waren somit weder die Überführungskosten Hamburg-Istanbul (700,- Euro) noch die Aufwendungen für den Überführungssarg (600,- Euro) zu übernehmen.
Aus der Bestatterpauschale waren erforderlich und angemessen im vollen Umfang die Aufwendungen für Sargzubehör (61,36 Euro), Einkleiden und Einbetten (76,69 Euro), Überführung bis 80 km (91,15 Euro), Überführungsträger (61,36 Euro), Aufbahrung zur Trauerfeier (71,58 Euro), Verwaltungskosten (38,35 Euro) und Transportsarg (29,65 Euro). Nicht erforderlich waren Beratung und Erledigung der Formalitäten und der Sargschmuck, da eine einfache, ortsübliche Bestattung zugrunde zu legen ist. Zudem können die entsprechenden Formalitäten auch zumutbar in Eigenleistung erbracht werden, zumal die beschäftigungslose Klägerin hierzu auch zeitlich in der Lage war.
Hinsichtlich der Pauschale 2 von 366,- Euro waren voll übernahmefähig die Beschaffung von Leinentüchern, die Waschraumnutzung und die Beiziehung eines Imam zum Totengebet, da dies zu einer islamischen Beerdigung erforderlich und die Würde des Verstorbenen dies erfordert. Die muslimische Beerdigung ist aufgrund des Artikels 3 Absatz 3 Grundgesetz der christlichen Bestattung gleichzustellen, in der die rituelle Waschung und das Totengebet zum Kernbereich gehören (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichtes Berlin vom 03. November 1992 - 8 A 286/89 -).
In Höhe der erforderlichen Kosten ist der HB als Hinterbliebene aufgrund ihrer Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II eine Kostentragung unzumutbar, so dass sich insoweit ein gebundener Anspruch gegen das JC ergibt. Der Argumentation des JC ist nicht zu folgen, aus der Tragung der Flugkosten im Verwandtenkreis sei auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin zu schließen.
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.
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