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Forscherin über Arbeit in Jobcentern - „Vieles nach Sympathie entschieden“

Harter Job im Jobcenter: Die Sozialforscherin Natalie Grimm über die Willkür der Behörden, die durch überlastete Mitarbeiter entstehe.


Natalie Grimm: Auch wenn es furchtbar und eine absolute Ausnahme ist, überrascht es mich nicht sehr. Ich war relativ erschrocken von den Interviews, die wir mit Mitarbeitern des Hamburger Jobcenters geführt haben.

Das ist schon eine Tortur, die Arbeitsbedingungen dort und wie mit den Leistungsberechtigten umgegangen wird. Insofern überrascht es mich nicht sehr, wenn Leute da mal ausrasten.

In Ihren Interviews mit 15 Beschäftigten des Jobcenters in Hamburg stellten Sie fest, dass es sehr verschiedene Typen von Vermittlern und Sachbearbeitern in den Leistungsabteilungen gibt. Was waren die größten Unterschiede?

Es gibt einige, die sind sehr bemüht, immer das Optimale für die Leistungsberechtigten herauszuholen und sie umfassend und empathisch zu unterstützen. Aber ein Teil der Mitarbeiter steht selbst so unter Druck und empfindet seine Arbeitsbedingungen als so schlecht, dass sie ihren Frust an den Kunden auslassen. Da wird dann viel nach Sympathie entschieden.

Gibt es denn überhaupt so viel Ermessensspielräume?

Ja, zum Beispiel bei der Vergabe von Darlehen oder von Extraleistungen, etwa beim Bezug einer Wohnung oder in der Vergabe von Beschäftigungsmaßnahmen. Es gibt ja sehr gute Maßnahmen, EDV-Schulungen etwa, die sogar mal sechs Monate lang gehen. Oder beliebte 1-Euro-Jobs, etwa bei der Tafel zu arbeiten oder im Pflegebereich.

Wird das nicht allen angeboten, auf die es passt?

Die Vermittler haben jeweils mehr als 150 Fälle zu betreuen. Und eine Maßnahme ist immer ein Aufwand. Der Vermittler muss schauen, ob ein Träger Plätze frei hat. Er muss Anträge schreiben, bei der Teamleitung nachfragen. Wenn man so viele Leute zu betreuen hat, dann überlegt man es sich zweimal, ob man das für eine Person macht oder nicht.

Unterstellen manche Vermittler, dass die Erwerbslosen gar nicht arbeiten wollen?

Es gibt Mitarbeiter, die sehr streng aktivieren, also die Leistungsberechtigten unter Druck setzen. Diese Vermittler waren häufig selbst auch mal prekär beschäftigt, haben vielleicht mal Sozialpädagogik studiert und sind jetzt über ihren Berufsweg frustriert. Die sagen sich: Ich mache den Job hier auch nicht, weil er mir gefällt, deswegen können die Arbeitslosen auch Dinge machen, die sie eigentlich nicht wollen, wie etwa Zeitarbeit.

Die Beschäftigten in den Jobcentern beklagen auch die ausufernde Bürokratie.

Quelle und weiterlesen:

Kommentare

  1. "Es gibt sehr gute Maßnahmen" - Da ist wohl jemand dem Ammenmärchen der "Arbeitsagentur" aufgesessen.

    Wenn es stimmt, daß eine "Maßnahme" ein derartiger Aufwand ist, daß es für den Hatz4-Geplagten quasi ein Auszeichnung darstellt, wenn sein Peiniger diesen für ihn betreibt, kann man wohl auch von folgendem ausgehen:
    Daß der Blockwart auch in dem Fall, da abzusehen ist, daß das Opfer den ihm aufgedrückten Müll nicht möchte, bereit ist, den erhöhten Aufwand zu betreiben. Dann aber nicht als "Auszeichung", sondern weil es in einem solchen Fall besonders wahrscheinlich ist, daß er seinen Klienten mit einem Leistungsentzug überziehen kann. Da die Einsparung von Geld eines der vordringlichsten Ziele der "Jobcenter" ist, und weil der Verfolger daran gemessen wird, wieviel er zu diesem Ziel beiträgt, ist der erhöhte Aufwand besonders in derartigen Fällen "gerechtfertigt".

    Frage an dieser Stelle: Kann mir mal jemand den Begriff "Aktivierung" erklären, wie er in der Welt der Arbeitsagenturen und "Jobcenter" gebraucht wird? Ich habe schon eine Menge aus diesem Umfeld gelesen, eine echte Definition dieses Begriffes jedoch nicht. Jeder führt dies Schlagwort im Munde, aber jeder nur unreflektiert. Das macht mich wahnsinnig, denn wenn ich einen Begriff benutze, muß doch klar sein, was damit gemeint ist. - Oder?

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  2. da es leider sehr viele langzeitarbeitslose gibt, deren leben bzw tagesrhytmus vollkommen "verschliffen sind", können diese auch schon deswegen KEINE regelmässige arbeit durchhalten. sie müssen VOHER an einen arbeitszeitkonformen rhytmus herangeführt werden. wie auch immer. ein 1€ job ist für viele schon nicht mehr durchhaltbar..daher müssen die leistungsberechtigten "aktiviert" werden... so ist das nun mal ...

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    1. Es müssen Miesregeln weg!Man muss keine Amerikaverhältnisse pflegen,um über Jeden hier,Leistungsbezieher im Griff zu haben.Den Leuten müssen nettere Arbeitsindustrien geschaffen werden.Das Bestrafverhalten,Aburteilen beleidigen führt zu Gewaltproduktionen.Es wird darauf gebaut,dass Ausraster geschehen usw.Es gibt im Staat eiskalte Figuren,die nur ihr Geld sehen,in Ausübung der Amtstätigkeit.Das Ganze ist schlecht organisiert!sollten die sich doch gleich mit Prügelnb begegnen.Deutschland fördert die Gewalt innerhalb jeder Schicht!Es ist sich anzusehen,wer gegen wen ist!

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    2. Welch ein Unsinn! Sie wissen schon, dass es auch Arbeitsstellen im Schichtsystem gibt??!

      Obendrein zerstören EEJs sozialversicherungspflichtige Stellen und kosten dabei jede Menge Geld.

      Und: Es gibt sowieso Millionen zu wenig Arbeitsstellen, jedwege Maßnahme ist also von vornherein Geldverschwendung.

      Von Art.12 GG mal ganz zu schweigen.

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