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Das Sozialgericht Hannover zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts

veröffentlicht am 18.08.2011 von RA Scherer

Zitat" Haben Sie als Bürger oder vielleicht sogar als Rechtsanwalt schon einmal mit einem JobCenter in Hartz-IV-Angelegenheiten zu tun gehabt? Nein? Sie Glückliche(r)?

 Entscheidung des Sozialgerichts Hannover vom 05.08.2011 (Az. S 52 AS 1405/11), welche allerdings noch nicht rechtskräftig ist: unter welchen Voraussetzungen sind denn zur Rechtsverfolgung entstandene notwendige Aufwendungen zu erstatten und wann ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig?

Kurz zusammengefasst: Auch dann, wenn der Betroffene vor dem Erlass des Ausgangsbescheides das Verfahren nicht sorgfältig geführt hat, hat er trotzdem einen Erstattungsanspruch, wenn er insoweit im Widerspruchsverfahren ganz oder teilweise erfolgreich ist.

Stellte sich weiterhin für das Gericht noch die Frage, ob nun auch noch die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war. Dies bejahte das Gericht unter Bezugnahme auf §63 Abs.3 S.2 SGB X aufgrund folgender Erwägungen:

•Grundsätzlich sei eine solche Hinzuziehung notwendig, wenn ein verständiger, aber rechtsunkundiger Beteiligter dies für erforderlich halten dürfe, und zwar deswegen, weil auch ein vernünftige Bürger mit gleichem Bildungs- und Erkenntnisstand sie bei der gegeben Sach- und Rechtslage an einen Anwalt gewandt hätte.

•In der Regel müsse dabei der Sachverhalt nicht schwierig und nicht umfangreich sein.
Es muss also unter Berücksichtigung der subjektiven Kenntnisse und der subjektiven Situation des jeweiligen Beteiligten im Rahmen einer Einzelfallabwägung entschieden werden, ob gerade diese Person die Einschaltung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten durfte.

Hat man es also nicht mit Beteiligten zu tun, die einfach nur zu faul sind, um sich mit der Behörde auseinander zu setzen, erreicht man also nicht die Grenze der Willkür, dann besteht der Kostenerstattungsanspruch auch für die Rechtsanwaltskosten.

weiter hier lesen: http://stscherer.wordpress.com/2011/08/18/das-sozialgericht-hannover-zur-notwendigkeit-der-hinzuziehung-eines-rechtsanwalts/


Anmerkung: Eingelungener Artikel zum Alltag in den Behörden und auf den Gerichten.


Anmerkung: Sächsisches Landessozialgericht Urteil vom 04.08.2011, - L 7 AS 563/09 -

Das Begehren, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären, betrifft wegen seiner wirtschaftlichen Bedeutung einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt i.S.d. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG.

Denn damit sind nicht nur Bescheide gemeint, die eine Geldleistung bewilligen oder festsetzen, sondern auch Bescheide, die als Grundlage für die Entstehung eines solchen Anspruchs auf eine Geldleistung dienen (vgl. BSG, Urteil vom 19.11.1996 – 1 RK 18/95, RdNr. 19, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, z.B. Urteil vom 16.12.1988 – 7 C 93/86). Eine nach Maßgabe des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu treffende Kostenentscheidung, die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren nach § 63 Abs. 2 SGB X und die sich daran anschließende Kostenfestsetzung gemäß § 63 Abs. 3 SGB X bilden eine Einheit und die Beschränkung der Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erfasst jede dieser Entscheidungen (vgl. LSG Bad.-Württ., Urteil vom 20.10.2010 – L 5 KA 5688/09, RdNr. 24; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.08.2009 – L 10 AS 391/09 NZB, RdNr. 2).

In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung gehen einige Senate des Sächsischen Landessozialgerichts davon aus, dass die Berufung gegen Urteile und Gerichtsbescheide der Sozialgerichte betreffend die Kostenerstattung nach § 63 SGB X in sog. isolierten Vorverfahren jedenfalls nicht ohne ausdrückliche Zulassungsentscheidung statthaft ist, wenn der Beschwerdewert von 750,00 EUR nicht erreicht ist (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 17.12.2009 – L 1 B 772/08 AL-NZB – und Beschluss vom 20.01.2011 – L 2 AS 541/10 NZB, beide nicht veröffentlicht).


Dieser Auffassung ist zu folgen. Der Umfang der Kostenerstattung für ein isoliertes Widerspruchsverfahren, dem hinsichtlich der Sachentscheidung kein gerichtliches Verfahren folgt, ist stets bestimmbar. Hier ist der Wert vom Prozessbevollmächtigten der Kläger in seiner Kostennote vom 28.05.2008 auch konkret beziffert worden. Zudem wird – da die Sachentscheidung mit der Abhilfe- bzw. Widerspruchsentscheidung feststeht – nur noch um die Kosten des Vorverfahrens gestritten, also im Grunde um eine Nebenfrage zu der ursprünglich materiell streitigen Frage. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die zwischen den Beteiligten nur noch streitige Kostengrundentscheidung ebenso wie die Frage der Notwendigkeit der Zuziehung eine Bevollmächtigten bzw. die Höhe der Kostenfestsetzung für ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren durch die Instanzen zulassungsfrei rechtsmittelfähig sein sollte, während die diesem Streit zugrundeliegenden materiell-rechtliche Frage je nach ihrem wirtschaftlichen Wert der Zulassungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG unterliegt. Daher ist richtigerweise auch bei allen Entscheidungen der Behörde nach § 63 SGB X deren wirtschaftlicher Wert für den Widerspruchsführer zu bestimmen.


Anmerkung: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 06.04.2011, - L 12 AS 74/11 B ER - und - L 12 AS 75/11 B -

Jobcenter muss keine außergerichtlichen Kosten tragen, wenn es der Antragstellerin vor der Beauftragung eines Rechtsanwalts und Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zum einstweiligen Rechtsschutz zumutbar gewesen wäre, durch eine telefonische oder - falls diese, wie die Antragstellerin vorträgt, erfolglos geblieben ist - persönliche Vorsprache die unterbliebene Zahlung des Alg II geltend zu machen.

Es ist in der Regel billig, dass derjenige die Kosten trägt, der unterliegt( Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008 , § 193 Rdnr. 12a m.w.N.). Allerdings sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, so dass nicht alleine auf den Ausgang des Rechtsstreits abgestellt werden darf. So kann eine Kostenentscheidung auch unter Berücksichtigung des sog. Veranlassungsprinzips ergehen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 193 Rdnr. 12b m.w.N.)

Die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit erbringt nicht ohne Weiteres den Nachweis, dass der Antragstellerin auch die persönliche Vorsprache bei dem Antragsgegner aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar gewesen ist. So ist Arbeitsunfähigkeit auch nicht in jedem Einzelfall gleichbedeutend mit einer krankheitsbedingten Unfähigkeit, zu einem Meldetermin zu erscheinen (BSG 09.11.2010 - B 4 AS 27/10 R - Rdnr. 32 ).



Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

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