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Auch unter Berücksichtigung des Urteils des BSG vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R - ist bei der Bemessung des Zuschusses nach § 26 Abs. 2 SGB II ein vereinbarter Selbstbehalt - nicht - zu berücksichtigen.

§ 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.d.F. ab dem 01.01.2009

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom 16.05.2011, - L 19 AS 2130/10 -, Revision anhängig beim BSG unter dem AZ.: - B 14 AS 110/11 R-


Leistungsbezieher nach denm SGB II hat keinen Anspruch auf Übernahme eines vertraglich vereinbarten Selbstbehalts bzw. einer Kostenbeteiligung.


Diese ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB II, wonach nur ein Zuschuss zu einem "Beitrag" zu gewähren ist. Bei dem vertraglich vereinbarten Selbstbehalt handelt es sich aber nicht um einen Beitrag zur privaten Krankenversicherung, sondern um eine vertraglich vereinbarte Eigenbeteiligung des Klägers an seinen Gesundheitskosten in Höhe von 400,00 EUR jährlich. Unter einem Beitrag ist ein Geldbetrag zu verstehen, der für die Mitgliedschaft in einem Verein, die Teilnahme an einer Veranstaltung oder dergleichen gezahlt werden muss (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 3. Aufl., Stichwort "Beitrag"). Vorliegend muss der Selbstbehalt von 400,00 EUR jährlich nicht aufgrund einer Zahlungsverpflichtung des Klägers an das private Krankenversicherungsunternehmen geleistet werden, um Krankenversicherungsschutz zu erlangen.

Aus der Tatsache, dass der an das private Krankenversicherungsunternehmen zu zahlende Beitrag aufgrund einer vertraglich vereinbarten Kostenbeteiligung des Versicherungsnehmers geringer als die Hälfte des Basistarifs ist, lässt sich keine Verpflichtung des Beklagten ableiten, sich an den Kosten der privaten Krankenversicherungsschutzes bis zur Hälfte des Basistarifs zu beteiligen. Eine Einstandspflicht des Beklagten als Leistungsträgers des SGB II für eine über den Rahmen des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) hinausgehende Versorgung der Leistungsberechtigten sieht das Gesetz nicht vor (vgl. BSG Urteil vom 19.09.2008 - B 14/7b AS 10/07 R , Rn 26; Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 44/09 R , Rn 20; Urteil vom 27.02.2008 - B 14/7b AS 64/06, Rn 31).


Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch nicht aus dem Grundrecht auf Gewährung des menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG, das auch die Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung umfasst (BVerfG Urteil vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 , Rn 135). Eine Versorgung im Rahmen des SGB V ist bei Leistungsbeziehern, die privat krankenversichert sind, durch den sog. "Basistarif" gewährleistet, dessen Vertragsleistungen nach § 12 Abs. 1a VAG in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB V, auf die ein Anspruch besteht, jeweils vergleichbar sein müssen, und für dessen Abschluss ein Kontrahierungszwang für die privaten Krankenversicherungsunternehmen besteht (vgl. zum Basistarif: BVerfG Urteil vom 10.06.2009 - 1 BvR 706/08 u.a.). Deshalb rechtfertigt der vom Kläger angeführte Gesichtspunkt, dass die Vertragsleistungen in dem von ihm gewählten Tarif "EL400" besser als die Vertragsleistungen nach dem Basistarif sind, nicht, den Beklagten an den Kosten eines Krankenversicherungsschutzes, der in Art, Umfang oder Höhe über den des Dritten Kapitels des SGB V hinausgeht, zu beteiligen. Einem Leistungsberechtigten steht zwar ein Wahlrecht zu, ob er den Basistarif, dessen Kosten der Beklagte im Falle der Hilfebedürftigkeit in Höhe der Hälfte des Basistarifs nach § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II entsprechend zu tragen hat (vgl. BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R), oder einen anderen Tarif mit seinem Versicherungsunternehmen zur Gewährleistung seines Krankenversicherungsschutzes vereinbart. Falls er eine andere Tarifform als den Basistarif wählt, hat der Leistungsberechtigte die sich daraus ergebenden finanziellen Belastungen, wie z.B. den vertraglich vereinbarten Selbstbehalt, selbst zu tragen, weil es sich bei diesen finanziellen Belastungen nicht um Beiträge handelt.

Ebenso ergibt sich aus der vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 09.02.2010 angeordneten Härtefallregelung (1 BvL 1/09 , Rn 207 f.) bzw. aus der ab dem 03.06.2010 geltenden Bestimmung des § 21 Abs. 6 SGB II kein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten für einen privaten Krankenversicherungsschutz zumindest bis zur Hälfte des Basistarifs, die über den vertraglich vereinbarten Beitrag zur privaten Krankenversicherung hinausgehen.

Auch aus § 73 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) lässt sich ein Anspruch des Klägers auf Beteiligung an den sich aus dem vertraglich vereinbarten Selbsthalt ergebenden finanziellen Belastungen nicht herleiten. Es handelt sich nicht um eine besondere Bedarfslage (vgl. BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 44/09 R,  Rn 18ff).

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=143145&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Anmerkung: Lesenswert auch folgender Beiträg:


Hartz IV: Zuschuss zur PKV nur bis Höhe halber Basistarif trotz BSG, Urteil v. 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R


Hartz IV: Zuschuss zur PKV nur bis Höhe halber Basistarif


Sozialgericht Chemnitz Beschluss vom 29.04.2011, - S 40 AS 1487/11 ER-


Jobcenter müssen die Beiträge privat krankenversicherter Hartz IV-Bezieher höchstens bis zur Hälfte des am 1.1.2009 in der Privaten Krankenversicherung eingeführten Basistarifs bezuschussen.


Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

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