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§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1c SGB II i.d.F. vom 10.10.2007 ist auch in den Fällen anwendbar, in denen der Hilfebedürftige Pflichten aus einer per Verwaltungsakt erlassenen Eingliederungsvereinbarung (§ 15 Abs. 1 S. 6 SGB II i.d.F. vom 20.07.2006) verletzt; dies gilt ebenso für § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1b SGB II (a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8.7.2009, L 19 B 140/09 AS ER).

§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1c SGB II,§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1b SGB II, (§ 15 Abs. 1 S. 6 SGB II

Sozialgericht Mannheim Urteil vom 22.6.2011, - S 10 AS 678/11 -


Der Auffassung, wonach die Verwirklichung des Sanktionstatbestandes nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1c) SGB II a.F. nur dann greift, wenn der Hilfebedürftige gegen Pflichten aus einer Eingliederungsvereinbarung i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 SGB II a.F. verstößt, vermag sich das Gericht nicht anzuschließen (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Juli 2009, L 19 B 140/09 AS ER, juris – Rn. 17).


Dabei verkennt das Gericht nicht, dass eine Absenkung mit einschneidenden Folgen für den Hilfebedürftigen verbunden ist. Ein Gebot zur bedarfsunabhängigen und voraussetzungslosen Gewährung von Sozialleistungen kann der Verfassung allerdings nicht entnommen werden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7. Juli 2010, 1 BvR 2556/09,  Rn. 13).


Auch ist dem Gericht bewusst, dass der Wortlaut „vereinbarte Maßnahme“ zunächst eine im gegenseitigen Einvernehmen getroffene Abmachung und damit nicht die einem Verwaltungsakt innewohnende einseitige Regelung indiziert.


Es sind andererseits jedoch keine Gründe dafür ersichtlich, warum der Verstoß gegen Pflichten aus einer Eingliederungsvereinbarung, die per Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II a.F. inhaltsgleich festgesetzt wurden, nicht von § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1c) SGB II a.F. erfasst sein soll.


Eine Beschränkung auf Eingliederungsvereinbarungen nach § 15 Abs. 1 S. 1 SGB II würde die Hilfebedürftigen privilegieren, die den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung – aus welchen Gründen auch immer – verweigern. Denn dieser Personenkreis hat vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht mit einer Sanktionierung wegen des Nichtabschlusses der Eingliederungsvereinbarung zu rechnen, sondern allenfalls mit dem Erlass einer Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt (vgl. z.B. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. April 2011, L 3 AS 332/10, juris - Rn. 30). Eine Sanktionierung nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1b und 1c SGB II a.F. wäre gleichfalls ausgeschlossen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Juli 2009, L 19 B 140/09 AS ER, juris – Rn. 16 f.), da - wie bereits ausgeführt - nach teilweise vertretener Auffassung eine Absenkung nur bei Eingliederungsvereinbarungen nach § 15 Abs. 1 S. 1 SGB II a.F. möglich sein soll.


In Anbetracht der Tatsache, dass der Hilfebedürftige ohnehin keinen Anspruch auf Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung oder Verhandlungen hierüber hat (BSG, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 13/09 R, – Rn. 17 f.), fehlt es an Argumenten, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.


Letztlich zeigt auch die mit Wirkung zum 1. April 2011 vorgenommene Änderung des § 31 SGB II bzw. die hierzu ergangenen Ausführungen des Gesetzgebers, dass dieser die Anwendbarkeit des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1c) SGB II a.F. nicht nur auf die Fälle beschränken wollte, denen eine aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Leistungsträger zustande gekommene Eingliederungsvereinbarung zugrunde liegt (vgl. BT-Drucks. 17/3404 S. 111).


Anmerkung: Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 13.04.2011 , - L 3 AS 332/10 -


Die Weigerung, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, rechtfertigt keine Absenkung nach § 31 SGB II.

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=141058&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



Anmerkung: Interessant folgender Artikel: Monatlich 69.000 Sanktionen nach dem SGB II


Die durchschnittliche Höhe der Leistungskürzungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) betrug im vergangenen Jahr 125 Euro. Pro Monat wurden dabei etwa 69.000 Sanktionen ausgesprochen. Der wichtigste Sanktionsgrund war mit 41.500 Fällen das Meldeversäumnis, gefolgt von der Verletzung einer Pflicht in der Eingliederungsvereinbarung (12.000) und der Weigerung, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder eine sonstig vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen (8.500). Diese Zahlen gehen aus einer Antwort der Bundesregierung (17/6722) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/6193) hervor.

http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/061/1706193.pdf


Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

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