Direkt zum Hauptbereich

Höhe des Zuschusses an Arbeitslosengeld II-Bezieher für ihre private Krankenversicherung

Anmerkung zu: BSG 4. Senat, Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R ;Autor: Maarit Tuulia Müller, RA'in ;Fundstelle: jurisPR-SozR 19/2011 Anm. 1

Quelle: Juris

Zitat: " Leitsatz

Ein privat krankenversicherter Bezieher von Arbeitslosengeld II-Leistungen kann die Übernahme seiner unterhalb des hälftigen Höchstbetrags zur gesetzlichen Krankenversicherung liegenden Beiträge zur privaten Krankenversicherung im Wege einer analogen Anwendung der für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Personen geltenden Regelung von dem SGB 2-Träger beanspruchen.

Kontext der Entscheidung

Das BSG hat in dieser Entscheidung ausdrücklich nicht darüber entschieden, ob ein Bezieher von Arbeitslosengeld II einen Zuschuss über den Betrag des hälftigen Basistarifs hinaus erhalten könnte, vgl. dazu den Wortlaut: „so dass nicht zu entscheiden ist, ob der Zuschussbetrag generell auf die Höhe des hälftigen Basistarifs beschränkt ist“. Für einen über dem hälftigen Basistarif liegenden Zuschuss spräche einerseits die verfassungsrechtliche Wertung, dass ein Bezieher von Arbeitslosengeld II durch den von ihm zu leistenden Beitrag zur PKV nicht einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung ausgesetzt sein soll. Dem steht jedoch entgegen, dass das sozialrechtlich zu gewährende menschenwürdige Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG eine sog. „ausreichende medizinische Versorgung“ umfasst (BSG, Urt. v. 22.04.2008 - B 1 KR 10/07 R - BSGE 100, 221, 227).

Da der Gesetzgeber mit dem Basistarif gerade eine ausreichende medizinische Versorgung sicherstellen wollte, ist davon auszugehen, dass über den hälftigen Basistarif hinausgehende Kosten nicht übernommen werden. Der Bezieher von Arbeitslosengeld II wird vielmehr auf den Wechsel in den Basistarif zu verweisen sein. Dieses kann die PKV aufgrund des bzgl. des Basistarifs bestehenden Kontrahierungszwangs nicht ablehnen. Entsprechend hat kürzlich das SG Chemnitz in einem Eilverfahren einen höheren Zuschuss zur PKV abgelehnt (Beschl. v. 29.04.2011 - S 40 AS 1487/11 ER).

 Für die Übernahme höherer Kosten bestehe kein Schutzbedürfnis des Beziehers von Arbeitslosengeld II, da dieser die Versicherung im Basistarif selbst erreichen könne.

Das LSG Essen (Urt. v. 16.05.2011 - L 19 AS 2130/10) hat darüber entschieden, dass bei der Bemessung des Zuschusses nach § 26 Abs. 2 SGB II (Fassung vom 17.07.2009) ein vereinbarter Selbstbehalt nicht zu berücksichtigen ist. Auch wenn der zu entrichtende Beitrag an die PKV unter dem hälftigen Basistarif liegt, ist der Grundsicherungsträger nicht verpflichtet über diesen Beitrag hinaus die durch einen mit der PKV vereinbarten Selbstbehalt entstehenden Kosten bis zur Höhe des hälftigen Basisbetrages zu übernehmen. Dieses ergibt sich zum einen daraus, dass es sich bei den Kosten aufgrund des Selbstbehaltes um keinen Beitrag i.S.d. § 26 Abs. 2 SGB II handelt und zum anderen, dass nur tatsächlich getätigte Aufwendungen für eine Beteiligung des Leistungsträgers relevant sein können.

 Wählt der Bezieher von Arbeitslosengeld II eine andere Tarifform als den Basistarif, hat er die sich daraus ergebenden finanziellen Belastungen selbst zu tragen. Ausdrücklich offen gelassen wurde auch in dieser Entscheidung, ob der Zuschussbetrag generell auf die Höhe des hälftigen Basistarifs beschränkt ist.

Für Bezieher von Arbeitslosengeld I werden im Unterschied zu Hilfebedürftigen nach dem SGB II die Beiträge zur PKV höchstens bis zu dem zur GKV zu zahlenden Betrag übernommen (BSG, Urt. v. 03.06.2009 - B 12 AL 3/07 R). Vgl. zu diesem Urteil die Anmerkung (Müller, jurisPR-SozR 10/2011 Anm. 5) mit Erläuterung der Unterschiede zu der hier besprochenen Entscheidung." 

http://www.juris.de/jportal/portal/t/1r3b/page/homerl.psml;jsessionid=2E4E18EC7BB250DD5EC2BA743197C50C.jp85?nid=jpr-NLSR000009711&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp

Anmerkung: 1. Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 16.08.2011, - L 7 AS 1953/11 ER-B -

Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung dürfte ein Anspruch auf Übernahme der Beiträge zur privaten Krankenversicherung nur bis zum hälftigen Basistarif bestehen. Leistungen für die Vergangenheit sind im Einzelfall möglich.

2. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom 16.05.2011, - L 19 AS 2130/10 -, Revision
anhängig beim BSG unter dem AZ.: - B 14 AS 110/11 R-

Auch unter Berücksichtigung des Urteils des BSG vom 18.01.2011 - B 4 AS 108/10 R - ist bei der Bemessung des Zuschusses nach § 26 Abs. 2 SGB II ein vereinbarter Selbstbehalt - nicht - zu berücksichtigen.

3. Sozialgericht Chemnitz Beschluss vom 29.04.2011, - S 40 AS 1487/11 ER-

Jobcenter müssen die Beiträge privat krankenversicherter Hartz IV-Bezieher höchstens bis zur Hälfte des am 1.1.2009 in der Privaten Krankenversicherung eingeführten Basistarifs bezuschussen.

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/08/bei-der-im-verfahren-des-einstweiligen.html

4.Bayerisches Landessozialgericht Beschluss vom 29.06.2011,- L 16 AS 337/11 B ER -

Die analoge Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Hs. 1 SGB II kann nicht dazu führen , dem Hilfebedürftigen einen Anspruch auf Übernahme der Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in einem größeren Umfang als bis zur Höhe des halben Beitragssatzes im Basistarif zu geben.

5. Bayerisches Landessozialgericht Urteil vom 19.07.2011, - L 8 SO 26/11-

Das LSG München hat entschieden, dass der Sozialhilfeträger auch dann Aufwendungen zur privaten Krankenversicherung zu übernehmen hat, wenn der Sozialhilfeempfänger einen anderen Tarif als Basistarif gewählt hat.

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/09/die-analoge-anwendung-des-26-abs-2-satz.html

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

Kommentare

  1. Danke für die gute Übersicht zum PKV Thema. Ist immer interessant, wenn sich hier etwas ändert.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 06.06.2011, - L 1 AS 4393/10 - Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden(BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R-; Rdnr. 4). Eine erneute Berücksichtigung scheidet auch dann aus, wenn eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt und Einkommen eines nichtbedürftigen Mitglieds einem bedürftigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird. https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144213&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive = Anmerkung: 1. Vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ist ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II als Pauschbetrag abzusetzen (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V ). Diese Pauschale in Höhe von 30 Euro ist