Höhe der Hartz-IV-Zuschüsse für Warmwasser reicht nicht sagen die Sozialrechtsexperten - Kinder brauchen doch nicht so viel Wasser sagt der Gesetzgeber
ein Beitrag von Von Thomas Öchsner
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hoehe-der-hartz-iv-zuschuesse-kinder-brauchen-doch-nicht-so-viel-wasser-1.1147185
Zitat: " Absurdes Deutschland: Wenn Hartz-IV-Empfänger in ihrem Badezimmer einen Boiler haben, bekommen sie einen Warmwasser-Zuschuss. Doch kurioserweise gibt es für Kinder weniger als für Erwachsene. Bei der Berechnung des Hartz-IV-Satzes führt das zu abenteuerlichen Konstellationen.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) gehört zu den besten Kunden der Post. Jahr für Jahr verschickt die Behörde etwa 25 Millionen Hartz-IV-Bescheide. Künftig dürfte die Zahl dieser Schreiben um etliche hunderttausend zunehmen. Dies liegt an einem Paragraphen, der bei der Hartz-IV-Reform Anfang 2011 - weitgehend unbemerkt - ins Sozialgesetzbuch II wanderte. Dabei geht es um die unter Juristen durchaus ernsthaft diskutierte Frage, wie viele Euro einem Hartz-IV-Bezieher mit einem Boiler zusätzlich zustehen und ob Babys mehr oder weniger Warmwasser für die tägliche Hygiene benötigen als ältere Geschwister.
Bei der Hartz-IV-Reform einigten sich Bund und Länder darauf, die Kosten für Warmwasser in Höhe von früher 6,47 Euro für einen Erwachsenen aus der Berechnung des Regelsatzes von derzeit monatlich 364 Euro herauszunehmen. Der Anteil muss deshalb nicht wie in der Vergangenheit bei der Übernahme ihrer Ausgaben für die Miete und Mietnebenkosten wieder abgezogen werden. Dies funktioniert aber nur bei Hartz-IV-Empfängern mit Zentralheizung und einer entsprechenden Abrechnung.
Bei den anderen mit Boilern sind die Kosten für das Warmwasser versteckt in der Stromrechnung enthalten, die sie selbst zahlen müssen. Diesen Mehraufwand sollen die Jobcenter rückwirkend seit 2011 erstatten. Ein Alleinstehender erhält acht Euro im Monat für die warme Dusche. Bei 14- bis 17-Jährigen sind es vier, bei 6- bis 13-jährigen Kindern drei Euro. Dies entspricht immer einem bestimmten Prozentsatz ihres jeweiligen Regelsatzes. Kleinkindern bis zu fünf Jahren stehen zum Beispiel 215 Euro Hartz IV zu. Ihr Warmwasser-Mehrbedarf beläuft sich auf 0,8 Prozent, aufgerundet sind das zwei Euro.
Die Pauschalen, die auf Daten über den Energieverbrauch in Privathaushalten beruhen, dürften ausreichend Stoff für viele neue Hartz-IV-Verfahren vor den Sozialgerichten bieten: Brauchen Kinder mit Windeln nicht häufiger warmes Wasser als diejenigen, die die Toilette benutzen? Benötigt ein 17-Jähriger, der einen Kopf größer als sein Vater ist, nicht mehr warmes Wasser als sein Erzeuger und damit einen höheren Zuschlag?
Harald Thomé, Chef des Erwerbslosenvereins Tacheles in Wuppertal, ist überzeugt, dass "das Bemessungsverfahren für den Energie- und den Warmwasseranteil des Kinderregelsatzes jeglicher empirischen Grundlage entbehrt".
Er rechnet mit einer Klagewelle in Sachen Warmwasser. In den Jobcentern hat der Paragraph dazu geführt, dass die Mitarbeiter genau auf die Geburtstage der jungen Hartz-IV-Empfänger achten: Immer wenn ein Kind von der einen in die nächste Altersgruppe rutscht und sich die Warmwasser-Pauschale dadurch erhöht, ist ein neuer Hartz-IV-Bescheid nötig.
Anmerkung: Neuregelung der Warmwasserkosten: Pleiten, Pech und Pannen
Zwei gravierende Fehler bei der Bemessung der Warmwasserpauschale
So müsste der Mehrbedarf für Warmwasser berechnet werden
Auf der Grundlage der Daten der EVS 2008 und deren Auslegung durch die Regelsatzermittler der Bundesregierung müsste der Mehrbedarf für Warmwasser also höher ausfallen. Um den Fehler zu beheben, müssen zunächst die Verbrauchsausgaben der EVS für Haushaltsenergie hochgerechnet werden auf Haushaltsenergiekosten, die Warmwasserenergie enthalten. Im zweiten Schritt muss aus diesen Beträgen der 30%-Anteil für Warmwasserkosten berechnet werden. Das ergibt die folgenden Mehrbedarfszuschläge:
Tabelle: Kosten der Warmwasserbereitung bei berichtigter Datengrundlage*
Quelle: Harald Thome - Tacheles
http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2011/Warmwasser.aspx
Anmerkung vom Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann und dem Sozialberater Willi 2 :
Hartz IV Regelsätze- Und sie sind doch verfassungswidrig
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/09/hartz-iv-regelsatze-und-sie-sind-doch.html
Musterschriftsatz für eine Klage zum Regelsatz für Bedarfsgemeinschaften mit Kinder (und Alleinstehende)
Die Klage zielt darauf ab, ob die Hartz IV-Regelungen (REBG) mit der vom Bundesverfassungsgericht formulierten Menschenwürde Artikel 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatlichkeitsprizip Artikel 20 Abs. 1 GG vereinbar ist.
Da die Bundesregierung sich weiterhin für die Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) entschieden hat, ist die EVS auch Gegenstand der nachfolgenden verfassungsrechtlichen Fragen.
1. Die Verwendung der EVS gem. § 28 SGB XII, § 1 RBEG bezüglich langlebiger Gebrauchsgüter liefert keine verlässlichen Ergebnisse über den Bedarf solcher Güter für das menschenwürdige Existenzminimum. Ist die Verwendung der EVS für diesen Bereich mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar?
2. Ist der Nichtausschluss von Referenzhaushalten, die unter der Existenzsicherungsschwelle lagen und der bereits zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens (näherungsweise) auf empirischer Grundlage möglich war, mit dem Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nach Art. 1 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar?
weiterlesn und download des Schriftsatzes:
http://www.elo-forum.org/alg-ii/79639-elo-musterklage-regelsaetze-bgs-kindern-alleinstehende.html
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hoehe-der-hartz-iv-zuschuesse-kinder-brauchen-doch-nicht-so-viel-wasser-1.1147185
Zitat: " Absurdes Deutschland: Wenn Hartz-IV-Empfänger in ihrem Badezimmer einen Boiler haben, bekommen sie einen Warmwasser-Zuschuss. Doch kurioserweise gibt es für Kinder weniger als für Erwachsene. Bei der Berechnung des Hartz-IV-Satzes führt das zu abenteuerlichen Konstellationen.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) gehört zu den besten Kunden der Post. Jahr für Jahr verschickt die Behörde etwa 25 Millionen Hartz-IV-Bescheide. Künftig dürfte die Zahl dieser Schreiben um etliche hunderttausend zunehmen. Dies liegt an einem Paragraphen, der bei der Hartz-IV-Reform Anfang 2011 - weitgehend unbemerkt - ins Sozialgesetzbuch II wanderte. Dabei geht es um die unter Juristen durchaus ernsthaft diskutierte Frage, wie viele Euro einem Hartz-IV-Bezieher mit einem Boiler zusätzlich zustehen und ob Babys mehr oder weniger Warmwasser für die tägliche Hygiene benötigen als ältere Geschwister.
Bei der Hartz-IV-Reform einigten sich Bund und Länder darauf, die Kosten für Warmwasser in Höhe von früher 6,47 Euro für einen Erwachsenen aus der Berechnung des Regelsatzes von derzeit monatlich 364 Euro herauszunehmen. Der Anteil muss deshalb nicht wie in der Vergangenheit bei der Übernahme ihrer Ausgaben für die Miete und Mietnebenkosten wieder abgezogen werden. Dies funktioniert aber nur bei Hartz-IV-Empfängern mit Zentralheizung und einer entsprechenden Abrechnung.
Bei den anderen mit Boilern sind die Kosten für das Warmwasser versteckt in der Stromrechnung enthalten, die sie selbst zahlen müssen. Diesen Mehraufwand sollen die Jobcenter rückwirkend seit 2011 erstatten. Ein Alleinstehender erhält acht Euro im Monat für die warme Dusche. Bei 14- bis 17-Jährigen sind es vier, bei 6- bis 13-jährigen Kindern drei Euro. Dies entspricht immer einem bestimmten Prozentsatz ihres jeweiligen Regelsatzes. Kleinkindern bis zu fünf Jahren stehen zum Beispiel 215 Euro Hartz IV zu. Ihr Warmwasser-Mehrbedarf beläuft sich auf 0,8 Prozent, aufgerundet sind das zwei Euro.
Die Pauschalen, die auf Daten über den Energieverbrauch in Privathaushalten beruhen, dürften ausreichend Stoff für viele neue Hartz-IV-Verfahren vor den Sozialgerichten bieten: Brauchen Kinder mit Windeln nicht häufiger warmes Wasser als diejenigen, die die Toilette benutzen? Benötigt ein 17-Jähriger, der einen Kopf größer als sein Vater ist, nicht mehr warmes Wasser als sein Erzeuger und damit einen höheren Zuschlag?
Harald Thomé, Chef des Erwerbslosenvereins Tacheles in Wuppertal, ist überzeugt, dass "das Bemessungsverfahren für den Energie- und den Warmwasseranteil des Kinderregelsatzes jeglicher empirischen Grundlage entbehrt".
Er rechnet mit einer Klagewelle in Sachen Warmwasser. In den Jobcentern hat der Paragraph dazu geführt, dass die Mitarbeiter genau auf die Geburtstage der jungen Hartz-IV-Empfänger achten: Immer wenn ein Kind von der einen in die nächste Altersgruppe rutscht und sich die Warmwasser-Pauschale dadurch erhöht, ist ein neuer Hartz-IV-Bescheid nötig.
Anmerkung: Neuregelung der Warmwasserkosten: Pleiten, Pech und Pannen
Zwei gravierende Fehler bei der Bemessung der Warmwasserpauschale
So müsste der Mehrbedarf für Warmwasser berechnet werden
Auf der Grundlage der Daten der EVS 2008 und deren Auslegung durch die Regelsatzermittler der Bundesregierung müsste der Mehrbedarf für Warmwasser also höher ausfallen. Um den Fehler zu beheben, müssen zunächst die Verbrauchsausgaben der EVS für Haushaltsenergie hochgerechnet werden auf Haushaltsenergiekosten, die Warmwasserenergie enthalten. Im zweiten Schritt muss aus diesen Beträgen der 30%-Anteil für Warmwasserkosten berechnet werden. Das ergibt die folgenden Mehrbedarfszuschläge:
Tabelle: Kosten der Warmwasserbereitung bei berichtigter Datengrundlage*
Quelle: Harald Thome - Tacheles
http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2011/Warmwasser.aspx
Anmerkung vom Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann und dem Sozialberater Willi 2 :
Hartz IV Regelsätze- Und sie sind doch verfassungswidrig
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/09/hartz-iv-regelsatze-und-sie-sind-doch.html
Musterschriftsatz für eine Klage zum Regelsatz für Bedarfsgemeinschaften mit Kinder (und Alleinstehende)
Die Klage zielt darauf ab, ob die Hartz IV-Regelungen (REBG) mit der vom Bundesverfassungsgericht formulierten Menschenwürde Artikel 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatlichkeitsprizip Artikel 20 Abs. 1 GG vereinbar ist.
Da die Bundesregierung sich weiterhin für die Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) entschieden hat, ist die EVS auch Gegenstand der nachfolgenden verfassungsrechtlichen Fragen.
1. Die Verwendung der EVS gem. § 28 SGB XII, § 1 RBEG bezüglich langlebiger Gebrauchsgüter liefert keine verlässlichen Ergebnisse über den Bedarf solcher Güter für das menschenwürdige Existenzminimum. Ist die Verwendung der EVS für diesen Bereich mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar?
2. Ist der Nichtausschluss von Referenzhaushalten, die unter der Existenzsicherungsschwelle lagen und der bereits zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens (näherungsweise) auf empirischer Grundlage möglich war, mit dem Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nach Art. 1 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar?
weiterlesn und download des Schriftsatzes:
http://www.elo-forum.org/alg-ii/79639-elo-musterklage-regelsaetze-bgs-kindern-alleinstehende.html
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen