Direkt zum Hauptbereich

Tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft sind vom Grundsicherungsträger bis zur Angemessenheitsgrenze zu übernehmen, wenn sie auf Grund einer wirksamen rechtlichen Verpflichtung vom Hilfebedürftigen zu tragen sind, unabhängig davon, ob die Höhe oder die Vertragsgestaltung einem Fremdvergleich standhält.

Mit Beschlüssen vom 12.07.2011,  - L 5 AS 263/10 NZB - und - L 5 AS 264/10 NZB - hat das  Landessozialgericht Sachsen-Anhalt fest gestellt , dass

Tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft vom Grundsicherungsträger bis zur Angemessenheitsgrenze zu übernehmen sind, wenn sie auf Grund einer wirksamen rechtlichen Verpflichtung vom Hilfebedürftigen zu tragen sind, unabhängig davon, ob die Höhe oder die Vertragsgestaltung einem Fremdvergleich standhält.

Das BSG hat in dem Urteil vom 3. März 2009 (B 4 AS 37/08 R (25 f.)) betont, dass im Rahmen des SGB II nur die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstandenen Kosten zu übernehmen seien, soweit für deren Deckung ein Bedarf bestehe.

Für einen Anspruch auf KdU sei daher erforderlich, dass der Hilfebedürftige einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt sei. Ausgangspunkt dafür sei in erster Linie der Mietvertrag, mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden sei. Ermittlungen hinsichtlich der Ernsthaftigkeit des Mietverlangens erübrigten sich nicht durch den so genannten Fremdvergleich.
Danach begründeten Verträge zwischen nahen Angehörigen nur dann tatsächliche Aufwendungen, wenn sie nach Inhalt und tatsächlicher Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprächen und, soweit sie inhaltlich diesem Fremdvergleich standhielten, auch dem Vertragsinhalt gemäß vollzogen würden.

Die entsprechende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei im Rahmen des SGB II nicht anwendbar. Grundsicherungsrechtlich sei es egal, ob der vereinbarte Mietzins der Höhe nach mindestens den Aufwendungen eines Dritten in vergleichbarer Situation entspreche.

Allerdings spiele auch im SGB II der Gesichtspunkt des tatsächlichen Vollzugs des Vertragsinhalts eine Rolle, also insbesondere die Feststellung der Absicht der Zahlung des vereinbarten Mietzinses. Vergleichbare Ausführungen enthält das Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. Mai 2009 (B 14 AS 31/07 R (18 f.)).

Anmerkung: Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 08.02.2011, - L 12 AS 4387/10 -

Mietkosten sind dann nicht als angemessene Unterkunftskosten zu übernehmen, wenn der Mietvertrag trotz eines bestehenden Wohnungsrechtes nach § 1093 BGB geschlossen wird, um bei bestehender Hilfebedürftigkeit weitere SGB II-Leistungen zu erhalten.

 Ein derartiger Mietvertrag ist sittenwidrig und nach § 138 BGB nichtig.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, wenn diese angemessen sind. Erforderlich ist, dass der Hilfebedürftige einer konkreten Zahlungsverpflichtung ausgesetzt ist (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4200 § 22 Nr. 21; BSG, Urteil vom 20. August 2008 - B 14 AS 34/08 R - FEVS 61, 243). Dies ist hier nicht der Fall.

Rechtsgeschäfte, die nach Inhalt, Zweck und Beweggrund in erster Linie darauf angelegt sind, Vermögensverhältnisse zum Schaden der Sozialhilfeträger bzw. Träger der Leistungen nach dem SGB II und damit auf Kosten der Allgemeinheit zu regeln, verstoßen gegen die guten Sitten i.S.v. § 138 BGB, wenn nicht besondere Rechtfertigungsgründe vorliegen (vgl. BGHZ 86, 82, 86 ff.; Sock in Staudinger, BGB, § 138 Rdnr. 359 ff. m.w.N.).

Grundsätzlich sind die Leistungen nach dem SGB II subsidiärer Natur und greifen erst dann nachrangig ein, wenn keine privaten Unterhaltsquellen zur Verfügung stehen (§§ 3 Abs. 3, 9 Abs. 1 Satz 1 SGB II).

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Zur Frage, wer für die Kosten der Entrümpelung, Grundreinigung und Renovierung der Wohnung eines Messie zuständig ist

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.03.2012, - L 13 AS 22/12 B ER - 1. Der Bedarf eines Hilfesuchenden, der aus einem Fehlgebrauch der Wohnung herrührt (Messie), gehört nicht zum Bedarf für Unterkunft und Heizung iSd § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. 2. Ebenso ist eine notwendige Grundreinigung und Renovierung einer Messie - Wohnung eher nicht auf der Grundlage von §§ 24 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II zu regeln. 3. Als Anspruchsgrundlage für das Aufräumen einer Messie-Wohnung kommt § 67 SGB XII i.V.m. § 4 der Verordnung zu § 69 SGB XII in Betracht, wobei die Entscheidung über Art und Maß der Hilfeleistung im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers steht. http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml;jsessionid=445EF403A69158C8FFF6888A88310D59.jp84?doc.id=JURE120006139&st=null&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint