Wird der Antrag auf Sachleistungen nach § 31a Abs. 3 S. 1 SGB II bereits im Rahmen der Anhörung gestellt, ist zumindest im Fall des Wegfalls des Arbeitslosengeldes II aus verfassungsrechtlichen Erwägungen auch zeitgleich mit der Sanktion hierüber zu entscheiden.
So urteilte das SG Würzburg mit Beschluss vom 29.08.2011, - S 15 AS 560/11 ER - .
Nach § 31a Abs. 3 S. 1 SGB II kann der Träger bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen. Mit dem Antragserfordernis hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialge-setzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 2011, S. 453 ff.) die Streitfrage geklärt, ob Sachleistungen und geldwerte Leistungen bereits im Sanktionsbescheid bewilligt werden müssen (Geiger, Leitfaden zum Arbeitslosengeld II [8. Aufl. 2011], T XII 1; vgl. zum Streitstand nach altem Recht z.B. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5.1.2011 – L 2 AS 428/10 B ER – m.w.N.).
Ergänzende Leistungen sind demnach nur auf Antrag zu bewilligen.
Wird der Antrag allerdings bereits im Rahmen der Anhörung gestellt, ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts zumindest im Fall des Wegfalls des Arbeitslosengeldes II auch zeitgleich mit der Sanktion hierüber zu entscheiden.
Grundsätzlich sind die Entscheidung über die Sanktion einerseits und die Gewährung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen andererseits zwar jeweils eigenständige Verwaltungsentscheidungen. § 31a Abs. 3 S. 1 SGB II verknüpft sie in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich nicht, sondern geht vielmehr davon aus, dass die Entscheidung über die Gewährung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen der Entscheidung über die Sanktion zeitlich auch nachfolgen kann (vgl. SG Darmstadt, Beschluss vom 19.10.2010 – S 27 AS 1286/10 ER – Rn. 15).
Das erkennende Gericht hält es jedoch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen für geboten, dass jedenfalls im vorliegenden Fall, bei dem das Arbeitslosengeld II vollständig wegfällt und auch eine Selbsthilfe nicht möglich ist, ohne Hinzutreten besonderer Umstände mit der Sanktionsentscheidung zeitgleich auch darüber entschieden werden muss, ob im konkreten Fall ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen sind.
Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – Rn. 133 ff.). Dies gebietet zwar nicht die Gewährung bedarfsunabhängiger, voraussetzungsloser Sozialleistungen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7.7.2010 – 1 BvR 2556/09 – Rn. 13; Berlit, info also 2011, 53, 55 m.w.N.). Allerdings wirkt das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum auf die Anwendung und Auslegung der Sanktionsregelungen ein und verengt den Sanktionsspielraum (Berlit a.a.O.).
Daraus folgt, dass ein Wegfall des Arbeitslosengeldes II nur mit der zeitgleichen Entscheidung über die Gewährung von Leistungen nach § 31a Abs. 3 S. 1 SGB II in verfassungsrechtlich unbedenklicher, d.h. verhältnismäßiger Weise zu verwirklichen ist. Anderenfalls würde es im Sanktionszeitraum insbesondere an einer Sicherstellung des nicht aufschiebbaren Bedarfs an Lebensmitteln und damit an einer Sicherstellung des physischen Existenzminimums fehlen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5.1.2011 – L 2 AS 428/10 B ER sowie LSG NRW, Beschluss vom 9.9.2009 – L 7 B 211/09 AS ER, jeweils m.w.N.).
Anmerkung: Lesen sie dazu auch den Beitrag - Bundesregierung hält an Sanktionsregelungen bei Hartz IV eisern fest, obwohl die Spatzen die Melodie von der Verfassungswidrigkeit bereits von den Dächern pfeifen.
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/09/bundesregierung-halt.html
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.
Nach § 31a Abs. 3 S. 1 SGB II kann der Träger bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen. Mit dem Antragserfordernis hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialge-setzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 2011, S. 453 ff.) die Streitfrage geklärt, ob Sachleistungen und geldwerte Leistungen bereits im Sanktionsbescheid bewilligt werden müssen (Geiger, Leitfaden zum Arbeitslosengeld II [8. Aufl. 2011], T XII 1; vgl. zum Streitstand nach altem Recht z.B. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5.1.2011 – L 2 AS 428/10 B ER – m.w.N.).
Ergänzende Leistungen sind demnach nur auf Antrag zu bewilligen.
Wird der Antrag allerdings bereits im Rahmen der Anhörung gestellt, ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts zumindest im Fall des Wegfalls des Arbeitslosengeldes II auch zeitgleich mit der Sanktion hierüber zu entscheiden.
Grundsätzlich sind die Entscheidung über die Sanktion einerseits und die Gewährung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen andererseits zwar jeweils eigenständige Verwaltungsentscheidungen. § 31a Abs. 3 S. 1 SGB II verknüpft sie in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich nicht, sondern geht vielmehr davon aus, dass die Entscheidung über die Gewährung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen der Entscheidung über die Sanktion zeitlich auch nachfolgen kann (vgl. SG Darmstadt, Beschluss vom 19.10.2010 – S 27 AS 1286/10 ER – Rn. 15).
Das erkennende Gericht hält es jedoch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen für geboten, dass jedenfalls im vorliegenden Fall, bei dem das Arbeitslosengeld II vollständig wegfällt und auch eine Selbsthilfe nicht möglich ist, ohne Hinzutreten besonderer Umstände mit der Sanktionsentscheidung zeitgleich auch darüber entschieden werden muss, ob im konkreten Fall ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen sind.
Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – Rn. 133 ff.). Dies gebietet zwar nicht die Gewährung bedarfsunabhängiger, voraussetzungsloser Sozialleistungen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7.7.2010 – 1 BvR 2556/09 – Rn. 13; Berlit, info also 2011, 53, 55 m.w.N.). Allerdings wirkt das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum auf die Anwendung und Auslegung der Sanktionsregelungen ein und verengt den Sanktionsspielraum (Berlit a.a.O.).
Daraus folgt, dass ein Wegfall des Arbeitslosengeldes II nur mit der zeitgleichen Entscheidung über die Gewährung von Leistungen nach § 31a Abs. 3 S. 1 SGB II in verfassungsrechtlich unbedenklicher, d.h. verhältnismäßiger Weise zu verwirklichen ist. Anderenfalls würde es im Sanktionszeitraum insbesondere an einer Sicherstellung des nicht aufschiebbaren Bedarfs an Lebensmitteln und damit an einer Sicherstellung des physischen Existenzminimums fehlen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5.1.2011 – L 2 AS 428/10 B ER sowie LSG NRW, Beschluss vom 9.9.2009 – L 7 B 211/09 AS ER, jeweils m.w.N.).
Anmerkung: Lesen sie dazu auch den Beitrag - Bundesregierung hält an Sanktionsregelungen bei Hartz IV eisern fest, obwohl die Spatzen die Melodie von der Verfassungswidrigkeit bereits von den Dächern pfeifen.
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/09/bundesregierung-halt.html
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.
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