Direkt zum Hauptbereich

Hartz IV - Empfänger hat keinen Anspruch auf eine Änderung des Überweisungsvermerkes dahingehend, dass die BG-Nummer nicht offenbart wird und der Überweisungstext Bundesagentur für Arbeit anonymisiert wird.

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss vom 01.07.2011, - L 7 AS 461/11 B ER -

Die Mitteilung des Bezugs von Sozialleistungen ist als Einzelangabe über die persönlichen Verhältnisse einer bestimmten Person eine Übermittlung von Sozialdaten nach § 67 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Eine regelmäßige Überweisung durch einen Sozialleistungsträger enthält eine derartige Information. Diese Übermittlung ist nach § 35 Abs. 2 SGB I nur zulässig, wenn sie nach §§ 67 ff SGB X erlaubt ist. Nach § 67d Abs. 1 Satz 1 SGB X ist eine Übermittlung von Daten zulässig, soweit eine Übermittlungsbefugnis nach §§ 68 bis 77 SGB X oder anderen Rechtsvorschriften des SGB vorliegt. Nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X ist eine Übermittlung von Sozialdaten zulässig, soweit sie erforderlich ist für die Erfüllung der Zwecke, für die sie erhoben worden sind oder für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe der übermittelnden Stelle nach dem SGB.

Die Überweisung mit dem Überweisungsvermerk "Bundesagentur für Arbeit" unter Angabe der BG-Nummer ist eine zulässige Datenübermittlung. Sie ist zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe der Erbringung der Leistungen erforderlich.

Wie der Antragsteller zutreffend ausführt, geht es um monatliche Zahlungen an Millionen von Leistungsempfängern. Bei einer derartigen Massenverwaltung muss die zuständige Behörde eindeutige Kennzahlen und eine Behördenbezeichnung verwenden, um nachvollziehbar zu machen, ob die Leistung in jedem Einzelfall erbracht wurde.

Nach § 51a SGB II wird jeder Person, die Leistungen nach dem SGB II bezieht, eine Kundennummer, für Bedarfsgemeinschaften eine BG-Nummer, zugeteilt. Diese dient nach Satz 2 dieser Vorschrift als Identifikationsmerkmal und den Zwecken nach § 51b Abs. 3 SGB II.

Nach § 51b Abs. 3 Nr. 1 SGB II dürfen die vom jeweiligen Jobcenter zugeteilten und der Bundesagentur für Arbeit übermittelten Kundennummern für die zukünftige Gewährung von Leistungen verarbeitet und genutzt werden. Diese Nummern bestehen aus fortlaufenden Zahlen und den Buchstaben "BG". Die Zahlen enthalten keine erkennbaren Informationen zum einzelnen Leistungsempfänger.

Nach § 42 Satz 1 SGB II werden Geldleistungen auf das im Leistungsantrag angegebene Konto bei einem Geldinstitut überwiesen, sofern sie nicht gemäß Satz 2 - regelmäßig auf Kosten des Leistungsempfängers - in anderer Weise (insbes. in bar oder per Scheck) übermittelt werden.

Der Antragsgegner darf demnach die Kundennummer bzw. BG-Nummer nach § 51a SGB II für die (zukünftige) Gewährung von Leistungen nutzen, die gemäß § 42 SGB II regelmäßig durch Überweisung erfolgt. Eine Barauszahlung hat der Antragsteller abgelehnt.

Es ist im Übrigen nicht erkennbar, welchen zusätzlichen Datenschutz die vom Antragsteller geforderte nochmalige Verschlüsselung der vorgenannten Nummer brächte, die ohnehin keine Informationen über den einzelnen Leistungsempfänger enthält. Dagegen würde eine nochmalige Verschlüsselung den Vorteil der einfachen und eindeutigen Zuordnung von Vorgängen in Frage stellen.

Daneben wendet sich der Antragsteller gegen die Angabe "Bundesagentur für Arbeit" im Überweisungsvermerk.


Soweit sein Anliegen darin besteht, dass seine Bank keine Information zur Identität des Überweisenden erhält, kann er dies schon aus überweisungstechnischen Gründen nicht erreichen. Wie das Sozialgericht zutreffend darlegt, ist die Empfängerbank des Antragstellers immer in der Lage, eine Überweisung dem Antragsgegner zuzuordnen. Wer einem anderen Geld überweist, muss schon zur Abwicklung der Überweisung seine Identität offen legen.

So muss die Empfängerbank den Überweisenden zum Beispiel identifizieren können, wenn die Überweisung (z.B. wegen Auflösung des Empfängerkontos) fehlschlägt.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Identität des Antragsgegners auch im Überweisungsvermerk erscheinen muss. Dies ist aber im Zuge der Leistungserbringung im Sinn von § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X erforderlich, weil dann die Leistungsempfänger die Zahlungen zuordnen können (gerade im SGB II kommt es oft zu monatlich unterschiedlichen Zahlungsbeträgen), zu geringe oder zu hohe Zahlungen nachgewiesen werden können und der Pfändungsschutz bei der Bank nach § 55 SGB I erleichtert wird.


 Auch nach Umstellung des Pfändungsschutzes bei der Bank auf ein Pfändungsschutzkonto nach
§ 850k ZPO (vgl. § 55 Abs. 5 SGB I) muss der Leistungsempfänger den Bezug von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII nachweisen, um den erhöhten Pfändungsschutz nach § 850k Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b ZPO durchzusetzen.


 Dem Antragsteller ist zuzugestehen, dass bisher scheinbar die Abkürzung "BA" im Überweisungsvermerk genügte. Es ist aber naheliegend, dass im Zuge der Massenverwaltung eine genauere Bezeichnung die Aufgabenerfüllung erleichtert. Ob im Einzelfall hier Ausnahmen möglich sind, kann eventuell im Hauptsacheverfahren geklärt werden.

Das Bundesverwaltungsgerichts hat einen Überweisungsvermerk "Sozialleistung" für unzulässig erklärt (Urteil vom 23.06.1994, 5 C 16/92). Im vorliegenden Fall geht es aber um die vom Gesetz vorgegebene Verwendung der Kunden- bzw. BG-Nummer und die Angabe der überweisenden Behörde.

Anmerkung: Sozialgericht Duisburg Urteil vom 17.01.2011, - S 31 AS 479/08 -

Leistungsbezieher nach dem SGB II hat kein Anspruch auf Unterlassen der Angabe des Jobcenters als Absender auf deren Briefen .

Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten im Sinne von § 67 Abs. 1 SGB X von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis). Gemäß § 35 Abs. 2 SGB I ist eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten nur unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches zulässig.

Gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Gemäß § 67 Abs. 6 Satz 1 SGB X ist Verarbeiten das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen von Sozialdaten. Im Einzelnen ist Übermitteln das Bekanntgeben gespeicherter oder durch Datenverarbeitung gewonnener Sozialdaten an einen Dritten in der Weise, dass die Daten an den Dritten weitergegeben werden oder der Dritte zur Einsicht oder zum Abruf bereitgehaltene Daten einsieht oder abruft (§ 67 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 SGB X).

Gemäß § 67d Abs. 1 SGB X ist eine Übermittlung von Sozialdaten nur zulässig, soweit eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis nach den §§ 68 - 77 oder nach einer anderen Rechtsvorschrift in diesem Buch vorliegt. Gemäß § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X ist eine Übermittlung von Sozialdaten zulässig, soweit sie erforderlich ist für die Erfüllung der Zwecke, für die sie erhoben worden ist oder für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe der übermittelnden Stelle nach diesem Gesetzbuch.

Nach diesen Grundsätzen darf die Beklagte in ihrer Korrespondenz mit dem Kläger ihre Behördenbezeichnung auf den Briefumschlägen angeben.

Es liegt bereits kein schützenswertes Sozialdatum im Sinne von § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB II vor.
Unstreitig ist die Angabe, dass jemand im Bezug von Sozialleistungen steht, als "Einzelangabe über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten Person" im Sinne von § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X anzusehen (vgl. von Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 67 Rdnr. 7, Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 23.06.1994, 5 C 16/92, juris, Rdnr. 10; Verwaltungsgericht - VG - Bremen, Urteil vom 04.10.1990, 3 A 323/88, NVwZ-RR 1991, 564; VG Düsseldorf, Urteil vom 06.11.1984, 17 K 2376/83, NJW 1985, 1794).

Entsprechend ist es unzulässig, beispielsweise bei Überweisungen oder bei vom Postzusteller überbrachten Postanweisungen als Betreff "Sozialleistungen" anzugeben (vgl. BVerwG, a.a.O.; VG Düsseldorf, a.a.O.).

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 06.06.2011, - L 1 AS 4393/10 - Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden(BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R-; Rdnr. 4). Eine erneute Berücksichtigung scheidet auch dann aus, wenn eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt und Einkommen eines nichtbedürftigen Mitglieds einem bedürftigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird. https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144213&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive = Anmerkung: 1. Vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ist ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II als Pauschbetrag abzusetzen (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V ). Diese Pauschale in Höhe von 30 Euro ist