Anhand eines Beispiels möchte ich darstellen, wie sehr unterschiedlich doch die Gerichtsentscheidungen zum SGB II sein können.
Wer sich als RA mit dem SGB II beschäftigt, weiß, dass dieses Gesetzbuch einem RA schon mal leicht graue Haare wachsen lässt, denn zu bestimmten Sachverhalten im SGB II gibt es bis zum heutigem Tage keine höchst richterliche Klärung.
Wie aber nun dem Mandantem helfen - man muß versuchen, dass best mögliche für den Antragsteller zu erzielen dh., die Gerichtsentscheidung, welche dem Mandantem zum Sieg verhelfen könnte, muss gewählt werden, dies ist aber nicht immer einfach, so dass bei äußerst schwierigen Fragen - zumindestens - im Rahmen einer Folgenabwägung zu Gunsten des Antragstellers entschieden werden sollte.
Beispiel: Zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II
Die Vereinbarkeit der Vorschrift mit Gemeinschaftsrecht der EU ist in Rechtsprechung, Kommentierung und inzwischen reichhaltiger Judikatur umstritten (exemplarisch aus jüngerer Zeit: Beschlüsse des LSG Berlin-Brandenburg vom 09.09.2010 - L 10 AS 1023/10 B ER, vom 29.11.2010 - L 34 AS 1001/10 B ER, Beschlüsse des LSG NRW vom 04.10.2010 - L 19 AS 942/10 B, vom 17.05.2011 - L 6 AS 356/11 B ER, jeweils m. w. N.).
Der Streit besteht im Wesentlichen vor dem Hintergrund der höchstrichterlich bislang nicht entschiedenen Frage, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers durch den Vorbehalt des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG gedeckt ist, weil es sich bei den Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II um Sozialhilfeleistungen handelt, oder ob es sich um Leistungen der sozialen Sicherheit bzw. zur Eingliederung in Arbeit handelt, die freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern unter Verstoß gegen das Verbot der Differenzierung nach Staatsangehörigkeit und/oder das allgemeine Differenzierungsverbot vorenthalten würden.
Sowohl der EuGH als auch das BSG haben die Frage in jüngeren Entscheidungen offen gelassen (Urteil des EuGH vom 04.06.2009 - C-22/08 und C-23/08 - Vatsouras/Koupatantze; Urteil des BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R).
Mit Beschluss vom 30.05.2011, - L 19 AS 388/11 B ER - und Folgebeschlus vom 28.06.2011, - L 19 AS 317/11 B ER - hatte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen festgestellt, dass Rumänen und Bulgaren keinen Anspruch haben auf soziale Unterstützung in Nordrhein-Westfalen .
Darauf erwiderte der Sozialrechtsexperte, - Auf nach Niedersachsen oder Hessen sagt Willi 2 -
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/09/rumanen-und-bulgaren-haben-keinen.html?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+Sozialrechtsexperte+%28sozialrechtsexperte%29
Mit Beschluss vom 14.09.2011, - S 10 AS 3036/11 ER - hat das Sozialgericht Düsseldorf festgestellt, dass eine gebürtige Litauin im Rahmen einer Folgenabwägung Anspruch auf ALG 2 hat.
Der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist also dann europarechtskonform, wenn es sich beim Arbeitslosengeld II um "Sozialhilfe" im Sinne des Art. 24 Abs. 2 UBRL handelt und diese Vorschrift ihrerseits mit dem höherrangigen Primärrecht der EU in Einklang steht.
In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, die einen Leistungsausschluss ohne entsprechende Öffnungsklausel insbesondere für Alt-Unionsbürger normiert, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. (vgl. u. a. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.07.2008 - L 7 AS 3031/08 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.06.2009 - B 34 AS 790/09 B ER; SG Reutlingen, Urteil vom 29.04.2008 - S 2 AS 295 2/07; LSG NRW, Beschluss vom 16.07.2008 - L 19 B 111/08 AS ER; Brühl/Schoch in LPK, § 7 Rn. 20 ff.; Schreiber info also 2008, 3 ff. und 2009,, 195 ff.; Kunkel/Frey, ZFSH 07/2008, 387 ff.; Husmann, NZS 2009, 547 ff., 652 ff.; Hailbronner, ZFSH 2009, 195 ff.; Dr. Piepenstock, jurisPR-SozR, 23/09 Anm. 1).
Diese Frage lässt sich im Eilverfahren nicht abschließend klären. Eine Vorlagepflicht der deutschen Gerichte an den Europäischen Gerichtshof, der für die Auslegung der hier in Betracht kommenden Art. 39 und 12 EGV zuständig ist, besteht indes nur für das Hauptsacheverfahren, nach h. M. aber nicht für das einstweilige Rechtsschutzverfahren.
Unter Berücksichtigung der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung und des existenzsichernden Charakters der Leistungen nach dem SGB II ist nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deshalb eine Folgenabwägung vorzunehmen.
Nach Meinung des Hessisches Landessozialgerichts, Beschluss vom 06.09.2011, - L 7 AS 334/11 B ER - hat
Ein Ausländer, dessen Aufenthalt im Inland auf der Grundlage von § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG als rechtmäßig gilt, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II, wenn in der zu seinen Gunsten ausgestellten Fiktionsbescheinigung eine Nebenbestimmung enthalten ist, die die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausdrücklich nicht gestattet. Er ist dann nicht erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs. 2 SGB II, auch wenn ihm ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die eine Erwerbstätigkeit erlauben würde, zustehen sollte, solange diese noch nicht erteilt ist.
Lebt der Ausländer allerdings in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Partnerin, die einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat, kann ihm ein Anspruch auf Sozialgeld zustehen. Eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 S. 1 oder Abs. 4 AufenthG ist weder mit einer Duldung nach § 60a AufenthG noch mit einem der in § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG genannten Aufenthaltstitel vergleichbar. Der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG greift daher nicht.
Anmerkung des Sozialberaters Willi 2:
Bedenklich erscheint der zeitlich unbeschränkte völlige Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, der durch den gleich formulierten Ausschluss von Sozialhilfe in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII (dort eingefügt mit Wirkung vom 07.12.2006) flankiert wird, im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, das vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitet wird (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 Az. 1 BvL 1/09, NJW 2010, 505, Rdnr. 133 bei juris m.w.N.).
Da es sich bei Art. 1 Abs. 1 GG um kein Grundrecht nur für Deutsche, sondern um ein Menschenrecht handelt, gilt es auch für Ausländer, die sich in Deutschland aufhalten, vor allem wenn dieser Aufenthalt rechtmäßig ist.
Zwar gesteht das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber bei der Bestimmung der zur Gewährleistung dieses Existenzminimums zu erbringenden Leistungen einen Gestaltungsspielraum zu. Es fragt sich aber, ob nicht der zeitlich unbegrenzte Ausschluss jeglicher Leistungen für Ausländer, die sich rechtmäßig zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten, in den von Art. 19 Abs. 2 GG für unantastbar erklärten Wesensgehalt dieses Grundrechts eingreift.
Ob der zeitlich unbefristete Ausschluss von Leistungen an arbeitsuchende Unionsbürger mit der Begründung gerechtfertigt werden kann, dass diese auf die Inanspruchnahme entsprechender Leistungen in ihrem Heimatland verwiesen werden könnten (so LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.02.2010, Az. L 15 AS 30/10 B ER Rdnr. 30), dürfte zumindest zweifelhaft sein (vgl. LSG Bayern, Beschluss vom 22.12.2010, Az.: L 16 AS 767/10 B ER).
7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist als Ausnahmeregelung nicht erweiternd dahingehend auszulegen, dass der Leistungsausschluss bereits dann greift, wenn einer von mehreren Aufenthaltsgründen der des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ist (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. März 2011 - L 13 AS 52/11 B ER - ).
Ferner ist im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zweifelhaft, ob eine durch sachliche Gründe zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darin liegt, dass Ausländer, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, wenigstens das "reduzierte" Existenzminimum nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG), dagegen Ausländer, die die Unionsbürgerschaft besitzen und sich legal in Deutschland aufhalten, gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II und § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ohne zeitliche Begrenzung von jeglichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen sind.
Info: Georg Classen Juni 2011 - ALG II und Sozialhilfe für Ausländer
http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/SGB-II-XII-Leitfaden.pdf
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.
Wer sich als RA mit dem SGB II beschäftigt, weiß, dass dieses Gesetzbuch einem RA schon mal leicht graue Haare wachsen lässt, denn zu bestimmten Sachverhalten im SGB II gibt es bis zum heutigem Tage keine höchst richterliche Klärung.
Wie aber nun dem Mandantem helfen - man muß versuchen, dass best mögliche für den Antragsteller zu erzielen dh., die Gerichtsentscheidung, welche dem Mandantem zum Sieg verhelfen könnte, muss gewählt werden, dies ist aber nicht immer einfach, so dass bei äußerst schwierigen Fragen - zumindestens - im Rahmen einer Folgenabwägung zu Gunsten des Antragstellers entschieden werden sollte.
Beispiel: Zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II
Die Vereinbarkeit der Vorschrift mit Gemeinschaftsrecht der EU ist in Rechtsprechung, Kommentierung und inzwischen reichhaltiger Judikatur umstritten (exemplarisch aus jüngerer Zeit: Beschlüsse des LSG Berlin-Brandenburg vom 09.09.2010 - L 10 AS 1023/10 B ER, vom 29.11.2010 - L 34 AS 1001/10 B ER, Beschlüsse des LSG NRW vom 04.10.2010 - L 19 AS 942/10 B, vom 17.05.2011 - L 6 AS 356/11 B ER, jeweils m. w. N.).
Der Streit besteht im Wesentlichen vor dem Hintergrund der höchstrichterlich bislang nicht entschiedenen Frage, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers durch den Vorbehalt des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG gedeckt ist, weil es sich bei den Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II um Sozialhilfeleistungen handelt, oder ob es sich um Leistungen der sozialen Sicherheit bzw. zur Eingliederung in Arbeit handelt, die freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern unter Verstoß gegen das Verbot der Differenzierung nach Staatsangehörigkeit und/oder das allgemeine Differenzierungsverbot vorenthalten würden.
Sowohl der EuGH als auch das BSG haben die Frage in jüngeren Entscheidungen offen gelassen (Urteil des EuGH vom 04.06.2009 - C-22/08 und C-23/08 - Vatsouras/Koupatantze; Urteil des BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R).
Mit Beschluss vom 30.05.2011, - L 19 AS 388/11 B ER - und Folgebeschlus vom 28.06.2011, - L 19 AS 317/11 B ER - hatte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen festgestellt, dass Rumänen und Bulgaren keinen Anspruch haben auf soziale Unterstützung in Nordrhein-Westfalen .
Darauf erwiderte der Sozialrechtsexperte, - Auf nach Niedersachsen oder Hessen sagt Willi 2 -
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/09/rumanen-und-bulgaren-haben-keinen.html?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+Sozialrechtsexperte+%28sozialrechtsexperte%29
Mit Beschluss vom 14.09.2011, - S 10 AS 3036/11 ER - hat das Sozialgericht Düsseldorf festgestellt, dass eine gebürtige Litauin im Rahmen einer Folgenabwägung Anspruch auf ALG 2 hat.
Der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist also dann europarechtskonform, wenn es sich beim Arbeitslosengeld II um "Sozialhilfe" im Sinne des Art. 24 Abs. 2 UBRL handelt und diese Vorschrift ihrerseits mit dem höherrangigen Primärrecht der EU in Einklang steht.
In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, die einen Leistungsausschluss ohne entsprechende Öffnungsklausel insbesondere für Alt-Unionsbürger normiert, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. (vgl. u. a. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.07.2008 - L 7 AS 3031/08 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.06.2009 - B 34 AS 790/09 B ER; SG Reutlingen, Urteil vom 29.04.2008 - S 2 AS 295 2/07; LSG NRW, Beschluss vom 16.07.2008 - L 19 B 111/08 AS ER; Brühl/Schoch in LPK, § 7 Rn. 20 ff.; Schreiber info also 2008, 3 ff. und 2009,, 195 ff.; Kunkel/Frey, ZFSH 07/2008, 387 ff.; Husmann, NZS 2009, 547 ff., 652 ff.; Hailbronner, ZFSH 2009, 195 ff.; Dr. Piepenstock, jurisPR-SozR, 23/09 Anm. 1).
Diese Frage lässt sich im Eilverfahren nicht abschließend klären. Eine Vorlagepflicht der deutschen Gerichte an den Europäischen Gerichtshof, der für die Auslegung der hier in Betracht kommenden Art. 39 und 12 EGV zuständig ist, besteht indes nur für das Hauptsacheverfahren, nach h. M. aber nicht für das einstweilige Rechtsschutzverfahren.
Unter Berücksichtigung der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung und des existenzsichernden Charakters der Leistungen nach dem SGB II ist nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deshalb eine Folgenabwägung vorzunehmen.
Nach Meinung des Hessisches Landessozialgerichts, Beschluss vom 06.09.2011, - L 7 AS 334/11 B ER - hat
Ein Ausländer, dessen Aufenthalt im Inland auf der Grundlage von § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG als rechtmäßig gilt, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II, wenn in der zu seinen Gunsten ausgestellten Fiktionsbescheinigung eine Nebenbestimmung enthalten ist, die die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausdrücklich nicht gestattet. Er ist dann nicht erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs. 2 SGB II, auch wenn ihm ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, die eine Erwerbstätigkeit erlauben würde, zustehen sollte, solange diese noch nicht erteilt ist.
Lebt der Ausländer allerdings in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Partnerin, die einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat, kann ihm ein Anspruch auf Sozialgeld zustehen. Eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 S. 1 oder Abs. 4 AufenthG ist weder mit einer Duldung nach § 60a AufenthG noch mit einem der in § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG genannten Aufenthaltstitel vergleichbar. Der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG greift daher nicht.
Anmerkung des Sozialberaters Willi 2:
Bedenklich erscheint der zeitlich unbeschränkte völlige Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, der durch den gleich formulierten Ausschluss von Sozialhilfe in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII (dort eingefügt mit Wirkung vom 07.12.2006) flankiert wird, im Hinblick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, das vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitet wird (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 Az. 1 BvL 1/09, NJW 2010, 505, Rdnr. 133 bei juris m.w.N.).
Da es sich bei Art. 1 Abs. 1 GG um kein Grundrecht nur für Deutsche, sondern um ein Menschenrecht handelt, gilt es auch für Ausländer, die sich in Deutschland aufhalten, vor allem wenn dieser Aufenthalt rechtmäßig ist.
Zwar gesteht das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber bei der Bestimmung der zur Gewährleistung dieses Existenzminimums zu erbringenden Leistungen einen Gestaltungsspielraum zu. Es fragt sich aber, ob nicht der zeitlich unbegrenzte Ausschluss jeglicher Leistungen für Ausländer, die sich rechtmäßig zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten, in den von Art. 19 Abs. 2 GG für unantastbar erklärten Wesensgehalt dieses Grundrechts eingreift.
Ob der zeitlich unbefristete Ausschluss von Leistungen an arbeitsuchende Unionsbürger mit der Begründung gerechtfertigt werden kann, dass diese auf die Inanspruchnahme entsprechender Leistungen in ihrem Heimatland verwiesen werden könnten (so LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.02.2010, Az. L 15 AS 30/10 B ER Rdnr. 30), dürfte zumindest zweifelhaft sein (vgl. LSG Bayern, Beschluss vom 22.12.2010, Az.: L 16 AS 767/10 B ER).
7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist als Ausnahmeregelung nicht erweiternd dahingehend auszulegen, dass der Leistungsausschluss bereits dann greift, wenn einer von mehreren Aufenthaltsgründen der des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ist (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. März 2011 - L 13 AS 52/11 B ER - ).
Ferner ist im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zweifelhaft, ob eine durch sachliche Gründe zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darin liegt, dass Ausländer, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, wenigstens das "reduzierte" Existenzminimum nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG), dagegen Ausländer, die die Unionsbürgerschaft besitzen und sich legal in Deutschland aufhalten, gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II und § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ohne zeitliche Begrenzung von jeglichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen sind.
Info: Georg Classen Juni 2011 - ALG II und Sozialhilfe für Ausländer
http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/SGB-II-XII-Leitfaden.pdf
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.
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