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Alleinerziehung (insbesondere von schulpflichtigen Kindern) kann zu einer eingeschränkten Zumutbarkeit eines Wohnungswechsels führen .

Alleinerziehung (insbesondere von schulpflichtigen Kindern) kann zwar zu einer eingeschränkten Zumutbarkeit eines Wohnungswechsels führen (vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 35), bestätigt durch Urteil des BSG vom 13.4.2011,-  B 14 AS 85/09 R -.

Mit Urteil vom 13.4.2011, - B 14 AS 85/09 R - hat das Bundessozialgericht fest gestellt , dass bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin heranzuziehen ist.

Den besonderen Belangen und der konkreten Situation des jeweiligen Hilfebedürftigen (zB von Alleinerziehenden oder von Familien mit minderjährigen schulpflichtigen Kindern) ist nicht bereits bei der (abstrakt-generell vorzunehmenden) Festlegung der Vergleichsräume, sondern erst im Rahmen der Zumutbarkeitsregelung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II Rechnung zu tragen (vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 23).

Die tatrichterliche Würdigung, dass ein Wechsel der unmittelbaren Betreuungspersonen (insbesondere der Tagesmutter) bei einem Umzug in eine günstigere (und dabei in erster Linie kleinere) Wohnung in der Umgebung nicht notwendig gewesen wäre, ist von den Klägerinnen im Revisionsverfahren nicht mehr angegriffen worden. Sie haben bislang nichts vorgetragen, was gegen die Annahme des LSG sprechen könnte, dass ein Umzug in entferntere Ortsteile nicht erforderlich ist, um eine kostenangemessene Wohnung anzumieten.

Ein Umzug über nahegelegene Bezirksgrenzen hinweg ist für sich genommen jedenfalls kein Grund für dessen Unzumutbarkeit; auch das nähere soziale Umfeld geht damit nicht notwendigerweise verloren.

Anmerkung: Wann muss ein Hartz - IV Empfänger nach der neuesten Rechtsprechung des BSG - nicht umziehen ? Welche Gründe stehen einem Umzug nicht entgegen ?

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/08/wann-muss-ein-hartz-iv-empfanger-nach_26.html

Anmerkung: Das BSG respektiert die Einbindung Hilfebedürftiger in ihr soziales Umfeld und billigt ihnen im Rahmen der Zumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen zu, dass von ihnen ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit der Aufgabe des soziales Umfeldes verbunden wäre, regelmäßig nicht verlangt werden kann (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3 RdNr 21) . Bleibt das soziale Umfeld erhalten, sind umgekehrt Kostensenkungsmaßnahmen (zB durch einen Umzug) im Normalfall zumutbar. 


 
Aufrechterhalten des sozialen Umfeldes bedeutet nicht, das keinerlei Veränderungen der Wohnraumsituation stattfinden dürften. Vielmehr sind vom Hilfeempfänger auch Anfahrtswege mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinzunehmen, wie sie etwa erwerbstätigen Pendlern als selbstverständlich zugemutet werden. 

  
Weitergehende Einschränkungen der Obliegenheit zur Senkung unangemessener KdU im Sinne subjektiver Unzumutbarkeit bedürfen besonderer Begründung. Beruft sich ein Hilfebedürftiger darauf, sich zB örtlich nicht verändern oder seine Wohnung nicht aufgeben zu können, müssen hierfür besondere Gründe vorliegen, die einen Ausnahmefall begründen können. Hierfür kommen insbesondere grundrechtsrelevante Sachverhalte oder Härtefälle in Betracht. Dazu gehört etwa die Rücksichtnahme auf das soziale und schulische Umfeld minderjähriger schulpflichtiger Kinder, die möglichst nicht durch einen Wohnungswechsel zu einem Schulwechsel gezwungen werden sollten; ebenso kann auf Alleinerziehende Rücksicht genommen werden, die zur Betreuung ihrer Kinder auf eine besondere Infrastruktur angewiesen sind, die bei einem Wohnungswechsel in entferntere Ortsteile möglicherweise verloren ginge und im neuen Wohnumfeld nicht ersetzt werden könnte. Ähnliches kann für behinderte oder pflegebedürftige Menschen bzw für die sie betreuenden Familienangehörigen gelten, die zur Sicherstellung der Teilhabe behinderter Menschen ebenfalls auf eine besondere wohnungsnahe Infrastruktur angewiesen sind. Derjenige, der insbesondere als alleinstehender erwerbsfähiger Hilfeempfänger solche oder ähnliche Gründe nicht anführen kann, wird bereits den Tatbestand der subjektiven Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen kaum erfüllen. 


Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

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