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Ein schlichtes Zuammenwohnen von Personen in einer Wohnung macht diese noch nicht zu Partner im Sinne einer eheähnlichen Gemeinschaft, auch wenn sie gemeinsam das Haus bewirtschaften.

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom 30.06.2011, - L 7 AS 79/08 -

Auch wenn der Gesetzgeber in der Neuregelung des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II den Begriff "eheähnliche Gemeinschaft" aufgegeben hat, um die Zuordnung von zwei in einer nicht eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebenden Personen zu einer Bedarfsgemeinschaft zu ermöglichen, ist der Prüfungsmaßstab für das Vorliegen einer solchen Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft unverändert und knüpft an die Rechtsprechung des Bundesverfassungerichts (BVerfG) an, nach der für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft die Bindungen der Partner so eng sein müssen, dass daneben kein Raum für eine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art ist und von den Partnern ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann, also über die Beziehung einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (BVerfG, Urteil vom 17.11.1992, Az.: 1 BvL 8/87 und Beschluss vom 02.09.2004, Az.: 1 BvR 1962/04; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.07.2009, Az.: L 7 AS 606/09 B ER Rn. 12).

Die Dauerhaftigkeit und Kontinuität einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft stellt ein wesentliches Indiz für das Bestehen des Willens zum gegenseitigen Einstehen der Partner in Not- und Wechselfällen dar (BSG, Urteil vom 17.10.2002, Az.: B 7 AL 96/00 R). Allerdings wollte der Gesetzgeber mit der Regelung des § 7 Abs. 3 SGB II nicht jede Lebensgemeinschaft erfassen, bei der "nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen." Der Anwendungsbereich beschränkt sich auf eheähnliche und lebenspartnerschaftliche Gemeinschaften. Denn mit der Neufassung des § 7 Abs. 3 SGB II hat die Gesetzgebung auf einen Beschluss des SG Düsseldorf vom 22.02.2005 (S 35 SO 35/05 ER) reagiert. Das SG Düsseldorf vertrat in diesem Beschluss die Auffassung, dass die bisherige Rechtslage wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) insoweit verfassungswidrig gewesen sei, als lebenspartnerschaftliche Gemeinschaften von ihr nicht erfasst wurden (zur Entstehungsgeschichte BT-Drucksache 16/1410, S. 19).

Dies spricht dafür, dass die Gesetzgebung mit der Neuregelung neben den bisher bereits erfassten eheähnlichen Gemeinschaften ausschließlich lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften einbeziehen wollte (vgl. insoweit LSG NRW, Beschluss vom 27.02.2008, Az.: L 7 B 294/07 AS, Rdn. 7).

Ein schlichtes Zuammenwohnen von Personen in einer Wohnung macht diese noch nicht zu Partner. Brauchbare Abgrenzungskriterien sind eine gewisse Ausschließlichkeit (Treue) sowie die rechtliche Möglichkeit, - dies schließt eine Anwendbarkeit auf ein Zusammenleben von Geschwistern aus - dass die Partner grundsätzlich heiraten bzw. eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz eingehen könnten (Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 7, Rdn. 45).

Anmerkung: Die Klägerin und der Zeuge haben das Haus gemeinschaftlich erworben, um dort als Paar zu leben. In der Folgezeit veränderte sich die Qualität der Beziehung weg von einer partnerschaftlichen zu einer freundschaftlichen Beziehung. Die Klägerin hat diese Veränderung zeitlich mit einer nach dem Tod ihrer Mutter aufgetretenen psychischen Erkrankung in Verbindung gebracht, während der Zeuge diesen Veränderungsprozess dahingehend beschrieb, dass sie sich auseinander gelebt hätten. Diese Veränderung war die Grundlage für die Entscheidung, für eine wohnliche Trennung in dem gemeinsamen Haus zu sorgen. In der Folgezeit realisierten die Klägerin und der Zeuge L eine bauliche Umgestaltung des Hauses, wodurch sie erreichten, dass durch den Umbau im Anbau des Hauses ein eigenes Schlaf- und Wohnzimmer für den Zeugen L entstehend konnte. Die seitdem bestehende Beziehung erfüllt die Kriterien einer eheähnlichen Beziehung nicht mehr.

 Zwar bewirtschaften die Klägerin und der Zeuge L das Haus insofern gemeinsam, als dass die auf dem Haus lastenden Darlehensraten vom Konto des Zeugen L abgebucht werden und die Klägerin den Ausgleich bar an Herrn L bezahlt. Zudem werden die anfallenden Kosten für Strom und Wasser hälftig geteilt. Auch begünstigen die zur Finanzierung des Hauses abgeschlossenen Lebensversicherungen die Klägerin und den Zeugen gegenseitig und sie haben sich gegenseitig im Todesfall als Erben eingesetzt. Diese Aspekte dienen jedoch lediglich der Bewirtschaftung bzw. Erhaltung des Wohnungseigentums, haben aber keinen partnerschaftlichen Aspekt.

 Es handelt sich dabei dabei um Arrangements, die bei einer Wohngemeinschaft typischerweise angetroffen werden.

Anmerkung: Lesen Sie dazu auch - Spricht das Schlafen in einem gemeinsamem Bett des Hartz IV- Empfängers mit seiner Bekannten für oder gegen eine eheähnliche BG gem. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II ?

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/08/spricht-das-schlafen-in-einem.html

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

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