Direkt zum Hauptbereich

Zu den Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft gehört die Darlehensrückzahlungsverpflichtung der Hilfeempfängerin gegenüber ihren Eltern in Höhe der Schuldzinstilgung für die Eigentumswohnung.

Mit Urteil vom 18.07.2011, - L 5 AS 28/07 – hat das Landessozialgericht Hamburg wie folgt geurteilt:

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Es zählen zu den berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft bei einer Eigentumswohnung nur die mit dem Eigentum unmittelbar verbundenen Lasten. Hierzu zählen jedenfalls die Zinsen für ein Immobiliendarlehen und das Wohngeld (BSG, Urteil vom 18.6.2008, Az.: B 14/11b AS 67/06 R).

Die Aufwendungen zu den Kosten der Unterkunft meinen die (Geld-)Aufwendungen, die der Hilfebedürftige in der Bedarfszeit für die Nutzung/Gebrauchsüberlassung einer bestimmten Unterkunft Dritten gegenüber kraft bürgerlichen oder öffentlichen Rechts aufzubringen hat. Die bloße Rechtspflicht zur Zahlung von Aufwendungen reicht aus (Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rn. 14).

Es handelt sich bei dem zwischen der Klägerin und ihren Eltern geschlossenen Darlehensrückzahlungsvertrag um eine zivilrechtlich wirksame Vereinbarung. Dabei sind Kriterien des Fremdvergleichs heranzuziehen (BSG, Urteil vom 17.6.2010, Az.: B 14 AS 46/09 R).


Anmerkung vom Sozialberater Willi 2:

Die vorliegend umstrittenen Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, das insofern vom 1.1.2005 bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde). Der Begriff der Angemessenheit unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (ständige Rechtsprechung vgl nur BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19 (München), jeweils RdNr 12 mwN).

Zwischen der Leistung für die Unterkunft und der Leistung für die Heizung ist zu unterscheiden, wie schon im Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Plurals Leistungen sowie der Rechtsprechung des BSG zu entnehmen ist (BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; zuletzt BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 (Berlin) RdNr 18).

Gemeint sind die Geldaufwendungen, die der Hilfebedürftige in der Bedarfszeit für die Nutzung/Gebrauchsüberlassung einer bestimmten Unterkunft Dritten gegenüber nach dem bürgerlichen Recht aufzubringen hat. Übernahmefähig sind die tatsächlichen Mietkosten, deren Höhe sich i.d.R. aus dem schriftlichen Mietvertrag ergibt.

Auf die Rechtmäßigkeit des Mietverhältnisses kommt es für § 22 SGB II nicht an. An die Stelle von Mietzinszahlungen können auch Nutzungsentschädigungen oder sonstige die Unterkunft sichernde Zahlungen treten. Entscheidend ist allein, dass Aufwendungen für Unterkunft und Heizung tatsächlich entstanden und Zahlungen erfolgt sind (BSG, Urteil vom 20.08.2009 - B 14 AS 34/08 R Rn. 16; Landessozialgericht NRW, Beschluss vom 30.08.3020 - L 12 AS 1098/10 B ER; Bayrisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.06.2006 - L 11 SO 8/06 Rn. 23; Sozialgericht Lüneburg, Urteil vom 17.09.2009 - S 22 SO 50/09 Rn. 37 f. ; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rn. 15c, 16). Eine Rechtspflicht zur Zahlung von Aufwendungen ist notwendig (Berlit in LPK-SGB II, 3. Auflage 2009 § 22 Rn. 14).


BSG, Urteil vom 17.6.2010, - B 14 AS 46/09 R -, RdNr. 21

Um der Gefahr eines Missbrauchs von Steuermitteln entgegenzuwirken, ist es allerdings geboten, an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrages unter Verwandten strenge Anforderungen zu stellen. Dies setzt voraus, dass sich die Darlehensgewährung auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abgrenzen lässt. Weil und soweit der für den Hilfebedürftigen günstige Umstand, dass ein nachgewiesener Zufluss gleichwohl als Einkommen nicht zu berücksichtigen ist, seine Sphäre betrifft, obliegen ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen Mitwirkungspflichten; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu seinen Lasten.Bei der vorzunehmenden Prüfung, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist, können einzelne Kriterien des sog Fremdvergleichs (vgl dazu im Einzelnen nur BFHE 165, 53) herangezogen und bei der abschließenden, umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles mit eingestellt werden (vgl schon BSGE 96, 238 = SozR 4-4220 § 6 Nr 4 für eine behauptete Abtretung und BSG Urteil vom 24.5.2006 - B 11a AL 49/05 R für eine verdeckte Treuhandabrede).


Dies scheidet bei der Beurteilung von Hilfebedürftigkeit nach §§ 9, 11 SGB II - anders als bei der Prüfung berücksichtigungsfähiger Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 SGB II aus Mietverhältnissen unter Verwandten (dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 15 RdNr 27 und Urteil des Senats vom 7.5.2009 - B 14 AS 31/07 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, juris RdNr 20) - nicht schon aufgrund struktureller Unterschiede zum Steuerrecht aus, denn auch im Steuerrecht geht es bei der Beurteilung von Darlehensverträgen unter Familienangehörigen im Kern um die Abgrenzung zu Schenkung bzw verdeckter Unterhaltsgewährung.

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 06.06.2011, - L 1 AS 4393/10 - Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden(BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R-; Rdnr. 4). Eine erneute Berücksichtigung scheidet auch dann aus, wenn eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt und Einkommen eines nichtbedürftigen Mitglieds einem bedürftigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird. https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144213&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive = Anmerkung: 1. Vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ist ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II als Pauschbetrag abzusetzen (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V ). Diese Pauschale in Höhe von 30 Euro ist