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Keine darlehnsweise Übernahme von Stromschulden nach § 22 Abs. 8 SGB II , da missbräuchliches und sozialwidriges Verhalten der Eltern - nach Gassperre wurde Haus mit Strom beheizt - Kinder "haften" für Verhalten ihrer Eltern.

So entschieden vom Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern 8. Senat, Beschluss vom 29.09.2011, L 8 B 509/09 ER .

Zitat:  Bei den Antragstellern war insgesamt nicht der Wille zu erkennen, die seit Ende 2008 drohende Stromsperre abzuwenden und die zu diesem Zeitpunkt noch relativ geringen Rückstände gegenüber der WEMAG AG in Höhe von 270,55 € auszugleichen.

Ganz im Gegenteil waren die Antragsteller offenkundig nicht imstande, mit den ihnen von dem Antragsgegner gewährten Leistungen zuzüglich Kindergeld angemessen zu wirtschaften und zur Beschreitung ihres Lebensunterhalts einzusetzen. Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls, der durch ein sozialwidriges Fehlverhalten der Antragsteller gekennzeichnet ist, haben dagegen die Interessen der drei minderjährigen Kinder der Antragsteller zurückzustehen.

Denn die Beheizung der damaligen Wohnung in C. war von der Stromsperre nicht betroffen.

Den Antragstellern und ihren Kindern wäre es übergangsweise zuzumuten gewesen, auf die Nutzung eines Kühlschranks zur Kühlung von Lebensmitteln, die Zubereitung von warmen Speisen mittels Elektroherd, die Nutzung einer Waschmaschine sowie auf elektrisches Licht zu verzichten.

Von daher ist die Ermessensentscheidung des Antragsgegners nicht zu beanstanden, da die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Interessen der drei minderjährigen Kinder gegeneinander abgewogen wurden.

http://www.landesrecht-mv.de/jportal/portal/page/bsmvprod.psml?doc.id=JURE110019201&st=ent&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint

Anmerkung: Ganz anderer Aufassung Sozialgericht Hildesheim, Beschluss vom 04.09.2009, Az.: S 43 AS 1610/09 ER.

Nach Ansicht des Sozialgerichts Hildesheim, Beschluss vom 04.09.2009, Az.: S 43 AS 1610/09 ER, besteht für einen Träger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende eine Verpflichtung zur Übernahme von Stromkostenschulden, wenn im Haushalt des Leistungsempfängers Kleinkinder wohnen.

Dies gilt selbst dann, wenn ein missbräuchliches Verhalten des Empfängers der Leistungen bezüglich des Entstehens der Schulden vorliegt.

Zitat: ""Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II a. F. ergibt sich hier allein aus dem Umstand, dass von der Stromeinstellung am 2. September 2009 auch das im Haushalt der Antragstellerin lebende dreijährige Kind betroffen und dessen Versorgung akut gefährdet ist. Nach Auffassung des Gerichts ist keine andere Entscheidung mit den grundrechtlichen Belangen des Kindes der Antragstellerin vereinbar (Ermessensreduzierung auf Null), auch wenn ein missbräuchliches Verhalten seiner Mutter vorliegen sollte (vgl. zur Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II bei betroffenen minderjährigen Kindern: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Dezember 2008, Az.: L 7 B 384/08 AS ; SG Karlsruhe, Beschluss vom 3. März 2008, Az.: S 14 AS 879/08 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Dezember 2007, Az.: L 28 B 2169/07 AS ER).

Der Entscheidung des LSG Mecklenburg- Vorpommern folgend: 1.Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Beschluss vom 27.12.2010 , - L 3 AS 557/10 B ER -

Übernahme von Stromkosten als Darlehen

1. Der Leistungsträger ist nicht zur Übernahme von Stromkosten als Darlehen verpflichtet, wenn sich der Antragsteller sozialwidrig verhält.

2. Dies gilt auch, wenn im Haushalt minderjährige Kinder leben.

3. Erschwernisse, die sich dadurch ergeben, dass eine Wasch- und ggf. Spülmaschine nicht benutzt werden kann, sind bei der selbst herbeigeführten Notsituation hinzunehmen.


2. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.01.2010, - L 29 AS 2052/09 B ER -

Eine Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II a. F.  ist dann nicht gerechtfertigt, wenn durch die Schuldenübernahme der Verlust der Wohnung nicht abgewendet werden kann, ein Rechtssatz, dass bei Vorhandensein minderjähriger Kinder Schulden nach § 22 Abs. 5 S. 1 SGB II immer zu übernehmen sind, existiert nicht.

Der Meinung des LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Dezember 2008, Az.: L 7 B 384/08 AS ; SG Karlsruhe, Beschluss vom 3. März 2008, Az.: S 14 AS 879/08 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Dezember 2007, Az.: L 28 B 2169/07 AS ER

 folgend und zum Widerspruch zu der Entscheidung des 29. Senat des LSG BRB v. 18.01.2010, - L 29 AS 2052/09 B ER -

§ 22 Abs. 5 S. 1 SGB II a. F. eröffnet dem Leistungsträger nach dem SGB II eine Ermessensentscheidung, indem sie ihn berechtigt, auch Schulden übernehmen zu können, denn bei einer Ermessensentscheidung sind grundsätzlich sämtliche Umstände des Einzelfalles und damit auch minderjährige Kinder zu berücksichtigen.

Eine drohende Wohnungslosigkeit fällt umso schwerer ins Gewicht, als davon auch besonders schutzbedürftige minderjährige Kinder betroffen sind (LSG Berlin, L 26 B 2307/07 AS ER, Beschluss vom vom 14.01.2008).

Die Leser können gerne diesen Beitrag kommentieren und ihre Erfahrungen dazu abgeben.

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles .

Kommentare

  1. Offensichtlich geht das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern von einer Legitimierung der "Sippenhaft" aus, wenn die Kinder zur Haftung gezwungen werden.

    "Sozialwidriges Verhalten" könnte man aber auch den Richtern unterstellen, wenn sie die Entscheidung des Verfassungsgerichts unterlaufen und die Gutachten zu den Energiekosten unberücksichtigt lassen.

    "Die Nichtversorgung mit Energie stellt eine der Obdachlosigkeit vergleichbare Notlage dar."
    (Sozialgericht Köln, 15.11.2005)

    Dazu aus einer eine Entscheidung des LSG NRW:

    (1. Instanz: SG Dortmund - S 10 AS 250/09 ER)
    LSG NRW - L 19 B 345/09 AS ER


    " Aus der Sicht als Berichterstatter überwöge im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes das Interesse des Antragstellers an einer bewohnbaren und mit Energie versorgten Wohnung die Gefahr eines Zinsnachteiles der öffentlichen Hand bei zu Unrecht erfolgter Darlehensvergabe."

    mehr dazu:
    http://www.beispielklagen.de/klage006.html

    AntwortenLöschen
  2. Seit wann ist ein HB verpflichtet eine Gasheizung mit begrenzter Nutzungsdauer im Leistunegbezug aufzubrauchen?

    Seit wann ist ein HB verpflichtet mit Gas zu heizen?

    Wurden also angemessene KDU ermittelt und bezahlt, zu denen auch ausreichende Heizkosten zählen?

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