Bei Erstattungsansprüchen nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III findet § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF (jetzt § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II) keine Anwendung.
So urteilte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 28.09.2011, - L 18 AS 2132/10 -.
§ 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III ist eine gegenüber § 50 SGB X eigenständige Erstattungsvorschrift (vgl BSG, Urteil vom 15. August 2002 – B 7 AL 24/01 R -juris), sodass § 50 SGB X keine Anwendung finden kann. Insbesondere scheidet auch ein unmittelbarer oder mittelbarer Rückgriff auf § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB II aus. Eine analoge Anwendung des § 50 Abs. 2 SGB II auf die Rückforderung von Leistungen, die aufgrund einer vorläufigen Bewilligungsentscheidung erbracht worden waren, hatte das BSG zwar noch mit Urteil vom 16. Juni 1999 ( – B 9 V 4/99 R- juris) wegen einer (damals) bestehenden Regelungslücke bejaht.
Da für eine analoge Anwendung des § 50 Abs. 2 SGB X aufgrund der hier einschlägigen Vorschrift des § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III aber kein Raum ist, kann mangels Anwendbarkeit des § 50 SGB X vorliegend auch die Vorschrift des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF, die nach ihrem eindeutigen Wortlaut (nur) auf § 50 SGB X Bezug nimmt, nicht in unmittelbarer Anwendung zwecks Begrenzung einer auf § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III beruhenden Erstattungspflicht herangezogen werden.
§ 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF ist nicht entsprechend anzuwenden. Eine planwidrige Regelungslücke (im Sinne einer Unvollständigkeit des Gesetzes), die nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen durch eine analoge Anwendung einer anderen Rechtsnorm zu schließen wäre (vgl BSG SozR 4-5870 § 1 Nr. 2 mwN), liegt nicht vor. Es spricht angesichts des Umstandes, dass der Gesetzgeber des SGB II in § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II aF die Vorschrift des § 328 SGB III für entsprechend anwendbar erklärt hat, nichts dafür, dass er im folgenden Absatz bei der von ihm getroffenen Regelung des partiellen Ausschlusses eines Erstattungsanspruchs nach § 50 SGB X versehentlich den Erstattungsanspruch nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III nicht in diese Regelung mit aufgenommen hat. § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF ist gemessen an seinem Zweck auch nicht ergänzungsbedürftig. Es trifft zwar durchaus zu, dass der von einer Rückforderung nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III betroffene
Leistungsempfänger in einer ähnlichen "schutzbedürftigen" Lage ist wie der nach § 50 SGB X in Anspruch genommene redliche Leistungs- und potentielle Wohngeldempfänger im Falle der Aufhebung einer endgültigen Leistungsbewilligung. Eine entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF wäre jedoch nur dann in Betracht zu ziehen, wenn der von der Rückforderung nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II aF iVm § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III betroffene Empfänger einer vorläufigen Leistung den eine Reduzierung der Erstattungsforderung indizierenden "Wohngeldaspekt" nicht ohne eine entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF zumutbar zur Geltung bringen könnte.
Eine derartige "Schutzlücke" besteht aber schon deshalb nicht, weil der von einer endgültigen Ablehnung eines SGB II-Leistungsantrags nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III betroffene Begünstigte einer vorläufigen Leistungsbewilligung nachträglich Wohngeld beantragen kann.
Eine die entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II rechtfertigende Lücke liegt auch dann nicht vor, wenn unterstellt wird, dass eine nachträgliche Wohngeldbewilligung ausgeschlossen ist bzw davon ausgegangen wird, dass auf einen nachträglichen Wohngeldantrag im Einzelfall ein geringerer Betrag als Wohngeld zu bewilligen wäre, als es dem - am durchschnittlichen Subventionssatz des wohngeldrechtlichen Mietzuschusses orientierten - Kürzungsbetrag nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II entspricht.
Denn dem von einer Rückforderung nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III betroffenen Leistungsempfänger verbleibt subsidiär die Möglichkeit, die Erstattungsforderung durch Stellung eines Erlassantrages nach § 44 SGB II ganz oder teilweise zu Fall zu bringen (vgl SG Berlin, Urteil vom 26. November 2010 – S 37 AS 12517/10 -, juris).
Nach dieser Vorschrift dürfen die Leistungsträger Ansprüche erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Unbilligkeit aus persönlichen Gründen kann insbesondere angenommen werden, wenn die Forderungseinziehung beim Schuldner erneute Bedürftigkeit hervorrufen oder deren Überwindung gefährden würde bzw wenn bei Nichtzahlung der zu erstattenden Leistung ein Anspruch auf Sozialhilfe bestanden hätte und diese nachträglich nicht gezahlt würde (vgl Eicher, in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 44 Rn 14, vgl ferner Schmidt-De Caluwe, in NK, SGB III, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 58 zur Ermessensreduzierung auf Null bei der Anwendung der mit § 44 SGB II vergleichbaren Erlassvorschrift des § 76 Abs. 2 SGB IV auf arbeitsförderungsrechtliche Erstattungsansprüche nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III).
Eine derartige Unbilligkeit kann auch dann anzunehmen sein, wenn bei Nichtzahlung der "vorläufigen SGB II-Leistung" ein Anspruch auf Wohngeld bestanden hätte und dieses nachträglich nicht mehr gezahlt werden kann bzw in der Höhe nicht den Kürzungsbetrag nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF erreicht.
Schließlich verstößt die unterschiedliche gesetzestechnische Behandlung von Erstattungsansprüchen nach § 50 SGB X einerseits und von Erstattungsansprüchen nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB II andererseits nicht gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).
Die Revision ist zuzulassen, weil der Sache im Hinblick auf die entscheidungserhebliche Frage der analogen Anwendung des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF (jetzt § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II) grundsätzliche Bedeutung iSv § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zukommt.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145808&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung: § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF (jetzt § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II)
Nach dieser Vorschrift seien abweichend von § 50 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) 56 vH der bei Leistungen nach § 19 Satz 1 und 3 sowie § 28 SGB II berücksichtigten Kosten für Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für Heizung und Warmwasser, nicht zu erstatten.
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/__40.html
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles .
§ 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III ist eine gegenüber § 50 SGB X eigenständige Erstattungsvorschrift (vgl BSG, Urteil vom 15. August 2002 – B 7 AL 24/01 R -juris), sodass § 50 SGB X keine Anwendung finden kann. Insbesondere scheidet auch ein unmittelbarer oder mittelbarer Rückgriff auf § 50 Abs. 2 Satz 1 SGB II aus. Eine analoge Anwendung des § 50 Abs. 2 SGB II auf die Rückforderung von Leistungen, die aufgrund einer vorläufigen Bewilligungsentscheidung erbracht worden waren, hatte das BSG zwar noch mit Urteil vom 16. Juni 1999 ( – B 9 V 4/99 R- juris) wegen einer (damals) bestehenden Regelungslücke bejaht.
Da für eine analoge Anwendung des § 50 Abs. 2 SGB X aufgrund der hier einschlägigen Vorschrift des § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III aber kein Raum ist, kann mangels Anwendbarkeit des § 50 SGB X vorliegend auch die Vorschrift des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF, die nach ihrem eindeutigen Wortlaut (nur) auf § 50 SGB X Bezug nimmt, nicht in unmittelbarer Anwendung zwecks Begrenzung einer auf § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III beruhenden Erstattungspflicht herangezogen werden.
§ 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF ist nicht entsprechend anzuwenden. Eine planwidrige Regelungslücke (im Sinne einer Unvollständigkeit des Gesetzes), die nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen durch eine analoge Anwendung einer anderen Rechtsnorm zu schließen wäre (vgl BSG SozR 4-5870 § 1 Nr. 2 mwN), liegt nicht vor. Es spricht angesichts des Umstandes, dass der Gesetzgeber des SGB II in § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II aF die Vorschrift des § 328 SGB III für entsprechend anwendbar erklärt hat, nichts dafür, dass er im folgenden Absatz bei der von ihm getroffenen Regelung des partiellen Ausschlusses eines Erstattungsanspruchs nach § 50 SGB X versehentlich den Erstattungsanspruch nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III nicht in diese Regelung mit aufgenommen hat. § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF ist gemessen an seinem Zweck auch nicht ergänzungsbedürftig. Es trifft zwar durchaus zu, dass der von einer Rückforderung nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III betroffene
Leistungsempfänger in einer ähnlichen "schutzbedürftigen" Lage ist wie der nach § 50 SGB X in Anspruch genommene redliche Leistungs- und potentielle Wohngeldempfänger im Falle der Aufhebung einer endgültigen Leistungsbewilligung. Eine entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF wäre jedoch nur dann in Betracht zu ziehen, wenn der von der Rückforderung nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II aF iVm § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III betroffene Empfänger einer vorläufigen Leistung den eine Reduzierung der Erstattungsforderung indizierenden "Wohngeldaspekt" nicht ohne eine entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF zumutbar zur Geltung bringen könnte.
Eine derartige "Schutzlücke" besteht aber schon deshalb nicht, weil der von einer endgültigen Ablehnung eines SGB II-Leistungsantrags nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III betroffene Begünstigte einer vorläufigen Leistungsbewilligung nachträglich Wohngeld beantragen kann.
Eine die entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II rechtfertigende Lücke liegt auch dann nicht vor, wenn unterstellt wird, dass eine nachträgliche Wohngeldbewilligung ausgeschlossen ist bzw davon ausgegangen wird, dass auf einen nachträglichen Wohngeldantrag im Einzelfall ein geringerer Betrag als Wohngeld zu bewilligen wäre, als es dem - am durchschnittlichen Subventionssatz des wohngeldrechtlichen Mietzuschusses orientierten - Kürzungsbetrag nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II entspricht.
Denn dem von einer Rückforderung nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III betroffenen Leistungsempfänger verbleibt subsidiär die Möglichkeit, die Erstattungsforderung durch Stellung eines Erlassantrages nach § 44 SGB II ganz oder teilweise zu Fall zu bringen (vgl SG Berlin, Urteil vom 26. November 2010 – S 37 AS 12517/10 -, juris).
Nach dieser Vorschrift dürfen die Leistungsträger Ansprüche erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Unbilligkeit aus persönlichen Gründen kann insbesondere angenommen werden, wenn die Forderungseinziehung beim Schuldner erneute Bedürftigkeit hervorrufen oder deren Überwindung gefährden würde bzw wenn bei Nichtzahlung der zu erstattenden Leistung ein Anspruch auf Sozialhilfe bestanden hätte und diese nachträglich nicht gezahlt würde (vgl Eicher, in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 44 Rn 14, vgl ferner Schmidt-De Caluwe, in NK, SGB III, 3. Aufl. 2008, § 328 Rn. 58 zur Ermessensreduzierung auf Null bei der Anwendung der mit § 44 SGB II vergleichbaren Erlassvorschrift des § 76 Abs. 2 SGB IV auf arbeitsförderungsrechtliche Erstattungsansprüche nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III).
Eine derartige Unbilligkeit kann auch dann anzunehmen sein, wenn bei Nichtzahlung der "vorläufigen SGB II-Leistung" ein Anspruch auf Wohngeld bestanden hätte und dieses nachträglich nicht mehr gezahlt werden kann bzw in der Höhe nicht den Kürzungsbetrag nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF erreicht.
Schließlich verstößt die unterschiedliche gesetzestechnische Behandlung von Erstattungsansprüchen nach § 50 SGB X einerseits und von Erstattungsansprüchen nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB II andererseits nicht gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).
Die Revision ist zuzulassen, weil der Sache im Hinblick auf die entscheidungserhebliche Frage der analogen Anwendung des § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF (jetzt § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II) grundsätzliche Bedeutung iSv § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zukommt.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=145808&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Anmerkung: § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II aF (jetzt § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II)
Nach dieser Vorschrift seien abweichend von § 50 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) 56 vH der bei Leistungen nach § 19 Satz 1 und 3 sowie § 28 SGB II berücksichtigten Kosten für Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für Heizung und Warmwasser, nicht zu erstatten.
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/__40.html
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles .
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