Hartz IV - Familie muss kein ALG II zurück zahlen,wenn ein Amtsverschulden vorliegt, sie kann sich auf Vertrauensschutz berufen.
So urteilte das Landessozialgericht Hamburg mit Urteil vom 08.09.2011, - L 5 AS 50/08 -
Aufhebungsbescheid ist rechtswidrig, denn der minderjährige Kläger bzw. seine gesetzlichen Vertreter haben auf den Bestand der Bewilligung vertraut; ihr Vertrauen ist nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X auch schutzwürdig, da sie die erbrachten Leistungen ganz offenbar verbraucht haben. Insoweit ist die Aufhebung nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X unzulässig.
Ein Ausschluss des Vertrauensschutzes nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X kommt aus den vom Sozialgericht angeführten Gründen nicht in Betracht.
Denn dass die Eltern des Klägers, auf die hier als seine gesetzlichen Vertreter abzustellen ist, die Rechtswidrigkeit der Bewilligung infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannten, kann nicht angenommen werden.
Grobe Fahrlässigkeit liegt nach dem Gesetz nur vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde. Das Gesetz trägt damit dem Umstand Rechnung, dass in dieser Fallgruppe die Angaben des Betroffenen zutreffend waren und die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Bescheides mithin auf Amtsverschulden beruht.
Eine Verlagerung des Risikos unrichtiger Bescheidung auf den Begünstigten erscheint nur dann als verhältnismäßig, wenn er einfachste und naheliegende Überlegungen außer Acht lässt, also an seinem individuellen Verständnishorizont gemessen augenfällige Fehler übersieht (zu allem Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45 Rn. 54 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung von BSG und BVerwG).
Dabei trifft den Begünstigten, der zutreffende Angaben macht, keine Verpflichtung, Bewilligungsbescheide des Näheren auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Allerdings sind die Beteiligten im Sozialrechtsverhältnis verpflichtet, sich gegenseitig vor Schaden zu bewahren. Diesem Grundsatz entspricht es, dass der Begünstigte gehalten ist, den Bescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (BSG, Urt. v. 2.2.2001 – B 11 AL 21/00 R).
Anmerkung : Ein Ausschluss des Vertrauensschutzes nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X kommt aus den vom Sozialgericht angeführten Gründen nicht in Betracht.
Zitat: So könne dem Vater des Klägers nicht vorgeworfen werden, dass er sich um die Leistungsangelegenheiten im Sinne einer Aufgabenteilung unter den Eheleuten nicht selbst kümmere. Auch die Mutter des Klägers habe aber nicht grob fahrlässig übersehen, dass das Kindergeld nicht angerechnet worden sei. Dieser Fehler sei zunächst nicht augenfällig gewesen, weil er der Bewilligungssumme erkennbar angehaftet habe.
Denn das Kindergeld sei von Anfang an nicht in die Berechnungen eingeflossen, so dass die Leistungen von Anfang an in falscher Höhe ausgewiesen worden seien. Doch auch aus den Berechnungen der Leistungshöhe habe die Mutter des Klägers den Fehler nicht aufgrund einfachster Überlegungen erkennen müssen.
Die zahlreichen Tabellen in den Bescheiden hätten unterschiedliche Angaben zum Einkommen aus Kindergeld ausgewiesen; eine Obliegenheit zur eingehenden Überprüfung würde eine dem Grundgedanken des § 45 SGB X widersprechende Überwälzung des Risikos eines Amtsverschuldens auf den Leistungsempfänger bedeuten.
Im Übrigen wäre es aufgrund der eigenen korrekten Angaben durchaus naheliegend gewesen, selbst bei Entdecken des Fehlers anzunehmen, dass das Kindergeld an irgendeiner anderen Stelle des Bescheides berücksichtigt worden sei, oder gar, dass nach einer entsprechenden Regelung das Kindergeld nicht bei allen Kindern anzurechnen sei."
Auch der Mutter des Klägers kann grobe Fahrlässigkeit nicht vorgeworfen werden.
Richtig hat das Sozialgericht hervorgehoben, dass sich aus dem Verfügungsteil der Bescheide die Rechtswidrigkeit der Bewilligung nicht erkennen ließ.
Das könnte etwa der Fall sein, wenn der bewilligte Betrag deutlich von dem des Vormonats abweicht, ohne dass sich im Sachverhalt Änderungen ergeben hätten. Das gäbe dem Betroffenen Anlass, bei der Behörde nachzufragen, und würde ihm den Vorwurf grober Fahrlässigkeit eintragen, wenn er dies unterließe.
Hier jedoch war der Fehler von vornherein in den Bewilligungsbescheiden enthalten war und änderte sich die Bewilligungssumme nicht etwa nachträglich.
Auch aus dem Begründungsteil der Bescheide, der insbesondere aus den jeweiligen Berechnungsbögen besteht, war der Fehler bei dem geforderten, aber auch ausreichenden bloßen Durchlesen und Kenntnisnehmen indes nicht im Sinne grober Fahrlässigkeit erkennbar. Der Begründungsteil der Bescheide war vielmehr derartig umfangreich und mit einer so großen Vielzahl von Zahlenangaben versehen, dass eine Augenfälligkeit des Fehlers für die Eltern des Klägers schon deshalb ausscheidet.
Auch wenn das Kindergeld für den Kläger mit "0,00 EUR" ausdrücklich und fehlerhaft ausgeworfen wurde, springt dies doch dem Leser, der nicht gezielt diese Einzelangabe suchen und überprüfen will, unter den vielen weiteren Angaben und Zahlen nicht gleichsam ins Auge. Selbst bei näherer Durchsicht der Bescheide – die nicht rechtlich gefordert ist –, wie sie die Mutter des Klägers ihren Angaben zufolge vorgenommen hat, sprang der Fehler nicht ins Auge.
Der Aufbau der Bescheide ist aufgrund der Komplexität der gesetzlichen Maßgaben ohnehin nur schwerlich nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass die Berechnungen für den Kläger nicht in einer Reihe mit den übrigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft, sondern aus Platzgründen in einer gesonderten Reihe vorgenommen wurden, so dass nicht mit einem Seitenblick die Unterschiede der die Kinder betreffenden Berechnungen hätten erkannt werden können.
Anmerkung: Rückforderungsbescheid von ALG II rechtswidrig, denn Hilfebedürftige(HB) kann sich auf Vertrauensschutz berufen, wenn der Lebensgefährte im Erstantrag auf ALG II nicht auf den Studentenstatus der Klägerin hingewiesen hat.
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/09/ruckforderungsbescheid-von-alg-ii.html
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.
Aufhebungsbescheid ist rechtswidrig, denn der minderjährige Kläger bzw. seine gesetzlichen Vertreter haben auf den Bestand der Bewilligung vertraut; ihr Vertrauen ist nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X auch schutzwürdig, da sie die erbrachten Leistungen ganz offenbar verbraucht haben. Insoweit ist die Aufhebung nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X unzulässig.
Ein Ausschluss des Vertrauensschutzes nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X kommt aus den vom Sozialgericht angeführten Gründen nicht in Betracht.
Denn dass die Eltern des Klägers, auf die hier als seine gesetzlichen Vertreter abzustellen ist, die Rechtswidrigkeit der Bewilligung infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannten, kann nicht angenommen werden.
Grobe Fahrlässigkeit liegt nach dem Gesetz nur vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde. Das Gesetz trägt damit dem Umstand Rechnung, dass in dieser Fallgruppe die Angaben des Betroffenen zutreffend waren und die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Bescheides mithin auf Amtsverschulden beruht.
Eine Verlagerung des Risikos unrichtiger Bescheidung auf den Begünstigten erscheint nur dann als verhältnismäßig, wenn er einfachste und naheliegende Überlegungen außer Acht lässt, also an seinem individuellen Verständnishorizont gemessen augenfällige Fehler übersieht (zu allem Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45 Rn. 54 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung von BSG und BVerwG).
Dabei trifft den Begünstigten, der zutreffende Angaben macht, keine Verpflichtung, Bewilligungsbescheide des Näheren auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Allerdings sind die Beteiligten im Sozialrechtsverhältnis verpflichtet, sich gegenseitig vor Schaden zu bewahren. Diesem Grundsatz entspricht es, dass der Begünstigte gehalten ist, den Bescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (BSG, Urt. v. 2.2.2001 – B 11 AL 21/00 R).
Anmerkung : Ein Ausschluss des Vertrauensschutzes nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X kommt aus den vom Sozialgericht angeführten Gründen nicht in Betracht.
Zitat: So könne dem Vater des Klägers nicht vorgeworfen werden, dass er sich um die Leistungsangelegenheiten im Sinne einer Aufgabenteilung unter den Eheleuten nicht selbst kümmere. Auch die Mutter des Klägers habe aber nicht grob fahrlässig übersehen, dass das Kindergeld nicht angerechnet worden sei. Dieser Fehler sei zunächst nicht augenfällig gewesen, weil er der Bewilligungssumme erkennbar angehaftet habe.
Denn das Kindergeld sei von Anfang an nicht in die Berechnungen eingeflossen, so dass die Leistungen von Anfang an in falscher Höhe ausgewiesen worden seien. Doch auch aus den Berechnungen der Leistungshöhe habe die Mutter des Klägers den Fehler nicht aufgrund einfachster Überlegungen erkennen müssen.
Die zahlreichen Tabellen in den Bescheiden hätten unterschiedliche Angaben zum Einkommen aus Kindergeld ausgewiesen; eine Obliegenheit zur eingehenden Überprüfung würde eine dem Grundgedanken des § 45 SGB X widersprechende Überwälzung des Risikos eines Amtsverschuldens auf den Leistungsempfänger bedeuten.
Im Übrigen wäre es aufgrund der eigenen korrekten Angaben durchaus naheliegend gewesen, selbst bei Entdecken des Fehlers anzunehmen, dass das Kindergeld an irgendeiner anderen Stelle des Bescheides berücksichtigt worden sei, oder gar, dass nach einer entsprechenden Regelung das Kindergeld nicht bei allen Kindern anzurechnen sei."
Auch der Mutter des Klägers kann grobe Fahrlässigkeit nicht vorgeworfen werden.
Richtig hat das Sozialgericht hervorgehoben, dass sich aus dem Verfügungsteil der Bescheide die Rechtswidrigkeit der Bewilligung nicht erkennen ließ.
Das könnte etwa der Fall sein, wenn der bewilligte Betrag deutlich von dem des Vormonats abweicht, ohne dass sich im Sachverhalt Änderungen ergeben hätten. Das gäbe dem Betroffenen Anlass, bei der Behörde nachzufragen, und würde ihm den Vorwurf grober Fahrlässigkeit eintragen, wenn er dies unterließe.
Hier jedoch war der Fehler von vornherein in den Bewilligungsbescheiden enthalten war und änderte sich die Bewilligungssumme nicht etwa nachträglich.
Auch aus dem Begründungsteil der Bescheide, der insbesondere aus den jeweiligen Berechnungsbögen besteht, war der Fehler bei dem geforderten, aber auch ausreichenden bloßen Durchlesen und Kenntnisnehmen indes nicht im Sinne grober Fahrlässigkeit erkennbar. Der Begründungsteil der Bescheide war vielmehr derartig umfangreich und mit einer so großen Vielzahl von Zahlenangaben versehen, dass eine Augenfälligkeit des Fehlers für die Eltern des Klägers schon deshalb ausscheidet.
Auch wenn das Kindergeld für den Kläger mit "0,00 EUR" ausdrücklich und fehlerhaft ausgeworfen wurde, springt dies doch dem Leser, der nicht gezielt diese Einzelangabe suchen und überprüfen will, unter den vielen weiteren Angaben und Zahlen nicht gleichsam ins Auge. Selbst bei näherer Durchsicht der Bescheide – die nicht rechtlich gefordert ist –, wie sie die Mutter des Klägers ihren Angaben zufolge vorgenommen hat, sprang der Fehler nicht ins Auge.
Der Aufbau der Bescheide ist aufgrund der Komplexität der gesetzlichen Maßgaben ohnehin nur schwerlich nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass die Berechnungen für den Kläger nicht in einer Reihe mit den übrigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft, sondern aus Platzgründen in einer gesonderten Reihe vorgenommen wurden, so dass nicht mit einem Seitenblick die Unterschiede der die Kinder betreffenden Berechnungen hätten erkannt werden können.
Anmerkung: Rückforderungsbescheid von ALG II rechtswidrig, denn Hilfebedürftige(HB) kann sich auf Vertrauensschutz berufen, wenn der Lebensgefährte im Erstantrag auf ALG II nicht auf den Studentenstatus der Klägerin hingewiesen hat.
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/09/ruckforderungsbescheid-von-alg-ii.html
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.
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