Beschwerdeverfahren ist zulässig, denn das Sozialgericht hat durch seine Entscheidung gegen das in Art 101 Abs 1 S 2 des Grundgesetzes niedergelegte grundrechtsgleiche (BVerfG NJW 2011, 2191/2192) Recht des Einzelnen auf den gesetzlichen Richter verstoßen.
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat mit Beschluss vom 29.08.2011, - L 6 AS 150/11 NZB - festgestellt, dass
Das Vorbringen der Klägerin, der wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Vorsitzende der 25. Kammer habe unzulässig im Urteil über den als unzulässig und vollkommen unbegründet bezeichneten Befangenheitsantrag entschieden, enthält die zutreffende Rüge eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 144 Abs 2 Nr 3 SGG.
Zielder Verfassungsgarantie ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte. Damit soll die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert und gewahrt werden.
Deshalb verpflichtet Art 101 Abs 1 S 2 GG den Gesetzgeber dazu, eine klare und abstrakt-generelle Zuständigkeitsordnung zu schaffen, die für jeden denkbaren Streitfall im Voraus den Richter bezeichnet, der für die Entscheidung zuständig ist. Jede sachwidrige Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit von innen und von außen soll dadurch verhindert werden.
Die Gerichte sind bei der ihnen obliegenden Anwendung der vom Gesetzgeber geschaffenen Zuständigkeitsordnung verpflichtet, dem Gewährleistungsgehalt und der Schutzwirkung des Art 101 Abs 1 S 2 GG angemessen Rechnung zu tragen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat Art 101 Abs 1 S 2 GG darüber hinaus auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt.
Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (BVerfG NJW 2005, 3410/3411 mwN; BVerfG Beschluss vom 20. Juli 2007 - 1 BvR 3084/06 Rdnr 13-15 mwN).
Diesem Ziel dienen die Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung von Richtern, § 60 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 42 ff Zivilprozessordnung (ZPO). Ein Ablehnungsantrag hat grundsätzlich zur Folge, dass der abgelehnte Richter nur unaufschiebbare Prozesshandlungen vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs vornehmen darf, § 60 Abs 1 S 1 SGG iVm § 47 ZPO. Daraus folgt sein grundsätzlicher Ausschluss von der Mitwirkung an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch.
Diese Zuständigkeitsregelung trägt dem Umstand Rechnung, dass es nach der Natur der Sache an einer völligen inneren Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines Richters fehlen wird, wenn er über die gegen ihn gerichteten Ablehnungsgründe, damit über sein eigenes richterliches Verhalten und die Frage selbst entscheiden müsste, ob dieses für eine verständige Partei Anlass sein kann, an seiner persönlichen Unvoreingenommenheit zu zweifeln.
Abweichend von diesem Grundsatz soll der abgelehnte Richter nur in klaren, eindeutigen Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs ausnahmsweise an einer weiteren Mitwirkung, auch an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht gehindert sein und ein aufwändiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren verhindert werden (BVerfG Beschluss vom 20. Juli 2007 aaO Rnr 18; BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 6 Rdnr 9).
Hierzu hat das BVerfG entschieden, dass bei strenger Beachtung der Voraussetzungen des Vorliegens - nur - eines gänzlich untauglichen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchs eine Selbstentscheidung mit der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 S 2 GG nicht in Konflikt gerät, weil die Prüfung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraussetzt und deshalb keine Entscheidung in eigener Sache ist (BVerfG NJW 2005, 3410/3412).
Hiernach ist aber eine enge Auslegung der Voraussetzungen geboten. Ein vereinfachtes Ablehnungsverfahren soll nur echte Formalentscheidungen ermöglichen und einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern. Die völlige Ungeeignetheit eines Ablehnungsgesuchs ist in diesem Sinne anzunehmen, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist.
Ist hingegen eine - wenn auch nur geringfügige - Befassung mit dem Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet eine Ablehnung als unzulässig aus. Eine gleichwohl erfolgende Ablehnung des Befangenheitsgesuchs ist dann willkürlich. Über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum Richter in eigener Sache machen.
Diese Voraussetzungen für eine Selbstentscheidung des abgelehnten Richters über den ihn betreffenden Befangenheitsantrag sind verfassungsrechtlich durch Art 101 Abs 1 S 2 GG vorgegeben (BVerfG Beschluss vom 20. Juli 2007 aaO Rdnr 19 mwN aus der Rechtsprechung).
Um einen sonst vorliegenden Verstoß gegen Art 101 Abs 1 S 1 GG zu vermeiden, darf ein derart vereinfachtes Ablehnungsverfahren demgegenüber nicht einmal auf Situationen der Prüfung "offensichtlicher Unbegründetheit" des Ablehnungsgesuchs erstreckt werden (BSG aaO RdNr 11).
Gegen diese Grundsätze verstößt das angefochtene Urteil. Dieses ist nicht durch den gesetzlichen Richter ergangen. Das SG hätte offensichtlich das Urteil nicht sprechen dürfen, ohne dass zuvor über das Ablehnungsgesuch das dafür zuständige, § 60 Abs 1 S 2 SGG, LSG entschieden hatte.
Denn offenkundig war mit dem Urteil nicht etwa über eine Handlung zu entscheiden, die keinen Aufschub gestattet, §§ 60 Abs 1 S 1 SGG iVm § 47 ZPO.
Vielmehr hat sich der abgelehnte Richter in dem Urteil ausführlich mit dem Vorbringen der Klägerin zur Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit befasst und nach dieser ausführlichen Prüfung, die sein eigenes Verhalten zum Gegenstand hatte, den Antrag als offenbar rechtsmissbräuchlich gewürdigt.
Anmerkung: Gemäß § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen(vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss vom 29.06.2011, - L 6 SF 22/11 AB - ).
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/08/gema-60-abs-1-sgg-ivm-42-abs-2-zpo.html
Das Vorbringen der Klägerin, der wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Vorsitzende der 25. Kammer habe unzulässig im Urteil über den als unzulässig und vollkommen unbegründet bezeichneten Befangenheitsantrag entschieden, enthält die zutreffende Rüge eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 144 Abs 2 Nr 3 SGG.
Zielder Verfassungsgarantie ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte. Damit soll die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert und gewahrt werden.
Deshalb verpflichtet Art 101 Abs 1 S 2 GG den Gesetzgeber dazu, eine klare und abstrakt-generelle Zuständigkeitsordnung zu schaffen, die für jeden denkbaren Streitfall im Voraus den Richter bezeichnet, der für die Entscheidung zuständig ist. Jede sachwidrige Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit von innen und von außen soll dadurch verhindert werden.
Die Gerichte sind bei der ihnen obliegenden Anwendung der vom Gesetzgeber geschaffenen Zuständigkeitsordnung verpflichtet, dem Gewährleistungsgehalt und der Schutzwirkung des Art 101 Abs 1 S 2 GG angemessen Rechnung zu tragen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat Art 101 Abs 1 S 2 GG darüber hinaus auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt.
Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (BVerfG NJW 2005, 3410/3411 mwN; BVerfG Beschluss vom 20. Juli 2007 - 1 BvR 3084/06 Rdnr 13-15 mwN).
Diesem Ziel dienen die Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung von Richtern, § 60 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 42 ff Zivilprozessordnung (ZPO). Ein Ablehnungsantrag hat grundsätzlich zur Folge, dass der abgelehnte Richter nur unaufschiebbare Prozesshandlungen vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs vornehmen darf, § 60 Abs 1 S 1 SGG iVm § 47 ZPO. Daraus folgt sein grundsätzlicher Ausschluss von der Mitwirkung an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch.
Diese Zuständigkeitsregelung trägt dem Umstand Rechnung, dass es nach der Natur der Sache an einer völligen inneren Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines Richters fehlen wird, wenn er über die gegen ihn gerichteten Ablehnungsgründe, damit über sein eigenes richterliches Verhalten und die Frage selbst entscheiden müsste, ob dieses für eine verständige Partei Anlass sein kann, an seiner persönlichen Unvoreingenommenheit zu zweifeln.
Abweichend von diesem Grundsatz soll der abgelehnte Richter nur in klaren, eindeutigen Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs ausnahmsweise an einer weiteren Mitwirkung, auch an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht gehindert sein und ein aufwändiges und zeitraubendes Ablehnungsverfahren verhindert werden (BVerfG Beschluss vom 20. Juli 2007 aaO Rnr 18; BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 6 Rdnr 9).
Hierzu hat das BVerfG entschieden, dass bei strenger Beachtung der Voraussetzungen des Vorliegens - nur - eines gänzlich untauglichen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchs eine Selbstentscheidung mit der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 S 2 GG nicht in Konflikt gerät, weil die Prüfung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraussetzt und deshalb keine Entscheidung in eigener Sache ist (BVerfG NJW 2005, 3410/3412).
Hiernach ist aber eine enge Auslegung der Voraussetzungen geboten. Ein vereinfachtes Ablehnungsverfahren soll nur echte Formalentscheidungen ermöglichen und einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern. Die völlige Ungeeignetheit eines Ablehnungsgesuchs ist in diesem Sinne anzunehmen, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist.
Ist hingegen eine - wenn auch nur geringfügige - Befassung mit dem Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet eine Ablehnung als unzulässig aus. Eine gleichwohl erfolgende Ablehnung des Befangenheitsgesuchs ist dann willkürlich. Über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum Richter in eigener Sache machen.
Diese Voraussetzungen für eine Selbstentscheidung des abgelehnten Richters über den ihn betreffenden Befangenheitsantrag sind verfassungsrechtlich durch Art 101 Abs 1 S 2 GG vorgegeben (BVerfG Beschluss vom 20. Juli 2007 aaO Rdnr 19 mwN aus der Rechtsprechung).
Um einen sonst vorliegenden Verstoß gegen Art 101 Abs 1 S 1 GG zu vermeiden, darf ein derart vereinfachtes Ablehnungsverfahren demgegenüber nicht einmal auf Situationen der Prüfung "offensichtlicher Unbegründetheit" des Ablehnungsgesuchs erstreckt werden (BSG aaO RdNr 11).
Gegen diese Grundsätze verstößt das angefochtene Urteil. Dieses ist nicht durch den gesetzlichen Richter ergangen. Das SG hätte offensichtlich das Urteil nicht sprechen dürfen, ohne dass zuvor über das Ablehnungsgesuch das dafür zuständige, § 60 Abs 1 S 2 SGG, LSG entschieden hatte.
Denn offenkundig war mit dem Urteil nicht etwa über eine Handlung zu entscheiden, die keinen Aufschub gestattet, §§ 60 Abs 1 S 1 SGG iVm § 47 ZPO.
Vielmehr hat sich der abgelehnte Richter in dem Urteil ausführlich mit dem Vorbringen der Klägerin zur Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit befasst und nach dieser ausführlichen Prüfung, die sein eigenes Verhalten zum Gegenstand hatte, den Antrag als offenbar rechtsmissbräuchlich gewürdigt.
Anmerkung: Gemäß § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen(vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss vom 29.06.2011, - L 6 SF 22/11 AB - ).
http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/08/gema-60-abs-1-sgg-ivm-42-abs-2-zpo.html
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles .
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