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Hartz IV Empfänger hat Anspruch auf Erstausstattung der Wohnung, auch wenn es sich um eine Ersatzbeschaffung schon früher vorhandener Gegenstände handelt.

An paranoider Schizophrenie erkrankte Leistungsbezieherin kann Anspruch auf Erstausstattung der Wohnung haben, denn aufgrund gesundheitlicher und psychischer Probleme hat eine außergewöhnliche Situation bestanden, die zum unverschuldeten Untergang ihrer Wohnungs- und Haushaltsgegenstände geführt hat.

So urteilte mit Beschluss vom 19.09.2011 das LSG NRW, AZ. -  L 19 AS 12/11 B - .

 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II a. F. (jetzt § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB II)


Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II a. F. bzw. nach dem gleichlautenden § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB II sind Leistungen für Erstausstattung für die Wohnung einschließlich der Haushaltsgeräte nicht von der Regeleistung umfasst. Dabei handelt es sich nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei dem Anspruch auf Erstausstattung um eine bedarfsbezogene Leistung (vgl. BSG Urteil vom 19.08.2010 - B 14 AS 36/09, Rn 16).

Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II a. F. sind für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen.

Für die Auslegung des Begriffs der Erstausstattung ist entscheidend, ob ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist.

Allein die Tatsache, dass es sich unter Zugrundelegung des substantiierten Vortrags der Klägerin bei dem Klagebegehren nicht um eine erstmalige Ausstattung einer Wohnung überhaupt, sondern um eine Ersatzbeschaffung schon früher vorhandener Gegenstände handelt, schließt den Anspruch nicht schon aus (vgl. BSG Urteile vom 19.08.2010 - B 14 AS 36/09 , Rn 16 und vom 01.07.2009 - B 4 AS 77/08 R , Rn 15f).


Denn ein Bedarf i.S.v. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F. kann auch durch einen Gesamtverlust einer vorhandenen Wohnungsausstattung, z.B. durch einen Wohnungsbrand, oder durch die Entstehung eines neuen Bedarfs aufgrund außergewöhnlicher Umstände, wie z.B. bei einer Entlassung aus der Haft, Trennung vom Ehepartner (BSG Urteil vom 19.09.2008 - B 14 AS 64/07 R , juris Rn 16), längerfristige Wohnungsaufgabe wegen Alkoholerkrankung (vgl. BSG Urteil vom 19.08.2010 - B 14 AS 36/09 , Rn 16), entstehen (vgl. BT-Drs. 15/1514 S. 60).


In diesen Fällen wird auch eine Ersatzbeschaffung von Ausstattungsgegenständen vom Begriff der sog. "Erstausstattung" mit umfasst.

Davon wird auch die längerfristige, zukunftsoffene Aufgabe einer Wohnung verbunden mit dem Gesamtverlust der Ausstattungsgegenstände erfasst (vgl. BSG Urteil vom 19.08.2010 - B 14 AS 36/09 , Rn 16).

Eine Ersatzbeschaffung stellt nur dann keine Erstausstattung i.S.v. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II a. F. dar, wenn einzelne, bereits unmittelbar vor dem Einzug in eine Wohnung vorhanden gewesene Gegenstände zwar weiterhin funktionsfähig sind, ihrem Besitzer jedoch nicht mehr gefallen oder sie nicht mehr optimal zur neuen Wohnung passen oder wenn die Gegenstände ohnehin - auch ohne den Umzug - wegen Unbrauchbarkeit hätten durch andere Gegenstände ersetzt werden müssen (vgl. BSG Urteile vom 19.08.2010 - B 14 AS 36/09 , Rn 16 und vom 01.07.2009 - B 4 AS 77/08 R , Rn 16).

Anmerkung: Ein Anspruch auf Erstausstattungen der Wohnung kann grundsätzlich auch dann bestehen, wenn eine Wohnungserstausstattung bereits vorhanden war und bei Zuzug aus dem Ausland untergeht(vgl. BSG, Urteil vom 27.09.2011, - B 4 AS 202/10 R - ).

Ein angenommenes fahrlässiges Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit dem Verlust der Wohnungsausstattung steht dem Anspruch nicht entgegen.

Auch die in § 2 SGB II geregelte Pflicht zur Eigenaktivität begründet keinen eigenständigen Leistungsausschlusstatbestand. Der Leistungsausschluss in der Existenzsicherung bedarf einer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung.


Anmerkung: BSG, Urteil vom 1.7.2009, B 4 AS 77/08 R
Die Ersatzbeschaffung ist der Erstausstattung einer Wohnung mit Einrichtungsgegenständen dann wertungsmäßig gleich zu setzen,

wenn vorhandene Ausstattungsgegenstände allein durch einen vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzug in eine angemessene Wohnung unbrauchbar geworden sind.

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles .

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