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Die Bundesagentur für Arbeit hat über Jahre hinweg unzulässig Mahngebühren bei Hartz-IV-Empfängern erhoben

Das hat das BSG mit Urteil vom 26.05.2011, - B 14 AS 54/10 R - entschieden.

Denn dafür gab es keine Rechtsgrundlage nach der die Bundesagentur die Gelder für die Jobcenter eintreiben durfte.Zuständig wäre vielmehr alleine die seinerzeit mit dem Vollzug der Grundsicherung für Arbeitsuchende betraute Arbeitsgemeinschaft gewesen. Ab April 2011 hat der Gesetzgeber eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen. Ob seitdem auch Mahngebühren erhoben werden dürfen, bleibt nach dem Kasseler Urteil offen.


Bei der Festsetzung von Mahngebühren durch die beklagte Bundesagentur für Arbeit handelte es sich um einen Verwaltungsakt nach § 31 SGB X, der mit Widerspruch und Anfechtungsklage angegriffen werden konnte. Die Anfechtungsklage war auch begründet, denn die Beklagte durfte dem Kläger gegenüber keine Mahngebühren erheben. Sie war sachlich nicht zuständig. Zuständig wäre vielmehr alleine die seinerzeit mit dem Vollzug der Grundsicherung für Arbeitsuchende betraute Arbeitsgemeinschaft gewesen. Nach der damals geltenden Rechtslage (vgl nunmehr § 44b Abs 4 SGB II) fehlte es auch an einer gesetzlichen Grundlage dafür, der Beklagten die Aufgabe des Forderungseinzugs zu übertragen.

Nach § 88 Abs 1 Satz 1 SGB X, der im Rahmen der Vorschriften über die Zusammenarbeit der Leistungsträger untereinander das Auftragsverhältnis regelt, kann ein Leistungsträger (Auftraggeber) ihm obliegende Aufgaben durch einen anderen Leistungsträger oder seinen Verband (Beauftragter) mit dessen Zustimmung wahrnehmen lassen, wenn dies wegen des sachlichen Zusammenhangs der Aufgaben vom Auftraggeber und Beauftragten zur Durchführung der Aufgaben und im wohlverstandenen Interesse der Betroffenen zweckmäßig ist.

Die Anwendung des § 88 SGB X scheitert aber bereits daran, dass diese Norm nach ihrem Wortlaut auf die Beauftragung der Beklagten durch die ARGE keine Anwendung findet, denn das Gesetz erlaubt es nur einem Leistungsträger iS von § 12 SGB I, als Auftraggeber einen Auftragsvertrag zu schließen (vgl Seewald in Kasseler Kommentar, Stand April 2011, § 88 SGB X RdNr 19).

Die Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II aF waren aber selbst nicht Leistungsträger (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 20). Sie wurden vielmehr von den Trägern gemäß § 44b Abs 1 Satz 1 SGB II aF zur einheitlichen Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem SGB II durch Vertrag errichtet. Gemäß § 44b Abs 3 SGB II aF nahm die ARGE die Aufgaben der Agentur für Arbeit als Leistungsträger nach dem SGB II wahr.

Die kommunalen Träger sollten der ARGE die Wahrnehmung ihrer Aufgaben übertragen. Wegen der fehlenden Leistungsträgereigenschaft der ARGE war es ihr verwehrt, auf der Grundlage des § 88 Abs 1 SGB X ihre Aufgaben durch die Beklagte wahrnehmen zu lassen.

Für die Zulässigkeit einer vertraglichen Aufgabenübertragung im hier maßgeblichen Zeitraum kann auch die zwischenzeitlich in § 44b Abs 4 SGB II ergangene Neuregelung nicht fruchtbar gemacht werden. Zwar heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP, § 44b Abs 4 SGB II "stellt klar", dass die gemeinsame Einrichtung einzelne ihrer Aufgaben von den Trägern wahrnehmen lassen könne (BT-Drucks 17/1555, 24; wortgleich der Gesetzentwurf der Bundesregierung, vgl BR-Drucks 226/10, 37 f).

Es ist aber nicht zu erkennen, worauf sich die Annahme, es handele sich lediglich um eine Klarstellung, gründet. Die Gesetzesbegründung macht im selben Zusammenhang zudem deutlich, dass erst durch die Neuregelung "die Möglichkeit eröffnet werden" sollte, einzelne Aufgaben rechtsgeschäftlich auf die Leistungsträger zu übertragen (BT-Drucks, aaO).

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

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