"Damit ist der Kläger klaglos gestellt.", heißt die Formulierung, mit der das Jobcenter Köln einen weiteren, ursprünglich für den November angesetzten, Prozess und somit eine weitere Niederlage vor Gericht vorsorglich abwendet.
Wie bereits im Prozess vom 20. September vor dem Kölner Amtsgericht, wollte auch hier ein KEA die Widerrechtlichkeit eines Hausverbots nachträglich festgestellt wissen.
Machen Klagen Sinn?
Offenbar ja. Mit einer Klage wird eine Angelegenheit juristisch geprüft und oft mit einem Urteil bedacht. Das Urteil wiederum kann dazu beitragen, ein entsprechendes Fehlverhalten - z.B. durch das Jobcenter - zukünftig zu verhindern. Es wäre überflüssig, das Gericht anzurufen, sofern dies bereits in gleichem bzw. ähnlichem Fall entschieden hat. Ein Urteil kann man veröffentlichen, kann man ausdrucken und kann man bei Bedarf auch dem Jobcenter auf den Tisch legen.
Ein Urteil in einem juristischen Einzelfall kann zudem plötzlich für eine ganze Betroffenengruppe bedeutsam werden. Das nennt man dann einen Präzedenzfall.
Es scheint auf der Hand zu liegen, dass das Jobcenter großes Interesse daran hat, Urteile (gegen sich) und Präzendenzfälle (für Betroffene) zu vermeiden.
Wir wissen von zahlreichen Fällen - auch in Leistungsangelegenheiten -, wo das Jobcenter quasi im letzten Moment die Rolle rückwärts macht und den Kläger klaglos stellt. Das heißt, man nimmt den Grund der Klage weg, indem man dem Kläger außergerichtlich Recht gibt. Der Kläger hat dann zwar gewonnen, aber eben nicht vor Gericht und hat demzufolge auch kein Urteil.
Für das Jobcenter bedeutet das mehr als nur die Wahrung seines Gesichts. Es spart gegebenenfalls Unmengen Geld, indem man einen Kläger befriedet, aber damit ein Urteil verhindert, das Tausend anderen Betroffenen zu gleichem Recht und zu gleichen Ansprüchen verhelfen würde.
Wieviel Prozent der Betroffenen im Falle des Falles den Klageweg tatsächlich bestreiten, darf spekuliert werden. Das Jobcenter geht offenbar zu Recht davon aus, dass es die wenigsten sein werden.
Machen Klagen Spaß?
Nicht wirklich. Die direkte Auseinandersetzung vor Ort bzw. dort, wo Klageanlässe produziert werden, verhilft oft schneller zum Recht als der bisweilen mühsame Weg durch gerichtliche Instanzen. (Im Jobcenter kann man die Teamleiter-Ebene, die Standortleitung, bis hin zur Geschäftsführung bemühen, sich seinem Anliegen zu widmen.)
Andererseits können Prozesse Öffentlichkeit herstellen und der Thematisierung einer politischen Auseinandersetzung dienen. Das am 12. September diesen Jahres verlesene, dreiseitige Statement eines beklagten KEAs vor Gericht wurde im Internet veröffentlicht, verbreitet und vermutlich weit über 10.000 Mal gelesen. Die Anklage und der Prozess verhalfen hier zu einem ungleich höheren Interesse.
Im Gerichtsprozess - KEA gegen Jobcenter - vom 20. September 2012, wurde sechs Mal öffentlich gesagt, dass sich "das Jobcenter sein Hausverbot sonstwohin schieben" könne und hiernach entsprechend veröffentlicht.
Es darf davon ausgegangen werden, dass just dieser Prozess dem Jobcenter zur entscheidenden Eingebung verhalf, den weiteren Kläger in gleicher Angelegenheit bzw. wegen eines Vorfalls im Jobcenter Köln-Kalk vorsorglich klaglos zu stellen.
Eine schriftliche Entschuldigung seitens des Jobcenters gegenüber dem von einem rechtswidrigen Hausverbot betroffenen Kläger scheint nicht zum formal-juristischen Prozedere zu gehören und schon gar nicht ins System 'Hartz IV' zu passen. Dafür haben wir freilich Verständnis!
Quelle: Die KEAs e. V. – Kölner Erwerbslose in Aktion
Vielleicht sollte man es mal mit einer gut begründeten Forsetzungsfeststellungsklage versuchen. Denn es ist ja nicht der erste Fall dieser Art gewesen, und es besteht ganz offensichtlich Widerholungsgefahr. Zudem besteht ein Interesse daran, festzustellen, ob oder daß das Vestibül des "Jobcenters" für Aktionen der KEAS offen steht, soweit, wie bisher, keine rechtswidrigen Aktionen stattfinden.
AntwortenLöschenIch denke in diesem Zusammenhang an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Demonstrationsrecht der Flughafengegner im Empfangsgebäude (!) des Frankfurter Flughafens (BVerfG, 22.02.2011 - 1 BvR 699/06).
Link zum Urteil: http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20110222_1bvr069906.html
Hier hat das BVerfG ganz klar ausgesprochen, daß das Versammlungsrecht auch dort gilt, wo der Flughafen als Ort "allgemeinen
kommunikativen Verkehrs ausgestaltet" ist.
Dies gilt zwar in gleicher Art nicht für den Eingangsbereich des "Jobcenters", dort soll aber auch nicht demonstriert werden. Jedenfalls ist das ein Ort des "allgemeinen Verkehrs", weil offen zugänglich. Deswegen dürfte ein Betretungsverbot für Menschen, die dort nichts unrechtes tun, unverhältnismäßig und damit ungültig sein.
Noch ein Artikel zum Demonstrationsrecht am Frankfurter Flughafen: http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bverfg-zur-versammlungsfreiheit-kein-demo-verbot-am-frankfurter-flughafen/