Direkt zum Hauptbereich

Zum Anordnungsgrund für die Übernahme von Unterkunftskosten nach § 22 SGB II im Eilverfahren

1. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.10.2012, Az.: L 19 AS 1232/12 B

Bezüglich der Kosten der Unterkunft ist ein Anordnungsgrund in der Regel frühestens ab Zustellung einer Räumungsklage anzunehmen (vgl. LSG NRW, Beschlüsse vom 29.06.2012 - L 19 AS 973/12 B ER - und vom 29.02.2012 - L 19 AS 22541 B ER).

Die Vorlage eines Mahnschreibens der Vermieterin hinsichtlich des Mietrückstandes für einen Monat verbunden mit dem Vortrag, dass der Antragsteller über kein Einkommen verfügt, genügt nicht zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes hinsichtlich Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II.

2. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.07.2012, Az.: L 12 AS 1137/12 B ER

Bezüglich der Kosten der Unterkunft ist ein Anordnungsgrund nach der ständigen Rechtsprechung des Senates, an der festgehalten wird (vgl. Beschluss des Senates vom 20.03.2012 - L 12 AS 352/12 B ER - m.w.N.), erst dann gegeben, wenn eine Räumungsklage erhoben worden ist.

3. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.04.2012, Az.: L 7 AS 630/12 B ER

Für den Fall der Räumungsklage enthält § 22 Abs. 9 SGB II in der Fassung vom 24.03.2011 Regelungen zur Sicherung der Unterkunft.

So ist das Amtsgericht nach dieser Vorschrift verpflichtet, dem Grundsicherungssicherungsträger unverzüglich Tatsache und näher bezeichnete Einzelheiten einer Räumungsklage nach der Kündigung von Wohnraum wegen Zahlungsverzuges mitzuteilen. Dies dient der Prävention von Obdachlosigkeit und soll es den Leistungsträgern ermöglichen, auch unabhängig von einem Antrag zu prüfen, ob die Kündigung durch Übernahme der Mietrückstände abzuwenden ist (Berlit in LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, § 22, Rdn. 200).

Denn gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch wird eine Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet.

Auch angesichts dieser rechtlichen Regelungen ist das Vorliegen der Voraussetzungen des erforderlichen Anordnungsgrundes trotz der vom  Vermieter erfolgten Androhung der sofortigen fristlosen Kündigung und der gesetzten Zahlungsfrist zur Abwendung der Räumung zum jetzigen Zeitpunkt als nicht hinreichend glaubhaft gemacht (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 09.09.2009, Az.: L 12 B 62/09 AS ER, und zur Rechtsprechung des erkennenden Senates Beschluss vom 26.04.2011, Az.: L 7 AS 497/11 B ER).

4. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.10.2012, Az.: L 19 AS 1393/12 B ER  und Az.: L 19 AS 1394/12

Nach, soweit ersichtlich, einhelliger Auffassung aller Fachsenate des LSG NRW, ist eine aktuelle Gefährdung der Unterkunft regelmäßig erst ab Zustellung einer Räumungsklage anzunehmen (z.B. Beschluss des Senats vom 09.07.2012 - L 19 AS 1257/12 B ER m.w.N).

Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass selbst nach Erhebung und Zustellung der Räumungsklage noch zwei Monate Zeit blieben, den Verlust der Wohnung abzuwenden.

Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wird die auf Mietrückstände gestützte Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet (vgl. dazu Beschluss des Senats v. 14.07.2010 - L 19 AS 912/10 B ER, Rn. 19).

5. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26.07.2012, Az.: L 7 AS 404/12 B ER -

Ein Anordnungsgrund für die Übernahme von Unterkunftskosten nach § 22 SGB II im Eilverfahren besteht nicht allein deswegen, weil das Jobcenter nur einen Teil der Unterkunftskosten übernimmt.

Eine Kündigung wegen Mietrückstands durch den Vermieter kann einen Anordnungsgrund begründen.

Das Risiko, aufgrund von Mietrückständen gekündigt zu werden, ist kein irreversibler Nachteil.

Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird eine Kündigung, die wegen Mietrückstandes erklärt wurde, unwirksam, wenn die Miete bis spätestens zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs bezahlt wird.

Im Hinblick auf die zur Sicherung der Unterkunft nach Erhebung einer Räumungsklage in § 22 Absatz 7 - 9 SGB II enthaltenen Regelungen, ist die Eilbedürftigkeit in Verfahren wegen Unterkunftskosten regelmäßig frühestens dann anzunehmen, wenn der Vermieter die Kündigung erklärt hat

(Bayerisches LSG, Beschluss vom 04.08.2010, L 8 AS 356/10 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.09.2007, L 32 B 1558/07 AS ER; weitergehend noch Bayerisches LSG, Beschluss vom 02.02.2012, L 11 AS 932/11 B PKH; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.03.2012, L 12 AS 352/12 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.11.2010, L 5 AS 2025/10 B ER, die eine Eilbedürftigkeit erst annehmen, wenn bereits die Räumungsklage erhoben wurde).

6. Ein Anordnungsgrund ist stets dann anzunehmen , wenn der Hilfebedürftige nicht die vollen Unterkunftskosten erhält (SG Lüneburg, Beschluss vom 16.05.2011) bzw. er den Differenzbetrag nicht aus seinem Vermögen oder anderweitigem Einkommen bestreiten kann (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.02.2011, L 14 AS 205/11 B ER).

S.a. : Sozialrechtsexperte: RAin Sabine Jorns zum Eilverfahren bei Mietrückständen (LSG NRW, Beschl. v. 20.03.2012 - L 12 AS 352/12 B ER)

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe...

Zur Frage, wer für die Kosten der Entrümpelung, Grundreinigung und Renovierung der Wohnung eines Messie zuständig ist

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.03.2012, - L 13 AS 22/12 B ER - 1. Der Bedarf eines Hilfesuchenden, der aus einem Fehlgebrauch der Wohnung herrührt (Messie), gehört nicht zum Bedarf für Unterkunft und Heizung iSd § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. 2. Ebenso ist eine notwendige Grundreinigung und Renovierung einer Messie - Wohnung eher nicht auf der Grundlage von §§ 24 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II zu regeln. 3. Als Anspruchsgrundlage für das Aufräumen einer Messie-Wohnung kommt § 67 SGB XII i.V.m. § 4 der Verordnung zu § 69 SGB XII in Betracht, wobei die Entscheidung über Art und Maß der Hilfeleistung im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers steht. http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml;jsessionid=445EF403A69158C8FFF6888A88310D59.jp84?doc.id=JURE120006139&st=null&showdoccase=1&paramfromHL=true#focuspoint