LSG Sachsen-Anhalt: Wegfall des Arbeitslosengeldes II bei unter 25jährigem- Familie wird für Wohnungskosten in Familienhaftung genommen
Eigener Leitsatz
Keine Abweichung vom Kopfteilprinzip für die KdU bei Wegfall des KdU-Anteils eines unter 25-jährigen sanktionierten Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft .
Denn das System des SGB II lässt es nicht zu, im Ergebnis Unterkunftskosten für Dritte geltend zu machen.
Dies gilt selbst dann, wenn dem Dritten gegenüber eine Unterhaltspflicht besteht (BSG, Urteil vom 19. März 2008, B 11b AS 13/06 R (14), Urteil vom 27. Januar 2009, B 14/7b AS 8/07 R (19)).
So die Rechtsauffassung des heute veröffentlichten Urteils des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31.01.2013 - L 5 AS 373/10 , Revision wurde zugelassen
Begründung:
Der vollständigen Leistungsabsenkung liegt das gesetzgeberische Ziel der erzieherischen Einwirkung durch Sanktionen auf die unter 25-jährigen Leistungsberechtigten zugrunde.
So hatte der Gesetzgeber die Verschärfung der Sanktionen für diese Personengruppe ab dem 1. Januar 2007 durch Erstreckung auch auf die Leistungen für KdU bei einer wiederholten Pflichtverletzung mit der bislang nicht immer erreichten erzieherischen Wirkung begründet (BT-Drucks 16/1696, S. 27).
Es ist zwar aus den Gesetzesmaterialien nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die mittelbaren Folgen für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bei einer verschärften Leistungskürzung gewollt hatte. Der Senat geht jedoch davon aus, dass der Gesetzgeber diese Folgen für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bewusst hingenommen hat.
Denn nach der Konzeption des SGB II war zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung der Verbleib der unter 25-jährigen in der Familie der Regelfall und ein Auszug nur ausnahmsweise gemäß § 22 Absatz 2a SGB II möglich.
Dafür spricht auch, dass zeitgleich zum 1. Januar 2007 in § 22 Abs. 7 SGB II für Bezieher von BAföG-Leistungen ein Zuschuss zu deren ungedeckten angemessenen KdU eingeführt worden ist.
Hintergrund der Novellierung war die Erkenntnis, dass in diesen Fällen bislang eine Unterdeckung der Bedarfe entstehen konnte (BT-Drucks 16/1410 S. 24). Auszuschließen ist es, dass im Rahmen dieser Gesetzesnovellierung die faktische Bedarfsunterdeckung in Fällen der Sanktionierung unter 25-jähriger in einer Bedarfsgemeinschaft übersehen worden wäre.
Der in Rechtsprechung und Literatur größerenteils vertretenen Auffassung, wonach in diesen Fällen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zur Vermeidung einer "Mitsanktionierung" eine Abweichung vom Kopfteilprinzip vorzunehmen sei, wird nicht gefolgt
(so: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 8. Juli 2009, L 6 AS 335/09 B ER; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. März 2012, L 6 AS 1589/10; Geiger in: info also, 1/2010, "Wie sind personenübergreifende Sanktionsfolgen auf der Grundlage der geltenden Fassung von § 31 SGB II zu verhindern?"; Rixen in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 31 Rdnr. 45c; Berlit in: LPK-SGB II, 4. Aufl., § 22 Rdnr. 38; offen insoweit Lauterbach in: Gagel, SGB II/ SGB III, § 22 Rdnr. 28).
Faktisch können die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft von einer Sanktion betroffen sein, obwohl ihnen keinerlei Fehlverhalten zur Last geworfen wird.
Dies gilt jedoch nur in den Fällen, in denen das sanktionierte Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nicht in der Lage (oder bereit) ist, seinen Mietanteil aus anderen Geldmitteln als aus den SGB II-Leistungen aufzubringen.
Dies gilt ferner, wenn das sanktionierte Mitglied nicht oder vergebens gemäß § 31 Abs. 5 Satz 5 SGB II versucht hat, durch nachträglich angezeigtes Wohlverhalten die Absenkung der KdU zu beseitigen.
Die Sanktion hat jedoch in keinem Fall rechtliche Auswirkungen auf den - kopfteiligen - Leistungsanspruch der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft.
Ein "sippenhaftartiges Übergreifen" (so:Berlit in: LPK-SGB II, 4. Aufl., § 22 Rdnr. 38 ) läge jedoch nur dann vor, wenn auch der anteilige KdU-Anspruch die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft betroffen wäre.
Insoweit verfälscht dieser Begriff die rechtliche Diskussion.
Die Gegenauffassung übersieht, dass das SGB II mehrere Sicherungssysteme zur Abfederung einer vollständigen Leistungsabsenkung vorsieht.
So enthält § 31 Abs. 4 Satz 5 SGB II die Möglichkeit, nach pflichtgemäßem Ermessen Leistungen für die KdU zu erbringen, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen (BT-Drucks 16/1696, S. 27 f.).
Sofern er dies - wie hier - nicht tut, haben die übrigen verbleibenden Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 22 Abs. 5 SGB II die Möglichkeit, einen Antrag Übernahme von entstandenen Mietschulden in Form eines Darlehens oder eines Zuschusses zu stellen.
Dies setzt jedoch eine finanzielle Notlage der Bedarfsgemeinschaft im Sinne von fehlendem Schonvermögen heraus. Einen solchen Antrag haben die Klägerinnen nicht gestellt.
Sie haben auch nicht behauptet, die Miete nicht aufgebracht zu haben.
Darüber hinaus kann gemäß § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB II der Sanktionszeitraum im Einzelfall auf sechs Wochen verkürzt werden. Ein entsprechendes Begehren des Sohns ist im Zusammenhang mit den Sanktionsbescheiden nicht erfolgt.
Anmerkung:
Anderer Auffassung- Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen,Urteil vom 22.03.2012- L 6 AS 1589/10, anhängig beim BSG unter dem Az. B 4 AS 67/12 R
Sippenhaftung im Falle einer Sanktion bei den Kosten der Unterkunft ist dem Sozialrecht fremd.
Die Auswirkungen auf (die) andere(n) Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft widerspricht auch dem personenbezogenen Charakter der Sanktion.
Sanktionen nach § 31 SGB II aF haben den Zweck, einen Pflichtverstoß zu ahnden und/oder unzureichenden Bemühungen zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit entgegenzuwirken. Sie richten sich deshalb sinnfällig nur gegen die Person, die sich pflicht- oder sozialwidrig verhalten hat.
Noch deutlicher ist das bei den strengeren Sanktionen gegen jüngere Erwachsene bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, die einen erzieherischen Effekt erreichen sollen (BT-Drucksache 16(11)108, S. 29; 16(11)114, S. 46; LSG Nds-Bremen Beschl v 08.07.2009 - L 6 AS 335/09 B ER - Rn 9).
Der Beitrag wurde erstellt von Detlef Brock.
Keine Abweichung vom Kopfteilprinzip für die KdU bei Wegfall des KdU-Anteils eines unter 25-jährigen sanktionierten Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft .
Denn das System des SGB II lässt es nicht zu, im Ergebnis Unterkunftskosten für Dritte geltend zu machen.
Dies gilt selbst dann, wenn dem Dritten gegenüber eine Unterhaltspflicht besteht (BSG, Urteil vom 19. März 2008, B 11b AS 13/06 R (14), Urteil vom 27. Januar 2009, B 14/7b AS 8/07 R (19)).
So die Rechtsauffassung des heute veröffentlichten Urteils des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31.01.2013 - L 5 AS 373/10 , Revision wurde zugelassen
Begründung:
Der vollständigen Leistungsabsenkung liegt das gesetzgeberische Ziel der erzieherischen Einwirkung durch Sanktionen auf die unter 25-jährigen Leistungsberechtigten zugrunde.
So hatte der Gesetzgeber die Verschärfung der Sanktionen für diese Personengruppe ab dem 1. Januar 2007 durch Erstreckung auch auf die Leistungen für KdU bei einer wiederholten Pflichtverletzung mit der bislang nicht immer erreichten erzieherischen Wirkung begründet (BT-Drucks 16/1696, S. 27).
Es ist zwar aus den Gesetzesmaterialien nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die mittelbaren Folgen für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bei einer verschärften Leistungskürzung gewollt hatte. Der Senat geht jedoch davon aus, dass der Gesetzgeber diese Folgen für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bewusst hingenommen hat.
Denn nach der Konzeption des SGB II war zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung der Verbleib der unter 25-jährigen in der Familie der Regelfall und ein Auszug nur ausnahmsweise gemäß § 22 Absatz 2a SGB II möglich.
Dafür spricht auch, dass zeitgleich zum 1. Januar 2007 in § 22 Abs. 7 SGB II für Bezieher von BAföG-Leistungen ein Zuschuss zu deren ungedeckten angemessenen KdU eingeführt worden ist.
Hintergrund der Novellierung war die Erkenntnis, dass in diesen Fällen bislang eine Unterdeckung der Bedarfe entstehen konnte (BT-Drucks 16/1410 S. 24). Auszuschließen ist es, dass im Rahmen dieser Gesetzesnovellierung die faktische Bedarfsunterdeckung in Fällen der Sanktionierung unter 25-jähriger in einer Bedarfsgemeinschaft übersehen worden wäre.
Der in Rechtsprechung und Literatur größerenteils vertretenen Auffassung, wonach in diesen Fällen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zur Vermeidung einer "Mitsanktionierung" eine Abweichung vom Kopfteilprinzip vorzunehmen sei, wird nicht gefolgt
(so: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 8. Juli 2009, L 6 AS 335/09 B ER; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. März 2012, L 6 AS 1589/10; Geiger in: info also, 1/2010, "Wie sind personenübergreifende Sanktionsfolgen auf der Grundlage der geltenden Fassung von § 31 SGB II zu verhindern?"; Rixen in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 31 Rdnr. 45c; Berlit in: LPK-SGB II, 4. Aufl., § 22 Rdnr. 38; offen insoweit Lauterbach in: Gagel, SGB II/ SGB III, § 22 Rdnr. 28).
Faktisch können die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft von einer Sanktion betroffen sein, obwohl ihnen keinerlei Fehlverhalten zur Last geworfen wird.
Dies gilt jedoch nur in den Fällen, in denen das sanktionierte Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nicht in der Lage (oder bereit) ist, seinen Mietanteil aus anderen Geldmitteln als aus den SGB II-Leistungen aufzubringen.
Dies gilt ferner, wenn das sanktionierte Mitglied nicht oder vergebens gemäß § 31 Abs. 5 Satz 5 SGB II versucht hat, durch nachträglich angezeigtes Wohlverhalten die Absenkung der KdU zu beseitigen.
Die Sanktion hat jedoch in keinem Fall rechtliche Auswirkungen auf den - kopfteiligen - Leistungsanspruch der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft.
Ein "sippenhaftartiges Übergreifen" (so:Berlit in: LPK-SGB II, 4. Aufl., § 22 Rdnr. 38 ) läge jedoch nur dann vor, wenn auch der anteilige KdU-Anspruch die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft betroffen wäre.
Insoweit verfälscht dieser Begriff die rechtliche Diskussion.
Die Gegenauffassung übersieht, dass das SGB II mehrere Sicherungssysteme zur Abfederung einer vollständigen Leistungsabsenkung vorsieht.
So enthält § 31 Abs. 4 Satz 5 SGB II die Möglichkeit, nach pflichtgemäßem Ermessen Leistungen für die KdU zu erbringen, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen (BT-Drucks 16/1696, S. 27 f.).
Sofern er dies - wie hier - nicht tut, haben die übrigen verbleibenden Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 22 Abs. 5 SGB II die Möglichkeit, einen Antrag Übernahme von entstandenen Mietschulden in Form eines Darlehens oder eines Zuschusses zu stellen.
Dies setzt jedoch eine finanzielle Notlage der Bedarfsgemeinschaft im Sinne von fehlendem Schonvermögen heraus. Einen solchen Antrag haben die Klägerinnen nicht gestellt.
Sie haben auch nicht behauptet, die Miete nicht aufgebracht zu haben.
Darüber hinaus kann gemäß § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB II der Sanktionszeitraum im Einzelfall auf sechs Wochen verkürzt werden. Ein entsprechendes Begehren des Sohns ist im Zusammenhang mit den Sanktionsbescheiden nicht erfolgt.
Anmerkung:
Anderer Auffassung- Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen,Urteil vom 22.03.2012- L 6 AS 1589/10, anhängig beim BSG unter dem Az. B 4 AS 67/12 R
Sippenhaftung im Falle einer Sanktion bei den Kosten der Unterkunft ist dem Sozialrecht fremd.
Die Auswirkungen auf (die) andere(n) Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft widerspricht auch dem personenbezogenen Charakter der Sanktion.
Sanktionen nach § 31 SGB II aF haben den Zweck, einen Pflichtverstoß zu ahnden und/oder unzureichenden Bemühungen zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit entgegenzuwirken. Sie richten sich deshalb sinnfällig nur gegen die Person, die sich pflicht- oder sozialwidrig verhalten hat.
Noch deutlicher ist das bei den strengeren Sanktionen gegen jüngere Erwachsene bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, die einen erzieherischen Effekt erreichen sollen (BT-Drucksache 16(11)108, S. 29; 16(11)114, S. 46; LSG Nds-Bremen Beschl v 08.07.2009 - L 6 AS 335/09 B ER - Rn 9).
Der Beitrag wurde erstellt von Detlef Brock.
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