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Der Darmstädter Sozialrichter Jürgen Borchardt:Die Agenda-Politik beschädigt unsere Demokratie

Jürgen Borchert ist Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Darmstadt. Er hat in den zurückliegenden Jahren Tausende Hartz-IV-Klagen behandelt und mit seinem Senat die Vorlage zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Hartz-IV-Regelsätze geliefert. Borchert (63) wohnt in Heidelberg. Die Agenda 2010 wurde vor zehn Jahren von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) vorgestellt.


Was ist mit dem Bildungspaket für sozial schwache Kinder?

Ich halte das Bildungspaket für einen Skandal. Hier hat der Gesetzgeber ein Hütchenspiel veranstaltet, indem er das Reformpaket überwiegend aus Mitteln finanziert, die er bei den Kindern anderswo weggenommen hat. Dass die Reform einen riesigen Verwaltungsaufwand mit irren Kosten gebracht hat, aber bei den Kindern fast nichts ankommt, macht den Satz der Ministerin Leyen, "Das Geld muss bei den Kindern ankommen!", zur Karikatur. Generell ist der Ansatz falsch, bei Kindern den Bildungsbedarf am untersten Rand des Existenzminimums, statt am gesellschaftlichen Durchschnitt zu verorten. Chancengleichheit sieht anders aus.

Was ist falsch am Leitsatz "Fördern und Fordern"?
Er suggeriert, dass Arbeitslosigkeit vor allem eine Folge individuellen Versagens sei. Das mag in Einzelfällen vielleicht stimmen, gilt für Millionen Arbeitslose aber sicher nicht und für die Zeit nach den Maastricht-Verträgen am allerwenigsten. Mit diesen Verträgen wurde nämlich die Währungs-, Geld- und Zinspolitik und damit die wichtigsten Instrumente zum Schutz des Arbeitsmarkts abmontiert und an Brüssel und die Europäische Zentralbank abgegeben.



Sie haben die Überprüfung der Hartz-IV-Regelsätze vor dem Verfassungsgericht durchgesetzt. Sind die Fehler nun behoben?
Nein.


Dass erneut schwere methodische Fehler gemacht wurden, hat der Gesetzgeber ja sogar in §10 des Regelbedarfsermittlungsgesetzes zugegeben. Ein Novum der Rechtsgeschichte! Man formuliert eine Art Schutzschrift an das Verfassungsgericht, mit der Bitte, für eine Übergangszeit quasi Gnade vor Recht ergehen zu lassen.

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