Direkt zum Hauptbereich

SG Berlin: Berliner WAV - Wohnaufwendungenverordnung ist unwirksam

Das SG Berlin hat mit Urteil vom 22.02.2013 die WAV Berlin – also die Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – im Rahmen einer inzidenten Normenkontrolle für unwirksam erklärt.

Damit ist die Berechnung der Unterkunftskosten für Hartz IV-Empfänger und Grundsicherungsempfänger wohl hinfällig.


Sozialgericht Berlin, Urteil vom 22.02.2013 - S 37 AS 30006/12, Berufung zugelassen 

Zitat: Kaltmietpreise:

Nach Einschätzung des erkennenden Gerichts kann weder aus den Daten der Berliner Mietspiegel, den diesen Mietspiegeln zugrunde liegenden empirischen Endberichten noch den IBB Wohnungsmarktberichten oder sonstigen greifbaren Erkenntnisquellen allein mit juristischem Sachverstand auf Angemessenheitswerte für Bedarfe nach § 22 SGB 1I geschlossen werden.

Dazu bedürfte es umfangreicher, weiterer Ermittlungen unter Anwendung mathematischstatistischer Verfahren und einer auf Zwecke des SGB II bezogenen Prüfung des Berliner Wohnungsmarktes unter Einbeziehung von Wohnungssegmenten, die nicht im Mietspiegel erfasst werben (s. auoh dazu LSG Bayern vom 11.7.2012 - L 16 AS 127/10).
 

Angemessenes Wohnen und Heizen gehört zum Kernbereich des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums. Die Festlegung angemessener Werte fordert daher ein transparentes und nachvollziehbares Verfahren, mit den Worten des BSG: ein "schlüssiges Konzept".

Regelungen auf der Grundlage der §§ 22a, 22b SGB II müssen ebenfalls schlüssig i. S. der BSG-Rechtsprechung sein.

Spielraum für eine Kostensteuerung ist deshalb allenfalls bei Festlegung der angemessenen Wohnflächen denkbar.

Im Übrigen (Kaltmiete, Betriebskosten, Kosten für Heizen und Warmwasser) müssen satzungskonforme Regelungen sicherstellen, dass nach Lage auf dem Wohnungs- und Energiemarkt Wohnungen zu den festgelegten Bezugs-größen für Leistungsberechtigte zur Verfügung stehen, wobei § 22a Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 SGB II verlangt, dass Wohnungen mit solchen Preisen in hinreichender Zahl und über das gesamte Stadtgebiet verteilt zur Verfügung stehen.

Dass der Leistungsberechtigte nach BSG-Rechtsprechung auf Wohnungen im gesamten Stadtgebiet verwiesen werden kann (kein Kiez-Schutz) bedeutet nicht, dass als angemessen verordnete Mietpreise schlüssig sind, weil es in bestimmten Bezirken Wohnungen zu diesem Preis gibt.

Es muss vielmehr gewährleistet sein, dass Wohnungen zum Verordnungspreis in allen Stadtteilen vorhanden sind (vgl. dazu LSG Bayern vom 11.7.2012 – L 16 AS 127/10).

Unser Dank gilt dem Kläger Werner Oetken und seinem Beistand RA Füßlein für die Bereitstellung des aktuellen Urteils.



Kommentare

  1. Schon dreist, dass der Berliner Senat, nach dem er die Unterschlagungspauschalen (AV-Wohnen) schon über Jahre hinweg praktizierte, sodann nach dem das BSG schon die AV-Wohnen als grob rechtswidrig kippte, dann einfach eine neue Unterschlagungsverordnung zu den angemessenen Unterkunftskosten nach §22 SGB II in Berlin zu Lasten der Bedürftigen erließ! Na ja Klaus Wowereit ist nun mal alles andere als Sozial!

    AntwortenLöschen
  2. Jeder der in Berlin von der neuen Berliner-Leistungsunterschlagungsverordnung betroffen ist, sollte unbedingt ngemäß §§ 55 i.V.m. 86b SGG beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Aussetzung der Verordnung (WAV) auf dem einstweiligen Wege beantragen.

    Mithin, dass in die Länge ziehen des Verfahrens seitens des Berliner Senates bis hin zum BSG, wie bereits schon zuvor bei der anderen Berliner Leistungsunterschlagungs-Ausführungsvorschrift (AV-Wohnen) vermeiden. Mit dem Beschluss (Normenkontrolle) des SG-Berlin zur neuen WAV (Leistungsunterschlagungsverordnung) zwecks Bestimmung der "angemessenen" Unterkunftskosten nach § 22 SGB II, hat man ja nun auch gutes Begründungs-Futter.

    AntwortenLöschen
  3. Berliner Hartz IV-Empfängern wird angeraten, sich gegen die Mietkappung unter Anwendung der WAV zu wehren.

    Das Normenkontrollverfahren schließt nach § 55a SGG individuellen Rechtsschutz nicht aus; die Rechtmäßigkeit von § 4 WAV ist im Rahmen eines solchen Verfahrens inzidenter zu prüfen und zu beachten.

    Mfg Detlef Brock

    AntwortenLöschen
  4. Schon hart.
    Die Berliner Verordnung entspricht ziemlich genau dem Urteil des Bundessozialgerichtes, WOB + 10 %.
    .
    .
    .
    .
    .
    Nur, dass da die Heizkosten NICHT enthalten sind...
    Im Grunde sollte man das Kind beim Namen nennen:
    Wissentlicher Betrug!




    AntwortenLöschen
  5. Sehr geehrte Damen und Herren ,


    dass Bundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel, Deutschland

    hat nunmehr im Zusammenhang mit dem Normenkontrollantragsverfahren L 36 AS 2095/12 NK, zur Wohnungsaufwendungsverordnung 2012 in Berlin, dem Revisionsführer PKH, mit Beschluß vom 06.08.2013 bewilligt,für das Revisionsverfahren wurde der Rechtsanwalt
    Kay Füßlein
    Scharnweberstraße 20
    10247 Berlin
    beigeordnet!.

    Termin der mündlichen Verhandlung zum Revisionsverfahren wird veröffentlich!


    Mit freundlichen Grüßen Werner Oetken 15.08.2013

    AntwortenLöschen
  6. Sehr geehrte Damen und Herren ,

    Festsetzung des konkreten Termins, zur BSG Revisionsverhandung:
    B 14 AS 70 /12R mündliche Verhandlung, zum Normenkontrollantragsverfahren L 36 AS 2095/12 NK, zur Berliner Wohnungsaufwendungsverordnung 2012, am Donnerstag, den 17.Oktober 2013,um 11:00Uhr , Ort : Graf -Bernadotte -Platz 5 ,Weißenstein-Saal , in 34119 Kassel.

    Berlin, den 25.09.2013

    Mit freundlichen Grüßen Werner Oetken

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 06.06.2011, - L 1 AS 4393/10 - Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden(BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R-; Rdnr. 4). Eine erneute Berücksichtigung scheidet auch dann aus, wenn eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt und Einkommen eines nichtbedürftigen Mitglieds einem bedürftigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird. https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144213&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive = Anmerkung: 1. Vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ist ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II als Pauschbetrag abzusetzen (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V ). Diese Pauschale in Höhe von 30 Euro ist