Direkt zum Hauptbereich

Job-Center muss Strom zahlen

Bewohner der Notunterkünfte am Schwarzen Kamp war beim Landessozialgericht erfolgreich


Für Verwaltung, Politik und einen Großteil der Mecklenbecker Bürgerschaft ist es kein Geheimnis:

Die Zustände in den städtischen Obdachlosen-Unterkünften am Schwarzen Kamp lassen arg zu wünschen übrig.

Die noch aus den 60er Jahren stammenden Einfachst-Gebäude sind marode und aus energetischer Sicht offenbar auf katastrophalem Niveau. Vor diesem Hintergrund schlägt sich Bewohner Matthias K. – wie berichtet – vor Gericht mit dem Jobcenter der Stadt Münster herum und stößt bei den Juristen augenscheinlich auf offene Ohren.

Gegenstand der Auseinandersetzung ist der exorbitante Stromverbrauch in der 89 Quadratmeter großen Fünf-Zimmer-Wohnung, die Matthias K. mit seiner Lebensgefährtin und deren drei Kindern bewohnt. In der Notunterkunft, die offiziell nur mit Kohleöfen beheizt werden kann, fallen immer wieder extrem hohe Stromverbräuche an, die die auf Sozialleistungen angewiesene Familie nicht begleichen kann.

Im Zeitraum von Mitte September 2010 bis Ende Oktober 2011 sollen sage und schreibe knapp 40 000 Kilowattstunden verbraucht worden sein. Etwa 4700 Kilowattstunden wären nach Auskunft der Stadtwerke für eine vergleichbare Familie unter regulären Bedingungen normal.

Da Matthias K. die hohen Stromkosten nicht begleichen konnte, häuften sich Schulden, verbunden mit einer neuntägigen Stromsperre.

Das münsterische Sozialgericht verdonnerte das Job-Center im September 2011 zur Übernahme der Stromrückstände als Darlehen sowie zur Zahlung der monatlichen Abschläge an die Stadtwerke.

In der Begründung seines Beschlusses wies das Gericht darauf hin, dass Matthias K. und seinen Angehörigen möglicherweise ein sozialwidriges, unwirtschaftliches und missbräuchliches Verhalten anzukreiden sei.

Das stellt der Bewohner der Notunterkunft jedoch ausdrücklich in Abrede und verweist auf einen stromfressenden Warmwasserboiler und den schlechten Zustand seiner Wohnung.

Das Gericht sieht es augenscheinlich nicht anders:

Als Ursachenfaktoren für die enorm hohen Stromkosten kämen der „Zustand der Notunterkunft, die Bestückung sämtlicher Zimmer mit einem Kohleofen, die Isolierung der Wohnung, Dichtigkeit der Fenster, Feuchtigkeit oder Wärmeaustritt durch bauliche Missstände“ in Betracht, heißt es. Das Job-Center solle zahlen.

Trotz allem ging die Sache in die nächste Runde:

Das Landessozialgericht sah jedoch keinen Anlass, vom Beschluss der münsterischen Kollegen abzuweichen.

Das Job-Center sei zu Recht verpflichtet worden, die Stromrückstände und die Abschläge zu übernehmen, so der Beschluss der Essener Richter.

Vom Job-Center war keine Stellungnahme zum Fall Matthias K. zu bekommen. Geschäftsführer Ralf Bierstedt verweist auf Datenschutz.


Anmerkung: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, rechtskräftiger Beschluss vom 30.01.2013 - L 7 AS 8/13 B ER und - L 7 AS 9/13 B


Übernahme der Stromschulden im Rahmen der Folgenabwägung , denn ohne die beantragten Leistungen drohen der Antragstellerin existentielle Nachteile, die sie aus eigener Kraft nicht abwenden kann.

Die Auszahlung des Darlehens war von einer Verpflichtungserklärung der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zur gesamtschuldnerischen Rückzahlung abhängig zu machen, um sicherzustellen, dass das Darlehen, das der gesamten Bedarfsgemeinschaft gewährt wird, auch insgesamt - und nicht nur kopfteilig - zurückgefordert werden kann.

Die direkte Auszahlung an den Energieversorgungsträger ergibt sich aus § 22 Abs. 7 Satz 2 und 3 SGB II.

Hinweis: Gemäß § 22 Abs. 8 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist.

Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden. Mit der in § 22 Abs. 8 Abs. 5 Satz 1 SGB II genannten Notlage sind solche Konstellationen angesprochen, die mit der Gefährdung der Sicherung der Unterkunft vergleichbar sind.

Insbesondere in Form von Energiekostenrückständen kommt eine Behebung einer drohenden Wohnungslosigkeit vergleichbaren Notlage in Betracht.

Weiterhin können auch Kosten, die in der Regelleistung enthalten sind, insbesondere Stromschulden, eine vergleichbare Notlage auslösen.

Dies gilt vor allem dann, wenn eine Entscheidung dazu führen würde, dass die Wohnung unbewohnbar würde (vgl. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008, § 22, Rdn. 105/106).


Der Beitrag wurde erstellt von Detlef Brock.



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 06.06.2011, - L 1 AS 4393/10 - Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden(BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R-; Rdnr. 4). Eine erneute Berücksichtigung scheidet auch dann aus, wenn eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt und Einkommen eines nichtbedürftigen Mitglieds einem bedürftigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird. https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144213&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive = Anmerkung: 1. Vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ist ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II als Pauschbetrag abzusetzen (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V ). Diese Pauschale in Höhe von 30 Euro ist