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Der in der AV-Wohnen-Berlin genannten Oberwert (444,- Euro für einen Zwei-Personen-Haushalt)ist schon deshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten - ungeeignet - , weil er eine Bruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R-)

§ 22 Abs. 1 SGB II

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 28.06.2011, - L 25 AS 438/09 B PKH -


Gewährung von Prozesskostenhilfe, denn zu Unrecht hat das Jobcenter sowie das Sozialgericht über die Angemessenheit der KdU und Heizkosten auf Grundlage der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin (im Folgenden: AV-Wohnen) entschieden.


Es handelt sich dabei um bloße Verwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten. Weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag des Beklagten wird erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten (444,- Euro für einen Zwei-Personen-Haushalt) ein schlüssiges Konzept im Sinne der zitierten Rechtsprechung(vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R ) zu Grunde liegt. Im Übrigen ist der in den AV-Wohnen genannte Referenzwert schon deshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil er eine Bruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R –).


Das Sozialgericht wird die Angemessenheit der KdU nunmehr nach den Maßstäben zu beurteilen haben, wie sie das BSG in seinem Urteil vom 19. Oktober 2010 aufgestellt hat. Gesondert dazu wird es die Angemessenheit der Heizkosten zu beurteilen haben.


Soweit danach die Aufwendungen für die Unterkunft den den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder in sonstiger Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese Vorschrift, die auch auf die Heizkosten übertragbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 36/08 R –), begründet zwar keine in jedem Fall einzuhaltende sechsmonatige "Schonfrist" (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R – . Der Hilfebedürftige muss aber seine Obliegenheit zur Senkung der Kosten seiner Unterkunft jedenfalls kennen und ihm müssen Kostensenkungsmaßnahmen sowohl subjektiv zumutbar als auch möglich sein. Nur dann kann er die Erstattung seiner Aufwendungen ab dem Zeitpunkt, zu dem diese Maßnahmen zum Beispiel bei Einhaltung von Kündigungsfristen etc. wirksam werden könnten, nur noch in Höhe der Referenzmiete verlangen.


https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=143070&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



Anmerkung : Diese Entscheidung ist sehr zu begrüßen und zur Zeit die Einzigste, welche sich mit der Ermittlung der Angemessenen Kosten der Unterkunft für einen Zwei- Personenhaushalt in Berlin beschäftigt.



Der 32. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg hat sich zur Bestimmung der angemessenen Miete auf den Mietspiegel des Landes Berlin vom 11. Juli 2007 (ABl. S. 1797) gestützt (vgl. hierzu und zum Folgenden Urteil vom 25. September 2009 - L 32 AS 1248/09 -; ebenso schon in Beschlüssen vom 9. Dezember 2008 - L 32 B 2223/08 AS ER – und vom 4. April 2008 - L 32 B 458/08 AS ER –).

Bei einer Absenkung der zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung von den tatsächlichen auf die angemessenen Kosten war aus Sicht des 32. Senats der günstigste Spannenhöchstbetrag innerhalb der verschiedenen Baujahrsklassen für Wohnungen mit Bad und WC zugrundezulegen. Für die Bemessung der angemessenen Betriebs- und Heizkosten hat der 32. Senat die Werte der Anlage I zum Mietspiegel herangezogen und auch hier den Spannen-Oberwert berücksichtigt. Ausgehend von der weiteren Annahme, dass für einen Zwei-Personen-Haushalt eine Wohnungsgröße bis zu  - 80 - qm angemessen ist, hat er in dem dem Urteil vom 25. September 2009 zugrunde liegenden Fall eine angemessene monatliche Warmmiete von 676,76 Euro errechnet.

 Dabei hat er offenbar – dies ist den genannten Entscheidungen zu entnehmen – jeweils die Bezugsfertigkeit der konkret bewohnten Wohnung ermittelt und auf dieser Grundlage den jeweiligen Spannenhöchstbetrag ermittelt.

Sollte die im ehemaligen Westberlin gelegene Wohnung aber erst ab 1984 bezugsfertig geworden sein, kommt ausgehend vom (damaligen) Rechtsstandpunkt des 32. Senats eine angemessene Kaltmiete von bis zu 600,80 Euro !!!!!!!!!!monatlich in Betracht. Daneben hat er in dem genannten Urteil vom 25. September 2009 Betriebskosten in Höhe von monatlich 3,55 Euro je Quadratmeter und Heizkosten in Höhe von monatlich 1,75 Euro je Quadratmeter – jeweils bezogen auf das Jahr 2007 – berücksichtigt, so dass ausgehend von diesen Werten die hier streitigen KdU und Heizkosten angemessen sein könnten. Der 32. Senat hat schließlich in seinem Urteil vom 25. September 2009 die Revision zugelassen, da die Art und Weise der Ermittlung der KdU in Berlin anhand des Berliner Mietspiegels sowie der Ermittlung der warmen und kalten Betriebskosten grundsätzliche Bedeutung habe; sie sei zwischen den Senaten des Landessozialgerichts streitig (unter Bezugnahme auf ein Urteil des 28. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Mai 2009 - L 28 AS 848/08).

Anmerkung: LSG Berlin- Brandenburg, Urteil vom 25. September 2009 - L 32 AS 1248/09-

Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Angemessenheitsprüfung anhand des Berliner Mietspiegels - Wohnungsstandard - Baujahr - Berücksichtigung der Miete anmietbarer Unterkünfte - Spannenoberwert der Kaltmiete - Betriebskosten nach Anlage I zum Mietspiegel - 4/5 Spannen-Oberwert - Wohnflächengrenze - Zweipersonenhaushalt


Bei einer Absenkung der zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung von den tatsächlichen auf die angemessenen Kosten nach § 22 Abs. 1 SGB II ist einerseits davon auszugehen, dass einem Leistungsbezieher jede Wohnung mit üblichem Standard zuzumuten ist, unabhängig vom Baujahr.
Als angemessen kann andererseits nur die Miete derjenigen Wohnungen herangezogen werden, für welche der konkrete Antragsteller wirklich einen Mietvertrag abschließen könnte.


Solange der Leistungsträger dem Leistungsempfänger keine konkrete Mietvertragsabschlussmöglichkeit aufzeigt, muss deshalb bei der Anwendung des Berliner Mietspiegels 2007 der Unterschied zwischen den Mieten aller in den Mietspiegel eingeflossenen Mietverhältnisse und der Mieten für diejenigen Wohnungen, die auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden und die auch der Leistungsempfänger realistischerweise anmieten könnte, berücksichtigt werden. Es ist deshalb geboten, den Spannenoberwert der Kaltmiete anstelle des Mittelwertes für die Kaltmiete der Vergleichskostenberechnung zu grunde zu legen.
Auch bei den kalten und warmen Betriebskosten sind mangels besserer Zahlen die Werte der Anlage I zum Mietspiegel heranzuziehen, auch wenn diese nicht amtlich sind. Der Mietspiegel enthält hierzu neben einem Mittelwert auch einen 4/5 Spannen-Oberwert. Letzterer ist zugrunde zu legen, damit auch insoweit von tatsächlich realistischen Kostenansätzen für anzumietende Wohnungen ausgegangen werden kann. Angeführt im Mietspiegel sind nämlich nur die Betriebskosten des Jahres 2005 trotz steigender Preise jedenfalls für Energie. Zwar ergibt sich aus dem Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes für 2007 ein Mittelwert von 2,13 Euro/m² für Betriebskosten einschließlich Heizung, also deutlich weniger. Maßgeblich kann aber aus vorgenanntem Grund (Unangemessenheit der jetzigen Miete nur soweit die konkrete zumutbare Alternative günstiger wäre) mutmaßlich konkret anmietbare Wohnung speziell in Berlin.


Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.

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