Art. 20 Abs. 3 GG, §§ 73a Abs. 1 S.1, 86b Abs. 1 Nr. 2, 172 Abs. 3 Nr. 1 Nr. 2 SGG
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 21.06.2011 – L 25 AS 211/10 B PKH
1. Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat auch dann Aussicht auf Erfolg, wenn der anwaltlich vertretene Leistungsberechtigte den falschen Rechtsbehelf gewählt hat.
2. Wird über den Antrag auf Prozesskostenhilfe aus Gründen, die in der Sphäre des Gerichtes liegen nicht rechtzeitig entschieden, kann auch noch nach der Entscheidung in der Hauptsache über den Antrag auf Prozesskostenhilfe entschieden werden.
Anmerkung: Im vorliegenden Fall hatte das Sozialgericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid mit dem die Leistungen wegen einer Sanktion abgesenkt worden war, rechtskräftig abgewiesen und auch den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Das Sozialgericht hatte über den Antrag auf Prozesskostenhilfe gleichzeitig mit dem Antrag über den einstweiligen Rechtsschutz entschieden. Das Landessozialgericht unterscheidet hinsichtlich des Zeitpunktes auf den auch bei nachträglicher Bewilligung abzustellen ist zwischen dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife und dem Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuches (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, 06.10.2010 – L 11 SB 55/10 B PKH).
Der Antrag ist bewilligungsreif, wenn der vollständige Antrag auf Prozesskostenhilfe, einschließlich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisses vorliegt. Entscheidungsreife liegt erst vor, wenn der Gegner innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme hatte (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, 06.10.2010 a.a.O.). Zumeist wird auf die Entscheidungsreife abgestellt, im Einzefall kann es aber zur Gewährung der Rechtsschutzgleichheit geboten sein, auch die Bewilligungsreife abzustellen, etwa, wenn der Gegner den Klageanspruch zu Fall bringt, weil er erst im Prozesskostenhilfeantragsverfahren eine vorprozessual dem Kläger bisher unbekannte Urkunde vorlegt, aus der sich der Wegfall des Klageanspruchs ergibt.
Nach Entscheidung in der Hauptsache entfällt das Rechtsschutzbedürfnis, so dass nach dem in der Prozesskostenhilfe geltenden Gegenwärtigkeitsgrundsatz kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe mehr besteht. Dies führt jedoch dazu, dass der Anspruch des Antragsteller auf effektiven Rechtsschutz (Art. 20 GG) verletzt wird, so dass gleichwohl Prozesskostenhilfe rückwirkend bewilligt werden muss.
Unschädlich war hier auch, dass der Prozessbevollmächtigte zusammen mit dem Sozialgericht eine Regelungsanordnung (§ 86b Abs. 2 Nr.1 SGG) angenommen hatte, denn das Ziel des einstweiligen Rechtsschutzes war hier ausreichend erkennbar, die Wirkung des Sanktions- bzw. Absenkungsbescheides entfallen zu lassen. Richtige Verfahrensart bei einer Sanktion ist die Anfechtungsklage bzw. der Anfechtungsantrag bei der einstweiligen Anordnung, die auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtet ist, weil allein hierdurch die Wirkung der Absenkung entfällt (vgl. BSG, 17.12.2009 – B 4 AS 20/09 R).
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