Bei der Berechnung des bei mehr als zwei betreuten Kindern anzurechnenden Einkommens ist für jedes Kind derselbe, nämlich der - auf die konkrete Gruppe betreuter Kinder bezogen - durchschnittliche Erziehungsgeldbetrag zu Grunde zu legen, so dass es keiner Bestimmung bedarf, welches Kind das erste im Sinne des § 11 Abs. 4 ist, welches das zweite, welches das dritte usw..
§ 11 Abs. 4 SGB II a.F. jetzt § 11a Abs. 3 Satz 2 SGB II n. F.
Landessozialgericht Hamburg Urteil vom 16.06.2011, - L 5 AS 49/08 -
Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Die Voraussetzung der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ist gegeben, weil das Vorhandensein mehrerer Pflegekinder nicht ungewöhnlich und die Rechtslage – die sich in der Neufassung des SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (vom 24.3.2011, BGBl. I S. 453 ff.) inhaltlich unverändert in § 11a Abs. 3 Satz 2 findet – insoweit nicht höchstrichterlich geklärt ist.
Hinsichtlich der Berechnung des zu berücksichtigen Teils des Pflegegeldes ist zunächst von den der HB tatsächlich zugeflossenen Erziehungsgeldanteilen auszugehen (so auch Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 11 Rn. 47; Schmidt, in: Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 11 SGB II Rn. 161, Stand Okt. 2010) und nicht – wie in den Bescheiden geschehen – von den im Gesetzgebungsverfahren zugrunde gelegten Empfehlungen des Deutschen Vereins (BT-Drs. 16/1410 S. 21). Diese Empfehlungen entfalten keine normative Kraft, sondern bildeten ersichtlich lediglich die Tatsachengrundlage, auf der die Regelung getroffen wurde.
Richtigerweise waren weiterhin von den Erziehungsgeldanteilen keine Absetzungen nach § 11 Abs. 2 SGB II a.F. vorzunehmen. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 11 Abs. 4 SGB II a.F. – "abweichend von den Absätzen 1 bis 3" (so auch Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 11 Rn. 313, Stand Aug. 2008; Hohm/Klaus, in: Hohm, SGB II, § 11 Rn. 450, Stand Okt. 2008).
Schließlich war die Bestimmung des ersten, zweiten usw. Pflegekindes im Sinne des § 11 Abs. 4 SGB II a.F. nicht nach einer zeitlichen Reihenfolge der jeweils in einem Pflegeverhältnis zum Leistungsberechtigten stehenden Kinder, sondern nach einer Durchschnittsbildung der erhaltenen Erziehungsgeldanteile durchzuführen. Eine Rangfolge nach dem Datum des Betreuungsvertrages (so etwa Hengelhaupt, a.a.O., Rn. 311; Schmidt, a.a.O., Rn. 162) führt in Fällen wie dem vorliegenden von vornherein zu keiner Lösung, da drei der vier Kinder mit Betreuungsvertrag vom selben Tage und auch tatsächlich am selben Tage aufgenommen wurden. Das Kriterium erscheint ohnehin wenig sachgerecht, da es bei unterschiedlich hohen Erziehungsgeldanteilen zu zufälligen Ergebnissen führen kann, die sich in der Höhe durchaus beträchtlich unterscheiden können. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 11 Abs. 4 SGB II a.F. – die gesetzliche Bestimmung nämlich, ab welchem Punkt die Lage des Erziehungsgeldempfängers sich so günstig darstellt, dass SGB II-Leistungen nicht gerechtfertigt erscheinen – sowie die Annahme des Gesetzgebers, dass der Erziehungsgeldanteil jeweils gleich sei (BT-Drs. 16/1410 S. 21), legen demgegenüber das Verständnis der Norm nahe, dass der Gesetzgeber bei ein und zwei Pflegekindern eine Anrechnung nicht für geboten hielt, bei drei Kindern einen Anteil teilweise und alle weiteren Erziehungsgeldanteile in voller Höhe anrechnen wollte. Das bedeutet, dass mit den Wörtern "erstes", "zweites" usw. keine Rangfolge gebildet, sondern lediglich die Anzahl der vereinnahmten Erziehungsgeldanteile bestimmt und mit unterschiedlichen Anrechnungsweisen versehen werden sollte.
Dann aber entspricht es der gesetzlichen Regelung, einen Durchschnitt aller Erziehungsgeldanteile zu bilden und diesen der Anrechnung zugrunde zu legen; sachgerecht ist dies nach dem oben Gesagten ohnehin, um Zufälligkeiten der Reihenfolge unterschiedlicher Erziehungsgeldanteile auszugleichen: Familien mit gleicher Pflegekindersituation haben auf der Grundlage dieses Normverständnisses in gleicher Höhe freies Einkommen, unabhängig vom Zeitpunkt der Aufnahme der jeweiligen Pflegekinder.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=143655&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.
Landessozialgericht Hamburg Urteil vom 16.06.2011, - L 5 AS 49/08 -
Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Die Voraussetzung der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ist gegeben, weil das Vorhandensein mehrerer Pflegekinder nicht ungewöhnlich und die Rechtslage – die sich in der Neufassung des SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (vom 24.3.2011, BGBl. I S. 453 ff.) inhaltlich unverändert in § 11a Abs. 3 Satz 2 findet – insoweit nicht höchstrichterlich geklärt ist.
Hinsichtlich der Berechnung des zu berücksichtigen Teils des Pflegegeldes ist zunächst von den der HB tatsächlich zugeflossenen Erziehungsgeldanteilen auszugehen (so auch Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 11 Rn. 47; Schmidt, in: Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 11 SGB II Rn. 161, Stand Okt. 2010) und nicht – wie in den Bescheiden geschehen – von den im Gesetzgebungsverfahren zugrunde gelegten Empfehlungen des Deutschen Vereins (BT-Drs. 16/1410 S. 21). Diese Empfehlungen entfalten keine normative Kraft, sondern bildeten ersichtlich lediglich die Tatsachengrundlage, auf der die Regelung getroffen wurde.
Richtigerweise waren weiterhin von den Erziehungsgeldanteilen keine Absetzungen nach § 11 Abs. 2 SGB II a.F. vorzunehmen. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 11 Abs. 4 SGB II a.F. – "abweichend von den Absätzen 1 bis 3" (so auch Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 11 Rn. 313, Stand Aug. 2008; Hohm/Klaus, in: Hohm, SGB II, § 11 Rn. 450, Stand Okt. 2008).
Schließlich war die Bestimmung des ersten, zweiten usw. Pflegekindes im Sinne des § 11 Abs. 4 SGB II a.F. nicht nach einer zeitlichen Reihenfolge der jeweils in einem Pflegeverhältnis zum Leistungsberechtigten stehenden Kinder, sondern nach einer Durchschnittsbildung der erhaltenen Erziehungsgeldanteile durchzuführen. Eine Rangfolge nach dem Datum des Betreuungsvertrages (so etwa Hengelhaupt, a.a.O., Rn. 311; Schmidt, a.a.O., Rn. 162) führt in Fällen wie dem vorliegenden von vornherein zu keiner Lösung, da drei der vier Kinder mit Betreuungsvertrag vom selben Tage und auch tatsächlich am selben Tage aufgenommen wurden. Das Kriterium erscheint ohnehin wenig sachgerecht, da es bei unterschiedlich hohen Erziehungsgeldanteilen zu zufälligen Ergebnissen führen kann, die sich in der Höhe durchaus beträchtlich unterscheiden können. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 11 Abs. 4 SGB II a.F. – die gesetzliche Bestimmung nämlich, ab welchem Punkt die Lage des Erziehungsgeldempfängers sich so günstig darstellt, dass SGB II-Leistungen nicht gerechtfertigt erscheinen – sowie die Annahme des Gesetzgebers, dass der Erziehungsgeldanteil jeweils gleich sei (BT-Drs. 16/1410 S. 21), legen demgegenüber das Verständnis der Norm nahe, dass der Gesetzgeber bei ein und zwei Pflegekindern eine Anrechnung nicht für geboten hielt, bei drei Kindern einen Anteil teilweise und alle weiteren Erziehungsgeldanteile in voller Höhe anrechnen wollte. Das bedeutet, dass mit den Wörtern "erstes", "zweites" usw. keine Rangfolge gebildet, sondern lediglich die Anzahl der vereinnahmten Erziehungsgeldanteile bestimmt und mit unterschiedlichen Anrechnungsweisen versehen werden sollte.
Dann aber entspricht es der gesetzlichen Regelung, einen Durchschnitt aller Erziehungsgeldanteile zu bilden und diesen der Anrechnung zugrunde zu legen; sachgerecht ist dies nach dem oben Gesagten ohnehin, um Zufälligkeiten der Reihenfolge unterschiedlicher Erziehungsgeldanteile auszugleichen: Familien mit gleicher Pflegekindersituation haben auf der Grundlage dieses Normverständnisses in gleicher Höhe freies Einkommen, unabhängig vom Zeitpunkt der Aufnahme der jeweiligen Pflegekinder.
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