Erfolgt die Beendigung einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (§ 16d S 2 SGB 2) durch den Maßnahmeträger und nicht durch das Jobcenter, muss die auf Fortführung des Einsatzes gerichtete Klage gegen den Maßnahmeträger gerichtet werden.
§ 16d S 2 SGB 2
Sozialgericht Berlin Beschluss vom 20.07.2011, - S 55 AS 41075/09 -
1. Erfolgt die Beendigung einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (§ 16d S 2 SGB 2) durch den Maßnahmeträger und nicht durch das Jobcenter, muss die auf Fortführung des Einsatzes gerichtete Klage gegen den Maßnahmeträger gerichtet werden.
2. Die Kündigung in einem solchen Fall betrifft ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen Leistungsberechtigtem und Maßnahmeträger, der bei Arbeitsgelegenheiten nach § 16d S 2 SGB 2 nicht lediglich "willenloses" Werkzeug der Behörde ist.
Beim Einsatz Leistungsberechtigter nach § 16d Satz 2 SGB II steht es dem Maßnahmeträger frei, einen ihm vom Leistungsträger vorgeschlagenen Bewerber abzulehnen. Wird der Leistungsberechtigte auf Grund einer Eingliederungsvereinbarung, durch Verwaltungsakt oder sonstiges Verwaltungshandeln einem Arbeitgeber als Maßnahmeträger zugewiesen, so bindet dies den Maßnahmeträger nicht (BAG Urteil vom 02.10.2007, 1 ABR 60/06, RdNr 23 unter Verweis auch auf BVerwG, Urt. vom 21.03.2007 – 6 P 4/06). Die für die Arbeitsgelegenheit grundlegende Eingliederungsvereinbarung wird zwischen dem Leistungsträger und dem Leistungsberechtigten geschlossen. Der Maßnahmeträger wird dadurch nicht verpflichtet. Wäre dies der Fall, müsste er wegen § 57 Abs 1 SGB X zwingend seine schriftliche Zustimmung erklären, anderenfalls wäre die Vereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu Lasten Dritter nichtig. Daran ändert nichts, dass zwischen Leistungsträger und Maßnahmeträger ein Vertrag nach § 17 SGB II zu schließen ist. Ein solcher Vertrag kann wegen der Mitbestimmungsbefugnisse des Betriebsrates auch keine antezipierte abstrakte Zustimmung vorsehen. Adressat des ersatzweise ergehenden Verwaltungsakts nach § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II ist ebenfalls nur der erwerbsfähige Hilfebedürftige. Die Regelungen in §§ 15, 16d SGB II enthalten keine Rechtsgrundlage, nach welcher der Leistungsträger befugt wäre, dem Maßnahmeträger gegen seinen Willen einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuzuweisen (BAG Urteil vom 02.10.2007, 1 ABR 60/06, RdNr 23 mwN, so ausdrücklich auch Voelzke aaO RdNr 95). Dem korrespondiert die Befugnis des Maßnahmeträgers, das zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten bestehende Rechtsverhältnis zu kündigen.
Dass § 16d Satz 2 SGB II ausdrücklich das Bestehen eines Arbeitsrechtsverhältnisses ausschließt, bedeutet nicht, dass zwischen Maßnahmeträger und Leistungsberechtigten kein Rechtsverhältnis begründet würde. Besteht ein Entscheidungsrecht des Maßnahmeträgers hinsichtlich des Ob der Eingliederung des Leistungsberechtigten in seinen Betrieb (bei Mitbestimmungsbefugnis des Betriebsrates – siehe die zitierte BAG-Entscheidung) und sein Dispositionsrecht hinsichtlich des konkreten Einsatzes, kann kein Zweifel daran bestehen, dass ein Rechtsverhältnis zwischen Maßnahmeträger und Leistungsberechtigten mit eigenen subjektiven Rechten der beiden Beteiligten dieser Beziehungen vorliegt.
Dann muss, solange das Jobcenter seine Leistungsbewilligung nach § 16d SGB II aufrecht erhält, Anspruchsgegner im Streit über den Bestand des Rechtsverhältnisses der Maßnahmeträger sein. Dadurch wäre auch effektiver Rechtsschutz gesichert. Die Klage wäre zulässig auf die Fortsetzung der nichtentgeltlichen Beschäftigung im Rahmen der Arbeitsgelegenheit oder die Feststellung des Fortbestehens des Rechtsverhältnisses mit Anspruch des Leistungsberechtigten auf Tätigkeitszuweisung zu richten. Dabei würde das Rechtsverhältnis mit dem Maßnahmeträger auf öffentlich-rechtlicher Grundlage (h.M.) bestehen, wie § 16d Satz 2 SGB II durch die insofern unglückliche negative Bestimmung ihres Charakters zeigt. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten wäre eröffnet. Die materiell-rechtlichen Grundlagen für die Entscheidung solcher Rechtsstreite würden sich aus den sozialrechtlichen Maßgaben zur Integration in das Arbeitsleben und zur Berücksichtigung der Belange der Maßnahmeträger ergeben, wobei auch arbeitsrechtliche Grundsätze herangezogen werden können. Die hier erhobene Klage kann deshalb unter dem Aspekt des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nicht als alternativlos angesehen werden.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=143656&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.
Sozialgericht Berlin Beschluss vom 20.07.2011, - S 55 AS 41075/09 -
1. Erfolgt die Beendigung einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (§ 16d S 2 SGB 2) durch den Maßnahmeträger und nicht durch das Jobcenter, muss die auf Fortführung des Einsatzes gerichtete Klage gegen den Maßnahmeträger gerichtet werden.
2. Die Kündigung in einem solchen Fall betrifft ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen Leistungsberechtigtem und Maßnahmeträger, der bei Arbeitsgelegenheiten nach § 16d S 2 SGB 2 nicht lediglich "willenloses" Werkzeug der Behörde ist.
Beim Einsatz Leistungsberechtigter nach § 16d Satz 2 SGB II steht es dem Maßnahmeträger frei, einen ihm vom Leistungsträger vorgeschlagenen Bewerber abzulehnen. Wird der Leistungsberechtigte auf Grund einer Eingliederungsvereinbarung, durch Verwaltungsakt oder sonstiges Verwaltungshandeln einem Arbeitgeber als Maßnahmeträger zugewiesen, so bindet dies den Maßnahmeträger nicht (BAG Urteil vom 02.10.2007, 1 ABR 60/06, RdNr 23 unter Verweis auch auf BVerwG, Urt. vom 21.03.2007 – 6 P 4/06). Die für die Arbeitsgelegenheit grundlegende Eingliederungsvereinbarung wird zwischen dem Leistungsträger und dem Leistungsberechtigten geschlossen. Der Maßnahmeträger wird dadurch nicht verpflichtet. Wäre dies der Fall, müsste er wegen § 57 Abs 1 SGB X zwingend seine schriftliche Zustimmung erklären, anderenfalls wäre die Vereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu Lasten Dritter nichtig. Daran ändert nichts, dass zwischen Leistungsträger und Maßnahmeträger ein Vertrag nach § 17 SGB II zu schließen ist. Ein solcher Vertrag kann wegen der Mitbestimmungsbefugnisse des Betriebsrates auch keine antezipierte abstrakte Zustimmung vorsehen. Adressat des ersatzweise ergehenden Verwaltungsakts nach § 15 Abs 1 Satz 6 SGB II ist ebenfalls nur der erwerbsfähige Hilfebedürftige. Die Regelungen in §§ 15, 16d SGB II enthalten keine Rechtsgrundlage, nach welcher der Leistungsträger befugt wäre, dem Maßnahmeträger gegen seinen Willen einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuzuweisen (BAG Urteil vom 02.10.2007, 1 ABR 60/06, RdNr 23 mwN, so ausdrücklich auch Voelzke aaO RdNr 95). Dem korrespondiert die Befugnis des Maßnahmeträgers, das zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten bestehende Rechtsverhältnis zu kündigen.
Dass § 16d Satz 2 SGB II ausdrücklich das Bestehen eines Arbeitsrechtsverhältnisses ausschließt, bedeutet nicht, dass zwischen Maßnahmeträger und Leistungsberechtigten kein Rechtsverhältnis begründet würde. Besteht ein Entscheidungsrecht des Maßnahmeträgers hinsichtlich des Ob der Eingliederung des Leistungsberechtigten in seinen Betrieb (bei Mitbestimmungsbefugnis des Betriebsrates – siehe die zitierte BAG-Entscheidung) und sein Dispositionsrecht hinsichtlich des konkreten Einsatzes, kann kein Zweifel daran bestehen, dass ein Rechtsverhältnis zwischen Maßnahmeträger und Leistungsberechtigten mit eigenen subjektiven Rechten der beiden Beteiligten dieser Beziehungen vorliegt.
Dann muss, solange das Jobcenter seine Leistungsbewilligung nach § 16d SGB II aufrecht erhält, Anspruchsgegner im Streit über den Bestand des Rechtsverhältnisses der Maßnahmeträger sein. Dadurch wäre auch effektiver Rechtsschutz gesichert. Die Klage wäre zulässig auf die Fortsetzung der nichtentgeltlichen Beschäftigung im Rahmen der Arbeitsgelegenheit oder die Feststellung des Fortbestehens des Rechtsverhältnisses mit Anspruch des Leistungsberechtigten auf Tätigkeitszuweisung zu richten. Dabei würde das Rechtsverhältnis mit dem Maßnahmeträger auf öffentlich-rechtlicher Grundlage (h.M.) bestehen, wie § 16d Satz 2 SGB II durch die insofern unglückliche negative Bestimmung ihres Charakters zeigt. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten wäre eröffnet. Die materiell-rechtlichen Grundlagen für die Entscheidung solcher Rechtsstreite würden sich aus den sozialrechtlichen Maßgaben zur Integration in das Arbeitsleben und zur Berücksichtigung der Belange der Maßnahmeträger ergeben, wobei auch arbeitsrechtliche Grundsätze herangezogen werden können. Die hier erhobene Klage kann deshalb unter dem Aspekt des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nicht als alternativlos angesehen werden.
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=143656&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles unter der Führung des Sozialreferenten Harald Thome.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen