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Brand aktuelles Urteil des Bundessozialgerichts zum Thema - Hartz IV -

Der Erwerbstätigenfreibetrag im Sinne  des § 30 SGB II a. F. (jetzt § 11b SGB II ) ist grundsätzlich nicht vom Krankengeld als Entgeltersatzleistung in Abzug zu bringen.Seine Absetzfähigkeit ist auf Erwerbseinkommen beschränkt.


Freibeträge nach § 11 Abs 2 S 1 SGB II, insbesondere nach § 11 S 1 Nr 5 SGB II a. F.(jetzt § 11b Abs 1 Satz 2 SGB II), sind jedoch auch vom Krankengeld vor der Berücksichtigung als Einkommen bei der Berechnung des Alg II abzuziehen.


Weihnachtsgeld ist als Einmalige Einnahme um den Erwerbstätigenfreibetrag nach  § 11b SGB II zu bereinigen,

so urteilte das das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem heutigem veröffentlichtem Urteil (Az.:B 4 AS 180/10 R ).

Im Einzelnen hat das BSG folgende Punkte festgestellt:


1. Die Absetzfähigkeit des § 11b SGB II  ist auf Erwerbseinkommen beschränkt. Dies folgt aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte, systematischem Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Regelung und entspricht auch der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum früheren § 76 Abs 2a BSHG.


2. Freibeträge nach § 11 Abs 2 S 1 SGB II, insbesondere nach § 11 S 1 Nr 5 SGB II a. F. (jetzt § 11b Abs 1 Satz 2 SGB II), sind jedoch auch vom Krankengeld vor der Berücksichtigung als Einkommen bei der Berechnung des Alg II abzuziehen.

Nach § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB II wird der Absetzbetrag gewährt für mit der Erzielung der Einkünfte verbundene notwendige Aufwendungen. Bereits vom Wortlaut her sind derartige Absetzungen mithin auch vom Einkommen, das nicht Erwerbseinkommen ist, möglich. Mit der Erzielung des Einkommens verbunden ist eine Aufwendung dann, wenn die Zielrichtung der Aufwendung mit der Einkunftsart in einer Beziehung steht - gleichsam eng mit ihr verbunden ist.

Notwendig sind die Aufwendungen, wenn sie auch während des Bezugs der Entgeltersatzleistung weiter anfallen, weil die Verbundenheit mit der Einkommensart so eng ist, dass eine Einstellung des Aufwandes nicht erwartet werden oder während des Entgeltersatzanspruchs nicht ohne Weiteres reduziert werden kann.

Im letzteren Falle sind die Aufwendungen bis zur ersten sich ergebenden rechtlichen Möglichkeit der Änderung abzusetzen -zB Jahreskarte für den öffentlichen Nahverkehr), die nun aber während des Bezugs der Entgeltersatzleistung ggf nicht anfallen. (- Schonfrist - Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 7/10 R; SozR 4-4200 § 11 Nr 34).


3. Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, dass das Weihnachtsgeld nach § 2 Abs 4 Satz 3 Alg II-V (idF vom 17.12.2007, aaO) als einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von zwölf Monaten verteilt hat (zum so genannten Verteilzeitraum vgl Urteile des erkennenden Senats vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15 und B 4 AS 57/07 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 16; vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R und des 14. Senats vom 26.10.2009 - B 14 AS 55/08 R; vom 21.12.2009 - B 14 AS 46/08 R; vom 18.2.2010 - B 14 AS 76/08 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 27).


Entfällt durch die Berücksichtigung der einmaligen Einnahme die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten und die Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers in vollem Umfang und bleibt gleichwohl die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung bestehen, liegt ein Regelfall iS des § 2 Abs 4 Satz 3 Alg II-V vor, der eine Aufteilung der einmaligen Einnahme über mehrere Monate rechtfertigt (s zum Regelfall ausführlich BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 16).


Zwar hat das BSG bisher nicht ausdrücklich darüber befunden, ob eine Verteilung über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten hinaus noch angemessen ist.

Angedeutet hat der Senat dieses in der Ausgangsentscheidung vom 30.9.2008 (s oben) jedoch bereits. Bei einer für ein Jahr bestimmten Einnahme, die zudem in der Gesamtsumme den monatlichen Anspruch auf Alg II übersteigt (s hierzu BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 16) und für ein Kalenderjahr bestimmt ist, spricht jedoch nichts dagegen, den angemessenen Zeitraum als einen jährlichen festzulegen und die Einnahme damit in zwölf Teile aufzuteilen.

Erstmals mit dem am 1.4.2011 in Kraft getretenen neuen § 11 Abs 3 Satz 2 SGB II (BGBl I 453) hat der Gesetzgeber den Verteilzeitraum zeitlich eindeutig auf einen Zeitraum von sechs Monaten eingegrenzt.

Hieraus können jedoch keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden. Es war bis dato der unbestimmte Rechtsbegriff des "angemessenen Zeitraums" als Bewertungsgrundlage heranzuziehen.


4. Bisher ebenfalls höchstrichterlich nicht entschieden ist, wie bei einer verteilten Einnahme die Absetzungen zu erfolgen haben.

Der Nettobetrag des Weihnachtsgeldes ist als einmaliger Einnahme vor ihrer Verteilung über einen Zeitraum von 12 Monaten zunächst um den Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 SGB II a. F sowie den Betrag nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB II zu bereinigen. 

Alsdann sind von dem Gesamteinkommen aus verteilter einmaliger Einnahme und Entgeltersatzleistung monatlich anfallende weitere Absetzungen nach § 11 Abs 2 SGB II vorzunehmen.

Vor der Berücksichtigung der einmaligen Einnahme im Monat des Zuflusses - wenn es sich um Erwerbseinkommen handelt - sind die Absetzbeträge nach § 11 Abs 2 Nr 1 und 2 SGB II (Steuern und Sozialversicherungsbeiträge), der Erwerbstätigenfreibetrag und der Absetzbetrag nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB II (s nunmehr § 11b Abs 1 Satz 2 SGB II) in Abzug zu bringen.

Der danach verbleibende Betrag ist zu verteilen. Dieses Vorgehen hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 30.9.2008 (B 4 AS 57/07 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 16) angedeutet.

In jedem Monat des Verteilzeitraums sind alsdann monatlich Absetzungen vom Gesamteinkommen - verteiltes Entgelt und anderes Einkommen - vorzunehmen, soweit die Belastungen monatlich tatsächlich und rechtlich zu berücksichtigend anfallen, nicht nur von einer bestimmten Einkommensart abgesetzt werden können und nicht bereits (vorab) in voller Höhe oder anteilig abgesetzt worden sind.


BSG, Urteil vom 27.09.2011, - B 4 AS 180/10 R -

http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2011&nr=12208&pos=0&anz=163



Anmerkung: Man erinnere sich an folgenden Beitrag des Sozialrechtsexperten zur Anrechnung von Einmaligem Einkommen - 

 Einmalige Einnahmen (vor dem 01.04.2011), die im Zuflussmonat den Leistungsanspruch beenden, sind mit Beginn eines neuen Stammrechts auf
Grundsicherungsleistungen als Vermögen zu behandeln.

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/10/sozialgericht-berlin-widerspricht-der.html


Betroffenen rät die Kanzlei zu Überprüfungsanträgen nach § 44 SGB X, wobei zu beachten ist, dass dass allerdings seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 24.03.2011 (BGBl I 2011, 453) die Jahresfrist des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X zu beachten ist, die auch dann gilt, wenn sich die Sachlage bei Dauerverwaltungsakten nachträglich zugunsten der Betroffenen ändert (§ 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X).


Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles .

Kommentare

  1. Gerade bei Weihnachtsgeld ist der HB aber auch bei 1 monatigem Wegfall kompletter staatlicher Hilfe über seinen Arbeitgeber/aRbetisvertrag/Lohn weiterhin voll versichert.
    Gerade hier halte ich die Aufteilung für verfassugswidrig, da sie der stringenten Denklogik völlig zuwider läuft.

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  2. Habe seit 2008 ein SG-Verfahren laufen wg. des gleichen Streitgegenstandes. Das SG-Hamburg beruft sich nun in 2013 auf dieses BSG-Urteil um den Anspruch auf Erwerbstätigenfreibetrag abzuwehren.

    So wie ich das BSG-Urteil verstehe und ganz besonders die Begründung hierzu " Wortlaut, Entstehungsgeschichte, systematischem Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Regelung" geht man bei einem Krankengeldbezug von einer Entgeltersatzleistung im Falle von Arbeitsunfähigkeit o h n e Anwesenheit am Arbeitsplatz aus, also wo kein konkreter Bezug zur Erwerbstätigkeit und den damit verbundenen Aufwendungen besteht.

    Was hierbei völlig übersehen wird, ist der typische und normale Fall der Wiedereingliederung bei Krankheit ins Arbeitsleben. Hier bezieht der Betroffenen zwar Krankengeld, ist auch arbeitsunfähig, ist aber entsprechend einem Stufenplan am Arbeitsplatz eingesetzt und die Aufwendungen, die mit der Freibetragsregelung abgegolten werden sollen, entstehen ganz konkret und nicht abstrakt.

    Mit anderen Worten in Fall der Wiedereingliederung am Arbeitsplatz verhält es sich bei Krankengeldbezug wie bei Arbeitsentgelt, da man ja aktiv und produktiv am Arbeitsplatz eingesetzt wird und somit alle Gründe der Freibetragsregelung die vom BSG angeführt werden eben auch zutreffend sind.

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  3. Ich verstehe das nicht. Heisst es nun, dass das Weihnachtsgeld bei sonstigem Herausfallen aus dem BEzug aufgeteilt werden muss oder nicht?

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