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Keine Anwendung des -Bundesweiten Heizspiegels-, wenn die bewohnte Doppelhaushälfte der Antragsteller bei zwei Geschossen lediglich über eine Wohnfläche von 130 m² verfügt- Neuer Beschluss schränkt Heizspiegel-Nutzung ein

In einem heutigem veröffentlichtem Beschluss des SG Lüneburg AZ: S 45 AS 257/11 ER hat das Sozialgericht Lüneburg  entschieden, dass entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin der "Bundesweite Heizspiegel", auf den das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 2. Juli 2009 (Az. B 14 AS 36/08 ER) Bezug genommen hat, vorliegend nicht zur Ermittlung angemessener Heizkosten herangezogen werden kann.

Denn dieser bezieht sich ausdrücklich nur auf Wohngebäude mit einer Gebäudefläche von mindestens 100 m².

Hierunter fällt die von den Antragsstellern bewohnte Doppelhaushälfte nicht, da sie bei zwei Geschossen lediglich über eine Wohnfläche von 130 m² verfügt. Insofern kommt es auch nicht darauf an, wie groß beide Doppelhaushälften zusammen sind, da Doppelhaushälften regelmäßig technisch getrennt sind und über zwei Heizungsanlagen verfügen (vgl. SG Lüneburg, Beschl. v. 16.02.2010 - S 45 AS 34/10 ER -).

Zudem gilt es, das individuelle Heizverhalten zu ermitteln und zu bewerten, das bei den Bewohnern zweier Doppelhaushälften völlig un-terschiedlich sein kann.

Das BSG hat in seinem Urteil vom 2. Juli 2009 (Az. B 14 AS 36/08 R) klargestellt, dass die Angemessenheit der Heizkosten im SGB II unabhängig von der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft zu beurteilen ist und der Anspruch auf Heizkosten in Höhe der konkret-individuell geltend gemachten Aufwendungen be-steht.

Eine Pauschalierung ist unzulässig. Eine Begrenzung der Übernahme der Aufwendungen ist nur dann möglich, wenn ersichtlich wird, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige eklatant kostspieliges oder un-wirtschaftliches Heizen an den Tag legt.


Dem Leistungsträger obliegt jedoch die Darlegungs- und Beweislast in Form von konkreten und ausführlichen Ermittlungen zur Ange-messenheit des Heizverhaltens des erwerbsfähigen Hilfeempfängers.

Selbst wenn der Leistungsträger - anders als hier - die Unangemessenheit der Heizkosten in zulässiger Weise anhand des Überschreitens der maßgebenden Prüfwerte der Heizspiegel fest-stellt, hat er den erwerbsfähigen Hilfeempfänger auf die Unangemessenheit entspre-chend § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II unter Setzung einer Übergangsfrist hinzuweisen und ihm Gelegenheit zu geben, konkret vorzutragen und glaubhaft zu machen, aus welchen Gründen seine überhöhten Heizkosten im Einzelfall dennoch angemessen sind.

Erst wenn der erwerbsfähige Hilfeempfänger hierauf nicht reagiert, sind weitere behördliche Ermittlungen nicht angezeigt und die Erstattung der Aufwendungen für Heizmaterial auf den anhand des maßgeblichen Grenzwertes zu errechnenden Betrag zu beschränken.

Vorliegend haben aber die Antragsteller konkret vorgetragen, aus welchen auf den ersten Blick nachvollziehbaren und plausiblen Erwägungen sich die extrem hohen Heizkosten ergeben. Es sind daher zunächst weitere behördliche Ermittlungen - ggf. in Form eines Heizgutachtens - anzustellen, bevor den Antragstellern der Vorwurf eines unangemesse-nen Heizverhaltens gemacht werden kann.

Der erforderliche Anordnungsgrund ergibt sich bereits aus der Erwägung, dass den Antragstellern die ihnen zustehenden existenzsichernden Leistungen nicht länger, d.h. bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens, vorenthalten werden können.

Das gilt auch mit Blick auf die Kosten der Unterkunft. Der Zweck des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II liegt darin, die existenziell notwendigen Bedarfe der Unterkunft und Heizung sicherzustellen.

Den Antragstellern kann nicht zugemutet werden, zunächst das Hauptsacheverfahren abzuwarten, in der Zwischenzeit zu geringe Heizkostenabschläge zu leisten, damit erneut massive Rückstände aufzubauen und sogleich eine weitere Versorgungssperre zu riskieren.

Da es um die Gewährleistung des grundrechtlich verbürgten Existenzminimums geht, kann dessen Verletzung nicht durch eine nachträgliche Leis-tungsgewährung im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren beseitigt werden.

Anmerkung: Weiter im aktuellem Beschluss zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruch hinsichtlich der Gewährung eines Darlehens nach den §§ 22 Abs. 8 und  § 24 SGB II .

Der Anordnungsgrund ergibt sich hinsichtlich der Energiekostenrückstände aus einer drohenden Sperrung der Energiezufuhr, die den Antragstellern nicht zuzumuten ist und die durch ein Verfahren in der Hauptsache nicht abzuwenden wäre.

Zur Sicherstellung hat die Kammer die Auszahlung an den Energieversorger gemäß § 22 Abs. 7 Satz 3 Nr. 2 SGB II angeordnet. Damit ist den berechtigten Interessen der An-tragsgegnerin, nicht kurzfristig weitere Darlehn übernehmen zu müssen, ausreichend Rechnung zu tragen.

Bei der Festlegung der Ratenzahlung hat sich die Kammer an § 42 a Abs. 2 SGB II orientiert.


Sozialgericht Lüneburg Beschluss vom 29.06.2011, - S 45 AS 257/11 ER -

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144112&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=



Anmerkung: Neuer Beschluss schränkt Heizspiegel-Nutzung ein


Die im Heizspiegel angegebenen Werte beziehen sich nur auf Gebäudeflächen von mehr als 100 Quadratmetern. Mit dem Beschluss AZ: S 45 AS 34/10 ER hat das Sozialgericht Lüneburg nun entschieden, dass der Heizspiegel nicht länger für Wohneinheiten bzw. Wohnungen, deren Fläche 100 Quadratmeter unterschreiten und die gleichzeitig über eigene Heizungsanlagen verfügen, herangezogen werden kann. Als Folge dieses Beschlusses ist damit zu rechnen, dass Leistungsempfänger gegen als zu hoch eingestufte Heizkosten einen Widerspruch einlegen werden.

http://www.heizspiegel.de/news/article/1139/heizkosten-hartziv-heizspiegel-eingeschraenkt-nutzbar/index.html

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles .

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