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Leistungen nach dem SGB II sollen das Existenzminimum sichern, allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes

In einem gestern veröffentlichtem ,rechtskräftigem Beschluss hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht festgestellt, dass das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe hat, in denjenigen Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05).

Zwar sollen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II das Existenzminimum sichern. Wird durch die seitens des Leistungsträgers erbrachte Leistung der Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Hilfebedürftigen zeitweise nicht sichergestellt.

Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Erforderlich ist eine existentielle Notlage (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. März 2009, L 5 AS 5/09 B ER, Rdn. 3).

Hier liegt keine existenzbedrohende Notlage vor.

Bei der Bedarfs- Berechnung ist allerdings der Einkommensfreibetrag nach § 11b Abs. 3 SGB II nicht vom Einkommen abgezogen worden.

Das ist jedoch nach Ansicht des Senats bei dem ihm im Rahmen von § 86b Abs. 2 eingeräumten Ermessen zumutbar.

Allerdings ist zu bedenken, dass der Einkommensfreibetrag nicht nur Anreiz für eine Beschäftigung geben, sondern zugleich auch dem Ausgleich kleinerer erwerbsbedingter Mehraufwendungen dienen soll (vgl. Meckel in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Aufl. 2008, § 30, Rdn. 5).

Jedenfalls dann, wenn der Einkommensmehrbedarf nicht vollständig eingesetzt werden muss, kann er als Einkommen zur Behebung einer kurzfristigen, existentiellen Notlage eingesetzt werden, sodass im Rahmen einer einstweiligen Anordnung kein Abzug vom Einkommen vorzunehmen ist (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. März 2009, L 5 AS 5/09 B ER, a.a.O., Rdn. 3; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21. Januar 2011, L 7 AS 962/10 B ER, Rdn. 11).

Das gilt umso mehr, als der Antragsteller Einstiegsgeld von monatlich 197,40 EUR erhält. Das Einstiegsgeld, das nach § 11 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II grundsätzlich von einer Einkommensanrechnung freibleibt, soll ebenso wie die Freibeträge für Erwerbstätigkeit Anreiz zur Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit bieten.

Es soll faktisch als Lohnsubvention wirken. Zwar handelt es sich dabei nicht um eine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts, sondern zur Eingliederung in Arbeit .

Dabei dient das Einstiegsgeld aber nicht – wie die Antragsteller meinen – lediglich der Anschaffungen von Gegenständen und Materialien zur die Durchführung der selbstständigen Tätigkeit.

Gemäß § 16b Abs. 2, Abs. 3 SGB II ist für die Höhe des Einstiegsgeldes die vorherige Dauer der Arbeitslosigkeit, die Größe der Bedarfsgemeinschaft und der maßgebliche Regelbedarf zu berücksichtigen. Dementsprechend ist in § 1 der Einstiegsgeldverordnung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2342) in der Fassung vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453/494) berücksichtigt, dass sich der monatliche Grundbetrag an dem jeweils maßgebenden Regelbedarf orientiert und die Ergänzungsbeträge an der Dauer der Arbeitslosigkeit und der Größe der Bedarfsgemeinschaft.

Das Einstiegsgeld bezweckt also nicht allein, die Kosten abzudecken, die für den Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit anfallen, sondern berücksichtigt vielmehr bedarfsbezogene Aspekte im Hinblick auf die Hilfe zum Lebensunterhalt.


Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Beschluss vom 06.10.2011, - L 11 AS 146/11 -
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=146618&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=


Sozialgericht Magdeburg vertritt die Auffassung, dass es einem Hartz IV-Empfänger zuzumuten ist, die Mehrbedarfsleistungen für erwerbsfähige Menschen mit Behinderung zur Begleichung seines KdU-Defizits einzusetzen.

http://sozialrechtsexperte.blogspot.com/2011/08/sozialgericht-magdeburg-vertritt-die.html

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles .

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