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Das SGB II enthält keine Anspruchsgrundlage für die Übernahme der an die gesetzliche Krankenversicherung bis zur Belastungsgrenze zu leistenden Zuzahlungen.

So geurteilt vom Bayerischem Landessozialgericht mit Urteil vom 23.09.2011, - L 16 AS 350/11 - .

 Dass die Zuzahlungen aus der Regelleistung aufzubringen sind und diese Regelung verfassungskonform ist, ist höchstrichterlich durch die Entscheidungen dreier Senate des Bundessozialgerichts (BSG) geklärt (BSGE 100, 221; BSG, Urteil vom 25.06.2008 Az. B. 11b AS 45/06 R Rdnr. 51; BSG, Urteil vom 16.12.2010 Az. B 8 SO 7/09 R).

Dass dies dem Willen des Gesetzgebers entspricht, ergibt sich daraus, dass er bei der Einführung der seit dem 01.01.2004 geltenden Regelung zur Belastungsgrenze in § 62 SGB V durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) nicht nur den bis dahin in § 61 Abs. 2 Nr. 2 SGB V geregelten Anspruch der Empfänger von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe, von den Zuzahlungen befreit zu werden, sondern auch die bis zum 31.12.2003 in § 38 Abs. 2 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz vorgesehene Regelung abgeschafft hat, wonach die in der gesetzlichen Krankenversicherung zu leistenden Zuzahlungen vom Sozialhilfeträger zu übernehmen waren.

Dieses Regelungssystem ist nach der zitierten Rechtsprechung verfassungsgemäß und greift insbesondere nicht in das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum ein.

Da die gesamten jährlichen Zuzahlungen des Klägers bis zur Belastungsgrenze bereits im Monat Januar 2010 angefallen waren, hätte er allenfalls gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II in der damals geltenden Fassung Anspruch auf darlehensweise Übernahme dieser Zuzahlungen durch den Beklagten gehabt (BSG, Urteil vom 22.04.2008 Az. B 1 KR 10/07 R Rdnr. 30 = BSGE 100, 221). Dieses Darlehen hätte in geringen monatlichen Raten zurückgezahlt werden können.

Ein Anspruch auf Übernahme der Zuzahlungen ist auch nicht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (BVerfGE 125,175) zu entnehmen. Soweit das Bundesverfassungsgericht in diesem Urteil aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs abgeleitet hat (aaO. Rn. 204 ff.), ist dieser Anspruch schon deshalb nicht anwendbar, weil der streitgegenständliche Zeitraum im Januar 2010 liegt und das Bundesverfassungsgericht einen entsprechenden Anspruch erst ab Verkündung des Urteils vorgegeben hat (aaO. Rdnr. 220).

Ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger auf Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch kommt von vornherein nicht in Betracht, da aus den genannten Gründen keine atypische Lebenslage vorliegt, die von der Vorschrift vorausgesetzt wird (BSG, Urteil vom 16.12.2010 Az. B 8 SO 7/09 R Rdnr. 13).

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=146452&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles

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