Behinderte Kinder sind alltäglicher integrativer Teil unserer Gesellschaft. Inklusive Schulen mit Klassen, in denen behinderte und nichtbehinderte Kinder gleichen Unterricht erhalten, zählen mittlerweile zum gesetzlichen Entwicklungsziel aller Schulen.
Was aber bedeutet diese Zielsetzung im konkreten Einzelfall? Das Bayerische Landessozialgericht hatte in zwei Eilverfahren zu entscheiden, welche Leistungen die Sozialhilfe in den Fällen zweier gerade eingeschulter sechsjähriger gehörloser Mädchen zu erbringen hat.
Ausgangspunkt und Hintergrund der Entscheidung
Die beiden Kinder hatten seit dem Kindergartenalter eine schulvorbereitende Fördereinrichtung mit Schwerpunkt Hören besucht. Dort hatte man die Einschulung in eine Förderschule empfohlen. Die Eltern aber hatten sich für einen inklusiven Unterricht entschieden, also den Besuch einer Grundschule mit Hilfe von Gebärdensprachdolmetschern für ihre Töchter.
Die Übernahme der Dolmetschervergütung iHv gut 5.000 €/Monat hatte der Sozialhilfeträger wegen der hohen Kosten abgelehnt. Dagegen richteten sich die Eilanträge, über die das Bayerische Landessozialgericht mit Beschlüssen vom 2. November 2011 letztinstanzlich entschieden hat.
Der Beschluss des Gerichts
Kinder sollen in der Schule nicht nur formale Fähigkeiten wie Rechnen, Lesen und Schreiben erlernen, sondern sie sollen durch Bildung Teil unserer sozialen und kulturellen Welt werden. Dazu erwerben sie kommunikative Kompetenzen; sie lernen, Verantwortung in der Klassengemeinschaft zu tragen sowie Ursache und Wirkung sozialen Verhaltens zu erkennen. Zur Erreichung dieser Ziele steht den Kindern im konkreten Fall zunächst der empfohlene Weg über die Förderschule zur Verfügung. Wenn aber die steuerfinanzierte Sozialhilfe den von den Eltern gewählten Weg eines inklusiven Unterrichts fördern soll, dann muss das gesetzliche Erfordernis der Angemessenheit erfüllt sein. Diese richtet sich nicht in erster Linie an einem Kostenvergleich aus, sondern an der Bewertung, wie die Bildungsziele am Besten erreicht werden können. Im Vergleich von Förderschule und inklusivem Unterricht ist entscheidend, dass das gesetzgeberische Ziel der inklusiven Schule heute noch nicht erreicht ist, also eine Übergangsphase besteht.
Eine Regelschule mit Gebärdensprachdolmetscher allein kann aber für die gehörlosen Kinder nicht in gleichem Maße wie die Förderschule sicherstellen, dass sie das Ziel der Teilhabe an der Gesellschaft erreichen.
Damit scheidet eine Orientierung an dem nur kurzfristigen Ziel der Integration in die Regelschule aus. Der Sozialhilfeträger kann deshalb jedenfalls im Rahmen des Eilverfahrens nicht zur Kostenübernahme für die Gebärdensprachdolmetscher verpflichtet werden.
Ergänzend hat das Bayerische Landessozialgericht darauf hingewiesen, dass der Eilantrag auch daran scheitere, dass die Gefahr eines irreparablen Bildungsrückstands durch den Besuch der Förderschule nicht erkennbar sei.
Auswirkung der Entscheidung
Auch in der derzeitigen Übergangsphase, in der das Ziel der Inklusion noch nicht erreicht ist und der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen programmatische Bedeutung zukommt, bedarf es aktuell fassbarer Kriterien, um die Angemessenheit von Eingliederungsleistungen zu bestimmen.
Dafür hat das Bayerische Landessozialgericht klare Fingerzeige gegeben. In Fällen schulischer Bildung von behinderten Kindern hat sich die Angemessenheit an dem Teilhabeziel der Bildung auszurichten und nicht am sog. Mehrkostenvorbehalt.
Bayer. Landessozialgericht Beschluss vom 2.11.2011 - L 8 SO 164/11 B ER (Sozialgericht Augsburg S 15 SO 110/11 ER) sowie Bayer. Landessozialgericht Beschluss vom 2.11.2011 - L 8 SO 165/11 B ER (Sozialgericht Augsburg S 15 SO 111/11 ER).
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=146578&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/msgb/show.php?modul=msgb&id=4462&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=
Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles .
Was aber bedeutet diese Zielsetzung im konkreten Einzelfall? Das Bayerische Landessozialgericht hatte in zwei Eilverfahren zu entscheiden, welche Leistungen die Sozialhilfe in den Fällen zweier gerade eingeschulter sechsjähriger gehörloser Mädchen zu erbringen hat.
Ausgangspunkt und Hintergrund der Entscheidung
Die beiden Kinder hatten seit dem Kindergartenalter eine schulvorbereitende Fördereinrichtung mit Schwerpunkt Hören besucht. Dort hatte man die Einschulung in eine Förderschule empfohlen. Die Eltern aber hatten sich für einen inklusiven Unterricht entschieden, also den Besuch einer Grundschule mit Hilfe von Gebärdensprachdolmetschern für ihre Töchter.
Die Übernahme der Dolmetschervergütung iHv gut 5.000 €/Monat hatte der Sozialhilfeträger wegen der hohen Kosten abgelehnt. Dagegen richteten sich die Eilanträge, über die das Bayerische Landessozialgericht mit Beschlüssen vom 2. November 2011 letztinstanzlich entschieden hat.
Der Beschluss des Gerichts
Kinder sollen in der Schule nicht nur formale Fähigkeiten wie Rechnen, Lesen und Schreiben erlernen, sondern sie sollen durch Bildung Teil unserer sozialen und kulturellen Welt werden. Dazu erwerben sie kommunikative Kompetenzen; sie lernen, Verantwortung in der Klassengemeinschaft zu tragen sowie Ursache und Wirkung sozialen Verhaltens zu erkennen. Zur Erreichung dieser Ziele steht den Kindern im konkreten Fall zunächst der empfohlene Weg über die Förderschule zur Verfügung. Wenn aber die steuerfinanzierte Sozialhilfe den von den Eltern gewählten Weg eines inklusiven Unterrichts fördern soll, dann muss das gesetzliche Erfordernis der Angemessenheit erfüllt sein. Diese richtet sich nicht in erster Linie an einem Kostenvergleich aus, sondern an der Bewertung, wie die Bildungsziele am Besten erreicht werden können. Im Vergleich von Förderschule und inklusivem Unterricht ist entscheidend, dass das gesetzgeberische Ziel der inklusiven Schule heute noch nicht erreicht ist, also eine Übergangsphase besteht.
Eine Regelschule mit Gebärdensprachdolmetscher allein kann aber für die gehörlosen Kinder nicht in gleichem Maße wie die Förderschule sicherstellen, dass sie das Ziel der Teilhabe an der Gesellschaft erreichen.
Damit scheidet eine Orientierung an dem nur kurzfristigen Ziel der Integration in die Regelschule aus. Der Sozialhilfeträger kann deshalb jedenfalls im Rahmen des Eilverfahrens nicht zur Kostenübernahme für die Gebärdensprachdolmetscher verpflichtet werden.
Ergänzend hat das Bayerische Landessozialgericht darauf hingewiesen, dass der Eilantrag auch daran scheitere, dass die Gefahr eines irreparablen Bildungsrückstands durch den Besuch der Förderschule nicht erkennbar sei.
Auswirkung der Entscheidung
Auch in der derzeitigen Übergangsphase, in der das Ziel der Inklusion noch nicht erreicht ist und der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen programmatische Bedeutung zukommt, bedarf es aktuell fassbarer Kriterien, um die Angemessenheit von Eingliederungsleistungen zu bestimmen.
Dafür hat das Bayerische Landessozialgericht klare Fingerzeige gegeben. In Fällen schulischer Bildung von behinderten Kindern hat sich die Angemessenheit an dem Teilhabeziel der Bildung auszurichten und nicht am sog. Mehrkostenvorbehalt.
Bayer. Landessozialgericht Beschluss vom 2.11.2011 - L 8 SO 164/11 B ER (Sozialgericht Augsburg S 15 SO 110/11 ER) sowie Bayer. Landessozialgericht Beschluss vom 2.11.2011 - L 8 SO 165/11 B ER (Sozialgericht Augsburg S 15 SO 111/11 ER).
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Der Beitrag wurde erstellt von Willi 2, Mitarbeiter des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann sowie Autor des wöchentlichen Rechtsprechungstickers von Tacheles .
Im Hauptsacheverfahren ist der Bezirk eingeknickt. Er hat aber dann noch versucht die Kosten zu drücken. Das folgende Eilverfahren hat Melissa gewonnen.
AntwortenLöschenwww.kestner.de/n/verschiedenes/presse/2013/Sozialgericht-Augsburg_Melissa_Schwaben.pdf