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Ist die Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs i.S.v. § 2317 BGB während des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II anrechenbares Einkommen oder Vermögen

§§ 11und 12 SGB II


Mit Urteil vom 18.03.2011, - L 19 AS 1845/10 -, Revision zugelassen , hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen festgestellt, dass die Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs i.S.v. § 2317 BGB während des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II im Umfang des Zahlbetrags berücksichtigungsfähiges Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II darstellt, es handelt sich nicht um ein Vermögen i.S. des § 12 SGB II.

Die Berücksichtigung eines geldwerten Vorteils, der erst nach der Antragstellung einem Antragsteller zufließt, als Einkommen setzt weder eine Identität der Zweckbestimmung des geldwerten Vorteils und der Leistungen nach dem SGB II noch eine Zeitraumidentität voraus (BSG Urteil vom 30.07.2008 - B 14 AS 26/07 R , Rn 22). Bei dem Pflichtteilsanspruch i. S.v. § 2317 BGB, der erst mit dem Tod des Erblassers entsteht und sich gegen den Erben oder die Erbengemeinschaft richtet, handelt es sich um eine gewöhnliche Geldforderung (vgl. BGH Urteil vom 01.10.1958 - V ZR 53/58 = BGHZ 28, 177(178); Weidlich in Palandt, BGB, 70 Aufl., § 2317 Rn 2), die übertragbar (§ 398 ff. BGB) und pfändbar (§ 2317 Abs. 2 BGB) ist.

Die schuldrechtliche Unterscheidung zwischen der auf Zahlung eines Betrages gerichteten Forderung - hier der Pflichtteilsanspruch - und der Erfüllung der Forderung durch Auszahlung (Gutschrift) führt nicht zu einer Konkurrenz dergestalt, dass die Forderung als Vermögen und daneben die Leistung aus der Forderung als Einkommen zu berücksichtigen wären. Zwar stellt eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete, noch nicht erfüllte Forderung einen wirtschaftlichen Wert dar und gehört, wenn sie dem Inhaber bereits zusteht, zum Vermögen (vgl. BVerwG Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 35/97 - a.a.O.), so dass eine Forderung als ein nicht bereites Mittel ein Vermögensgegenstand i.S.v. § 12 SGB II sein kann (vgl. BSG Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R, Rn 15; zum Pflichtteilsanspruch: BSG Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 2/09 R, Rn 14 f).

Jedoch interessiert im Fall der Auszahlung einer Forderung nach der Antragstellung - wie im vorliegenden Fall - im Recht des SGB II nicht das Schicksal der Forderung, vielmehr stellt das Gesetz in § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II insofern allein auf die Erzielung von Einkünften in Geld und Geldeswert im Sinne eines tatsächlichen Zuflusses ab (BSG Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R , Rn 15 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).

Dies gilt nur in den Fällen nicht, in denen mit bereits erlangten Einkünften freiwillig Vermögen angespart wurde, also eine fällige und liquide Forderung bewusst nicht geltend gemacht wird (BSG Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R, Rn 17 und vom 30.07.2008 - B 14 AS 26/07 R, Rn 24).

Vorliegend hat die Klägerin den Pflichtteilsanspruch nicht angespart, sondern durch ein gerichtliches Verfahren von der Alleinerbin beigetrieben.

Bei der Auszahlung des Pflichtteilsanspruchs handelt es sich nicht um ein privilegiertes Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 3 SGB II, auch ist die Einnahme nicht von der Berücksichtigung als Einkommen nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II ausgenommen.

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=142534&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive


Anmerkung: Wenn einem SGB II-Leistungsbezieher Geld aus einer Erbschaft zufließt, bei der der Erbfall (also der Tod des Erblassers) schon vor Beginn des ALG-II-Bezugs eingetreten ist, dann handelt es sich um Vermögen, nicht um Einkommen. Das hat das Bundessozialgericht in einer neueren Entscheidung (Urteil vom 24.2.2011, Az.: B 14 AS 45/09 R) festgestellt. Das gilt auch dann, wenn der reale Geldzufluss erst später erfolgt.

Wenn die SGB II Leistungsbezieherin  dagegen mit dem Erbfall lediglich Inhaberin einer Forderung gegen den Nachlass geworden ist, handelt es sich in diesem Fall im Zeitpunkt des Zuflusses des Geldbetrages um Einkommen iS des § 11 SGB II (BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R - RdNr 22).

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