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Grundsicherung nach dem SGB II - Bedürftigkeit trotz Immobiliarvermögen

Hilfebedürftig und damit anspruchsberechtigt auf Leistungen nach dem SGB II - Hartz -IV - sind nur bedürftige Personen. Wer Vermögen hat, muss das für seinen Lebensunterhalt einsetzen.


Ausnahmen bestehen wie zB für das durch Freibeträge geschützte Schonvermögen. Nicht zum Vermögen zählt, was nicht verwertet werden kann, auch weil es nicht marktfähig ist. Bei Immobilien zählt zur Marktfähigkeit u.a., dass sie ohne Zustimmung Anderer übertragen werden können.


Hierzu hat das Bayerische Landessozialgericht einen einprägsamen Fall entschieden.


Ausgangspunkt

Der Kläger hatte von seinen Eltern ein Wohnhaus und verpachtete landwirtschaftliche Flächen übertragen bekommen. Im Grundbuch hatten sich die Eltern einen Rückübertragungsanspruch vorbehalten, falls ohne ihre Zustimmung das Grundeigentum weiter veräußert werden sollte. Zudem war einem Enkelkind das Grundstück bis 2017 notariell gesichert. Aus ihrer Sicht wollten die Eltern wegen des Umganges des Klägers mit Geld in der Vergangenheit ein Verschleudern der Immobilien verhindern zugunsten Ihres Enkels. Als der Kläger Hartz IV- Leistungen beantragte, lehnte das Jobcenter ab, weil der Kläger nicht bedürftig sei. Das Mehrfamilienhaus sowie die landwirtschaftlichen Nutzflächen von mehr als 12.000 qm seien als Vermögen einzusetzen. Das Sozialgericht hatte die Entscheidung bestätigt und Leistungen der Grundsicherung ebenfalls versagt.

Die Entscheidung

Das Bayerische Landessozialgericht hat das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und das Jobcenter zu Leistungen nach dem SGB II verurteilt. Haus und landwirtschaftliche Fluren des Klägers seien kein Vermögen, das verwertbar und marktfähig sei.

Das hindere der grundbuchgesicherte Rückübertragungsanspruch. Dieser diene nicht allein dem Zweck, den Nachrang der Hartz-IV-Leistungen zu unterlaufen, sondern auch dem legitimen Ziel, das Vermögen dem Enkelkind zu erhalten. Ein sittenwidriges Zusammenwirken des Klägers und seiner Eltern zulasten der Grundsicherung liege somit nicht vor.

Auswirkungen der Entscheidung

Das Bayerische Landessozialgericht hat eine weitere Fallkonstellation zur Verwertbarkeit von Grundstücksvermögen entschieden und damit Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II trotz eines Mehrfamilienhauses sowie die landwirtschaftlichen Nutzflächen von mehr als 12.000 qm festgestellt. Den Ausnahmefall des sittenwidrigen Zusammenwirkens der handelnden Personen hat das Landessozialgericht verneint.


Bayer. Landessozialgericht Urteil vom 2. Februar 2012 - L 11 AS 675/10


https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/msgb/show.php?modul=msgb&id=4675&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=


Anmerkung von Willi 2: Nach § 9 Abs 4 SGB II ist hilfebedürftig auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

Ist eine sofortige Verwertung eines Vermögensgegenstandes nicht möglich, sind die Leistungen als Darlehen zu erbringen (§ 23 Abs 5 SGB II).Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen und belastet werden können (vgl. Geiger in LPK- SGB II, 4. Aufl., § 12 Rn.10; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl, § 12 Rn. 31).


Der Begriff der Verwertbarkeit ist ein rein wirtschaftlicher und beurteilt sich sowohl nach den tatsächlichen als auch nach den rechtlichen Verhältnissen (vgl. BSG Urteil vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 R - Juris Rn.29 = BSGE 98, 243).


Die Verwertung muss für den Betroffenen einen Ertrag bringen, durch den er, wenn auch nur kurzzeitig, seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Tatsächlich nicht verwertbar sind Vermögensgegenstände, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, weil sie nicht marktfähig sind (vgl. BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 46/06 R - Juris Rn.12 = BSGE 99, 248 ff).



Die Verwertbarkeit von Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB II kann daher nur dann angenommen werden, wenn der Berechtigte in der Lage ist, die Verwertung innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeitspanne durch eigenes Handeln - autonom - herbeizuführen. Ist dagegen völlig ungewiss, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt, so liegt bereits eine generelle Unverwertbarkeit iS des § 12 Abs 1 SGB II vor (vgl. BSG, Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R- Juris Rn.22 = SozR 4-4200 § 12 Nr. 12; Urteil vom 06.12.2007 - aaO Rn.15).


Maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist im Regelfall der Zeitraum, für den die Leistungen bewilligt werden, also regelmäßig der sechsmonatige Bewilligungszeitraum des § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II (vgl. BSG Urteil vom 27.01.2009 aaO Rn.23).


Für diesen Zeitraum muss im vornherein eine Prognose getroffen werden, ob und welche Verwertungsmöglichkeiten bestehen, die geeignet sind, Hilfebedürftigkeit abzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R - Juris Rn.16 = FEVS 62, 337ff).

Kommentare

  1. Haus und landwirtschaftliche Fluren des Klägers seien kein Vermögen, das verwertbar und marktfähig sei.

    Das hindere der grundbuchgesicherte Rückübertragungsanspruch. Dieser diene nicht allein dem Zweck, den Nachrang der Hartz-IV-Leistungen zu unterlaufen, sondern auch dem legitimen Ziel, das Vermögen dem Enkelkind zu erhalten. Ein sittenwidriges Zusammenwirken des Klägers und seiner Eltern zulasten der Grundsicherung liege somit nicht vor.

    DASS MAN für diese logische Erkenntniss ein Landessozialgericht benötigt ist schon recht traurig. Das Enkelkind hat durch den Grundbucheintrag keinerlei Rechte und keinerlei Möglichkeiten das Haus zu verkaufen.

    Diese simple Logik scheint für ein normales Sozialgericht zu hoch zu sein. Schlimm , schlimm ,sehr schlimme Entwicklung!

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  2. Man erwartet nichts anderes mehr. Wenn ein Träger der sozialen Fürsorge dem Wesen nach zu einer Strafverfolgungsbehörde entartet ist - mit dem erklärten Ziel, den Leistungsbezug zu vereiteln oder zumindest unattraktiv zu machen -, kommen Entscheidungen wie am Fließband zustande, die gelinde gesagt ermessenwidrig sind.

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