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Eine Schülerin, die Leistungen nach dem SGB II erhält, kann vom Jobcenter für die Erledigung ihrer Hausaufgaben einen eigenen Schreibtisch verlangen , wenn in der Wohnung kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht

Sozialgericht Berlin, Urteil vom 15.02.2012, - S 174 AS 28285/11 WA -



Voraussetzung für die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines Schülerschreibtisches ist nach § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II, dass es sich um eine Erstausstattung handelt.

Der Begriff der Erstausstattung ist nicht rein zeitlich zu verstehen, sondern bedarfsbezogen. Dies bedeutet jedoch nach Sinn und Zweck der Norm lediglich, dass in solchen Fällen das Ereignis, aufgrund dessen ein Erstbedarf entstanden ist, ein zeitnahes Ereignis sein muss (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.03.2008, L 20 B 16/08 ER).




Er ist zudem abzugrenzen gegenüber den Fällen, wo es sich nicht um eine erstmalige Ausstattung handelt, sondern um einen Erhaltungs- bzw. Ergänzungsbedarf (vgl. SG Lüneburg, Beschluss vom 05.04.2006, S 25 AS 343/06 ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 10.04.2006, L 9 AS 44/06 ER; zum am 01.04.2011 in Kraft getretenen gleichlautenden § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II: Münder in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 23, Rn. 25).




 Es besteht kein Anspruch auf ungebrauchte Gegenstände, sofern dies nicht aus hygienischen Umständen erforderlich ist.

Der Anspruch nach § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II ist nicht notwendig auf eine komplette Ausstattung ausgerichtet, sondern kann sich auch auf Einzelgegenstände beziehen (vgl. BSG, Urteil vom 19.09.2008, B 14 AS 64/07 R).






Allein aus der Verwendung des Plurals ("Erstaus¬stattungen") lässt sich ein anderer Schluss nicht rechtfertigen. Es kann vielmehr umgekehrt aus dem Wortlaut gefolgert werden, dass die Leistung jedenfalls auch eine Mehrheit von Gegenständen umfassen kann (vgl. BSG, Urteil vom 19.09.2008, B 14 AS 64/07 R).

Unter den Begriff der Erstausstattung fallen sämtliche Einrichtungsgegenstände die für eine geordnete Haushaltsführung notwendig sind und die dem Leistungsberechtigten ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglicht (vgl. BSG, Urteil vom 19.09.2008, B 14 AS 64/07 R).


Die Kammer kann hier dahinstehen lassen, ob das Vorhandensein eines eigenen Arbeitsplatzes zur Durchführung von Hausaufgaben stets erforderlich ist.


 Denn jedenfalls in der konkreten Situation der Klägerin war ein entsprechender Bedarf – auch unter Berücksichtigung des sog. Abstandsgebot gegenüber den Lebensverhältnissen der Bezieher niedriger Erwerbseinkommen (zu dessen Geltung im SGB II etwa LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.05.2006, L 10 AS 1093/05) – zu besorgen.


Insbesondere steht das Vorhandensein eines Schreibtisches der Mutter der Klägerin eines Küchentisches und eines selbst gebauten Schreibtisches für den Bruder der Klägerin der Gewährung eines Schreibtisches für die Klägerin selbst nicht entgegen.



Denn die Mutter der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 15.02.2012 glaubhaft die räumliche Situation dargestellt, wonach sie selbst in der 3-Zimmer-Wohnung einen Raum als Schlaf- und Arbeitszimmer mit ihrer im Jahr 2008 geborenen Tochter nutzt, wobei ihr Schreibtisch durch sie selbst zu Studienzwecken genutzt werde, so dass dieser fortwährend mit Unterlagen belegt sei. Zudem schlafe die jüngste Tochter in diesem Zimmer, so dass die Hausaufgaben dort nicht durchgeführt werden könnten. Auch am Küchentisch sei eine Durchführung der Schulaufgaben nicht möglich.



Dieser sei zum einen sehr klein und zum anderen finde die Klägerin - die sich ohnehin leicht ablenken ließe - dort keine Ruhe, weil die Mutter der Klägerin in der Küche hauswirtschaftlichen Dingen im Zusammenhang mit der Versorgung ihrer drei Kinder zu erledigen habe. Auch sei eine gemeinsame Nutzung des selbst gebauten Schreibtisches des Bruders nicht möglich, weil dieser ebenfalls schulpflichtig sei, so dass er diesen selbst benötige. Zudem seien häufig Freunde des vier Jahre älteren Bruders zu besuch, so dass ebenfalls die erforderliche Ruhe zur Bewältigung der Schulaufgaben der Klägerin, nicht gewährleistet werden könne.



Unter Berücksichtigung der individuellen Umstände ist die Kammer daher zur Überzeugung gelangt, dass das Vorhandensein eines Schreibtisches im eigenen Zimmer notwendig war, um der Klägerin die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Schulaufgaben in einer Atmosphäre zu tätigen, die einen Lernerfolg vermuten lässt, zu bewältigen und der Gefahr begegnet, dass der Steuerzahler durch Inanspruchnahme der Leistungen für Bildung und Teilhabe mit weitaus höheren Kosten belastet wird, als die streitgegenständliche Kostenerstattung.


http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/sg/s_174_as_28285.11_wa.html

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