Ein Beitrag von RA Thomas Wings.
Zitat:
Immer wieder Ärger mit dem Arbeitsamt. Das gilt nicht nur für Leistungsempfänger, sondern neuerdings auch für den gemeinen Strafrichter. Zumindest dann, wenn er sich mal wieder mit dem sogenannten “Sozialbetrug” herumplagen muss.
In den Jobcentern dieser Republik läuft so einiges falsch. Das belegen die unfassbaren Fallzahlen von sozialgerichtlichen Verfahren. Führte die Sozialgerichtsbarkeit vor zehn Jahren noch geradezu ein Schattendasein, hat Schröders Agenda 2010 zumindest dieses Dasein beendet. Sozialgerichte werden mit Klagen überrant, einen Gutteil davon entscheiden die Richterinnen und Richter zuungunsten der Behörden, was nicht zuletzt auf die Arbeit überforderter SachbearbeiterInnen und einer ausufernden Komplexität der gesetzlichen Vorschriften zurückzuführen ist.
Wenn ein Mitarbeiter eines Jobcenters mal böse wird, zeigt er den Leistungsempfänger auch gerne mal wegen Betruges an. Solche Anzeigen bestehen aus einem kurzen Anzeigentext und etwa vier Pfund Sozialakten. Dann schaute der Strafrichter in der Regel lediglich auf den Bescheid des Jobcenters und wenn sich daraus ein vermeintlich strafbares Verhalten ergab, wie etwa die Nichtanzeige der Aufnahme einer Arbeitstätigkeit oder des Verschweigens von Vermögen, dann wurde darauf gerne eine strafrichterliche Verurteilung gestützt.
Doch damit ist jetzt Schluß. Mein Bürokollege Schmitz hat nun einen Beschluß vor dem Oberlandesgericht Hamm (5 RVs 113/11) erstritten, der die Strafrichter zukünftig anweist, sich selbst in die mühsame Rolle des Sachbearbeiters beim Jobcenters zu versetzen.
Denn ganz egal, was in den Bescheiden des Jobcenters so steht – richtig sein muss das noch lange nicht. Und nicht nur deshalb muss ein Strafrichter, wenn er einen Angeklagten verurteilen will, nun selbst die sozialrechtlichen Gesetze und Richtlinien studieren, danach zum Taschenrechner greifen und schließlich beurteilen, ob überhaupt ein Betrug vorliegt.
Denn selbst wenn ein Leistungsempfänger etwas verschwiegen hat, sagt dies noch lange nichts darüber aus, ob er/sie nicht ohnehin die selbe Leistung erhalten hätte – und dann fehlt es am Betrug.
http://hoechststrafe.dorkawings.de/2012/03/olg-hamm-strafrichter-mussen-sozialrecht-buffeln/
Zitat:
Immer wieder Ärger mit dem Arbeitsamt. Das gilt nicht nur für Leistungsempfänger, sondern neuerdings auch für den gemeinen Strafrichter. Zumindest dann, wenn er sich mal wieder mit dem sogenannten “Sozialbetrug” herumplagen muss.
In den Jobcentern dieser Republik läuft so einiges falsch. Das belegen die unfassbaren Fallzahlen von sozialgerichtlichen Verfahren. Führte die Sozialgerichtsbarkeit vor zehn Jahren noch geradezu ein Schattendasein, hat Schröders Agenda 2010 zumindest dieses Dasein beendet. Sozialgerichte werden mit Klagen überrant, einen Gutteil davon entscheiden die Richterinnen und Richter zuungunsten der Behörden, was nicht zuletzt auf die Arbeit überforderter SachbearbeiterInnen und einer ausufernden Komplexität der gesetzlichen Vorschriften zurückzuführen ist.
Wenn ein Mitarbeiter eines Jobcenters mal böse wird, zeigt er den Leistungsempfänger auch gerne mal wegen Betruges an. Solche Anzeigen bestehen aus einem kurzen Anzeigentext und etwa vier Pfund Sozialakten. Dann schaute der Strafrichter in der Regel lediglich auf den Bescheid des Jobcenters und wenn sich daraus ein vermeintlich strafbares Verhalten ergab, wie etwa die Nichtanzeige der Aufnahme einer Arbeitstätigkeit oder des Verschweigens von Vermögen, dann wurde darauf gerne eine strafrichterliche Verurteilung gestützt.
Doch damit ist jetzt Schluß. Mein Bürokollege Schmitz hat nun einen Beschluß vor dem Oberlandesgericht Hamm (5 RVs 113/11) erstritten, der die Strafrichter zukünftig anweist, sich selbst in die mühsame Rolle des Sachbearbeiters beim Jobcenters zu versetzen.
Denn ganz egal, was in den Bescheiden des Jobcenters so steht – richtig sein muss das noch lange nicht. Und nicht nur deshalb muss ein Strafrichter, wenn er einen Angeklagten verurteilen will, nun selbst die sozialrechtlichen Gesetze und Richtlinien studieren, danach zum Taschenrechner greifen und schließlich beurteilen, ob überhaupt ein Betrug vorliegt.
Denn selbst wenn ein Leistungsempfänger etwas verschwiegen hat, sagt dies noch lange nichts darüber aus, ob er/sie nicht ohnehin die selbe Leistung erhalten hätte – und dann fehlt es am Betrug.
http://hoechststrafe.dorkawings.de/2012/03/olg-hamm-strafrichter-mussen-sozialrecht-buffeln/
DArum geht's also:
AntwortenLöschen***Denn bevor ein Strafrichter sich die geforderte Mühe macht, steigt unter Umständen seine Einstellungsbereitschaft.***
Man will die ohnehin überlasteten Richter davor abschrecken, Betrüger zu verurteilen und stattdessen die Klage fallen zu lassen.
Wenn das nicht nach hinten losgeht und der Richter seine Wut über die Schikan in das Strafmaß einfließen läßt.....
"Man will die ohnehin überlasteten Richter davor abschrecken, Betrüger zu verurteilen und stattdessen die Klage fallen zu lassen.
AntwortenLöschenWenn das nicht nach hinten losgeht und der Richter seine Wut über die Schikan in das Strafmaß einfließen läßt..."
Soviel PillePalle tut aber schon weh, gell?
JEDER Richter hat sich an geltendes Recht zu halten - dazu ist das OLG Urteil fast schon grenzwertig, weil es ja nichts anderes bestätigt als eben geltenes Recht. Der eigentliche Witz ist aber, dass die Sache offensichtlich erst durch die Instanzen musste... um dem Gesetz Genüge zu tun...
das bisherige 'no how ' der Strafrichter sollte als Wiederaufnahmegrund für etliche verurteilte geeignet sein, zumal eine strafbare Handlung nur vermutet werden konnte. Gerade aber im Strafrecht muss die Schuld über jeden Zweigfel hinaus festgestellt werden.
AntwortenLöschenEs fehlt noch ein entsprechendes Urteil für Sozialrichter. Denn anstatt sich in die Materie des Falles selber einzuarbeiten, und vor allem auch verwaltungsrechtliche Maßstäbe zu berücksichtigen (es sei hier vor allem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genannt), übernehmen sie gerne die Lesart der "Behörde", ohne substantiiert darzulegen, warum zum Beispiel eine "Maßnahme" im jeweiligen Fall das mildeste Mittel und zur Erreichung eines bestimmten Zieles erforderlich und verhältnismäßig gewesen sein soll. (Die Geeignetheit wird ohnehin generell unterstellt, selbst wenn sie, wie oft bei "Maßnamen" (Bewerbungstrainings als berüchigtes Standard-Beispiel) nicht gegeben war.
AntwortenLöschenMeiner Beobachtung nach ist für eine solche im Grunde skandalös schlampige Arbeit nicht nur die Überlastung der Sozialgerichte die Ursache, sondern ich habe den Verdacht, daß inzwischen die meisten Sozialricht nur geichsam Angelernte sind, die mit Verwaltungs- und Sozialrecht oder dem Öffentlichen Recht insgesamt nur notgedrungen im Studium und vielleicht noch im Referendariat nur deswegen in Berührung gekommen sind, weil es zum Pflichtprogramm gehörte. Ansonsten schlägt ihr Herz für Zivilrecht (alles ist verhandelbar) oder für das Strafrecht (§ 31 wird schon verfassungsgemäß sein), und sie hoffen, bald wieder von diesem blöden Sozialrecht und loszukommen. Noch dazu die Berge von Akten von Fällen dieses ungeliebten und von ihnen im Grunde unverstandenen Rechtsgebiets, und das Ergebnis ist eine Rechtsprechung, die zur Kontrolle staatlichen Handelns auf Rechtmäßigkeit, was sie ja eigentlich sein soll, nicht taugt.