Direkt zum Hauptbereich

LSG Sachsen-Anhalt: Alles offen- Einkommens - oder Vermögensberücksichtigung für nach Haftentlassung gezahltes Überbrückungsgeld

Hat ein Leistungsanspruch wegen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4 SGB II erst nach der Haftentlassung und nach dem Zufluss des Überbrückungsgeldes bestanden, stellt sich auch unter der Geltung des neu geregelten § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II die Frage:

Einkommen oder Vermögen?

Rechtsauffassung des Grundsicherungsträgers:

Der Leistungsantrag wirke gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II nF auf den 1. September 2011 zurück.

Da ihm das am 22. September 2011 ausgezahlte Überbrückungsgeld nach Wirksamwerden der Antragstellung zum 1. September 2011 zugeflossen sei, sei es als Einkommen zu behandeln.

Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 6. Oktober 2011 (Az.: B 14 AS 94/10 R) sei noch zur alten Fassung des § 37 SGB II ergangen, nach der Leistungen grundsätzlich nicht für Zeiten vor dem Tag der Antragstellung erbracht worden seien.

Vorliegend sei auch eine Beschränkung der Einkommensanrechnung auf die ersten vier Wochen nach Haftentlassung nicht möglich.

Denn einmalige Einnahmen seien gemäß § 11 Abs. 3 SGB II – soweit der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat entfiele – auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und mit dem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen. Insoweit habe das Jobcenter keinen Ermessenspielraum (mehr).

Dem ist das LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11.03.2013 Az. L 5 AS 28/13 B nicht gefolgt, denn das Bestehen eines weiteren Leistungsanspruchs auf Grund einer unberechtigten Einkommensanrechnung ist zumindest offen.

Es ist obergerichtlich nicht geklärt, welche Folgen die nunmehr in § 37 Abs. 2 SGB II geregelte Rückwirkung des Leistungsantrags auf den Ersten des Monats der Antragstellung hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Vermögen und Einkommen in den Fällen hat, in denen erst im Monatsverlauf ein gesetzlicher Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 oder 5 SGB II entfällt.

Grundsätzlich sollte durch die Neuregelung der Rückwirkung des Antrags die Bedarfsberechnung mit dem im Bedarfsmonat zu berücksichtigenden Einkommen synchronisiert werden, sodass im gesamten Antragsmonat der Bedarf berechnet und das in diesem Monat zu berücksichtigende Einkommen darauf angerechnet wird (vgl. Schoch in LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, § 37 RN 22).

Besteht jedoch ein Leistungsanspruch aufgrund des Eingreifens eines Leistungsausschlussgrunds nur für einen Teil des Monats, kann trotz der Rückwirkung des Antrags eine Leistungsberechtigung erst mit Wegfall des Ausschlussgrunds entstehen.

Entscheidend ist, mit welchem Inhalt man den Begriff der "Antragstellung" füllt. Begreift man ihn schlicht als Stichtag, wäre so zu verfahren, wie es der Beklagte in seinen Bescheiden gemacht hat.

Versteht man unter dem Begriff hingegen den Beginn des rechtlich zulässigen Leistungszeitraums (d.h. denjenigen Zeitpunkt, ab dem der Antrag wirksam werden soll oder kann), ist maßgeblich der Zeitpunkt des begehrten Leistungsbeginns.

Letztere Auffassung macht in Fällen, denen im Verlauf des Antragsmonats ein Leistungsausschlussgrund entfällt, eine Differenzierung zwischen Einkommen und Vermögen nach dem Zeitpunkt des Einsetzens der Leistungsberechtigung bzw. des Wegfalls des Ausschlussgrunds erforderlich.

Da beide Auffassungen vertretbar sind, sind die Erfolgsaussichten offen. Dem Kläger ist daher für das erstinstanzliche Verfahren PKH – ab Antragstellung – zu bewilligen.

Bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber den Behörden sind wir ihnen gerne behilflich.

Der Beitrag wurde erstellt von Detlef Brock - Sozialberater des RA L. Zimmermann.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 06.06.2011, - L 1 AS 4393/10 - Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden(BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R-; Rdnr. 4). Eine erneute Berücksichtigung scheidet auch dann aus, wenn eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt und Einkommen eines nichtbedürftigen Mitglieds einem bedürftigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird. https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144213&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive = Anmerkung: 1. Vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ist ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II als Pauschbetrag abzusetzen (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V ). Diese Pauschale in Höhe von 30 Euro ist