Direkt zum Hauptbereich

Hartz IV - Für eine Regelsatzklage erscheint eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht erforderlich

Für eine Regelsatzklage erscheint eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht erforderlich, wenn die Kläger zwei vorangegangene eigene Parallelverfahren anhängig gemacht haben, mit denen ebenfalls die Verfassungswidrigkeit von § 20 Abs. 2 SGB II geltend gemacht wird.

Dies gilt zumindest dann, wenn keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Kläger in seiner Fähigkeit eingeschränkt sein könnte, sich mündlich und schriftlich auszudrücken, so die Rechtsauffassung des LSG Hessen, Beschluss vom 06.11.2012 - L 6 AS 469/12 B.

Der Klage, mit der die Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 20 Abs. 2 SGB II zur Regelsatzhöhe geltend gemacht worden ist, kann im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2012 (S 55 AS 9238/12) hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht abgesprochen werden (ebenso kritisch die Literatur: vgl. Lenze in Lehr- und Praxiskommentar - LPK-SGB II -, 4. Aufl., § 20 Rn. 20; Anh. § 20, § 10 RBEG, Rn. 6 ff.)

In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, dass einem Empfänger von Grundsicherungsleistungen, der die gesetzliche Neuregelung des Regelsatzes zum 1. Januar 2011 für verfassungswidrig hält, zuzumuten ist, ein anhängiges Widerspruchsverfahren nicht weiter zu betreiben und dessen Ruhen bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Berlin gegenüber dem Grundsicherungsträger anzuregen oder um eine lediglich vorläufige Entscheidung gemäß § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB III zu bitten (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 9. Juli 2012, L 6 AS 12/12 B PKH; vgl. auch Beschluss des erkennenden Senats vom 31. August 2009, L 6 AS 227/09 B).


Anmerkung: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.10.2012, - L 12 AS 1689/12 B -


Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für Regelsatzklage.

Die Fragen der Verfassungsmäßigkeit der Regelsätze sind derart komplex, dass auch ein vernünftiger Rechtsuchender hierfür im Rechtsstreit mit der die Leistungen bewilligenden Behörde, die rechtskundig vertreten eine Fülle derartiger Verfahren führt, regelmäßig einen Rechtsanwalt einschalten würde.



Anmerkung: LSG NRW , Beschluss vom 04.10.2012,- L 7 AS 1491/12 B ; Beschluss vom 28.09.2012, - L 6 AS 1895/11 B.


Der Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe besteht für das erste gerichtliche Verfahren, mit dem die Verfassungswidrigkeit der Regelbedarfe geltend gemacht wird.

Für weitere Zeiträume besteht für denselben Leistungsberechtigten bei Parallelität der Fallgestaltung grundsätzlich kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe (BVerfG, Beschluss vom 30.05.2011 - 1 BvR 3151/10 Rn. 12; Beschluss vom 02.09.2010 - 1 BvR 1974/08 Rn. 13 ff.).


Wenn auch Sie die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelsätze in Frage stellen und Hilfe benötigen beim Klageverfahren wenden Sie sich vertrauensvoll an das Taem des Sozialrechtsexperten.

Der Beitrag wurde erstellt von Detlef Brock - Taemmitglied des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann.



Kommentare

  1. Sie hätten schon erwähnen sollen, daß die Kläger bereits für 2 vorangegangene streitige Regelsatzklageverfahren vor dem SG Kassel PKH-Bewilligungen erhielten!

    ZITAT aus aus dem Beschluß des Hess. LSG vom 6.11.2012 L 6 AS 469/12 B:

    "...Der Rechtsbegriff der Erforderlichkeit ist durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung (zuletzt Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2011, 1 BvR 1737/10 m.w.N.) geklärt. Danach beurteilt sich die Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Sache sowie nach der Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich und schriftlich auszudrücken. Entscheidend ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn im Kenntnisstand und in den Fähigkeiten der Prozessparteien ein deutliches Ungleichgewicht besteht. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs wäre zwar bei alleiniger Betrachtung des vorliegenden Klageverfahrens gegen den Bescheid vom 12. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2011 (Leistungszeitraum 1. Dezember 2011 bis 31. Mai 2012) davon auszugehen, dass bereits Umfang und Schwierigkeit der Sache im Hinblick auf den Vortrag zur fraglichen Verfassungswidrigkeit von § 20 Abs. 2 SGB II eine anwaltliche Vertretung erfordern. Hier kann jedoch der Umstand nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Kläger zwei vorangegangene eigene Parallelverfahren anhängig gemacht haben, mit denen ebenfalls die Verfassungswidrigkeit von § 20 Abs. 2 SGB II geltend gemacht wird. Die Klage vom 18. März 2011 (S 2 AS 282/11) richtet sich gegen den Bescheid vom 11. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2011 (Leistungszeitraum 1. Januar bis 31. Mai 2011), während mit der weiteren am 21. September 2011 erhobenen Klage (S 2 AS 1005/11) der Bescheid vom 26. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2011 (Leistungszeitraum 1. Juni bis 30. November 2011) angefochten ist. Im erstgenannten Verfahren haben die Kläger über den verfassungsrechtlichen Vortrag hinaus lediglich gerügt, die Berechnung der Kosten für Unterkunft und Heizung sei nicht nachvollziehbar. Davon abgesehen haben die Kläger gegenüber dem vorliegenden Klageverfahren wortgleich vorgetragen und jeweils u.a. auf die Stellungnahme des Sachverständigen E. E. vom 18. November 2010 im Rahmen der Anhörung vor dem Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages vom 22. November 2010 Bezug genommen. Für beide Verfahren hat das Sozialgericht Prozesskostenhilfe antragsgemäß bewilligt. Mithin betreiben die Klägern zwei Verfahren, in denen ohne eigenes Kostenrisiko zur Frage der Verfassungswidrigkeit von § 20 Abs. 2 SGB II mit anwaltlicher Hilfe uneingeschränkt vorgetragen werden kann, ohne dass es im Übrigen dabei auf die einzelnen Leistungszeiträume ankommt. Bereits in Ansehung des zweiten Klageverfahrens (S 2 AS 1005/11) ist für den Senat nicht ersichtlich, dass ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Dies gilt erst recht für das vorliegende dritte Klageverfahren, denn einem vernünftig agierenden Kläger bot sich ganz offensichtlich an, selbst Klage zu erheben und zugleich die Anordnung des Ruhens des Verfahrens zu beantragen, ohne dass hierfür die Erforderlichkeit anwaltlicher Vertretung ersichtlich ist...."

    Quelle: http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/yq2/page/bslaredaprod.psml;jsessionid=ED843C39FEB9C98AC02DBAA409ECDC36.jp55?doc.hl=1&doc.id=JURE120022273%3Ajuris-r03&documentnumber=3&numberofresults=4734&showdoccase=1&doc.part=L&paramfromHL=true#focuspoint




    Mit freundlichem Gruß

    Ferenz

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Zu: SG Nürnberg - Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Folgeeinladungen der Jobcenter wegen einem Meldeversäumnis sind nichtig und unwirksam

sozialrechtsexperte: Nürnberg: Sind die Einladungen der Jobcenter nichtig? Hier der Ausgang, wie er nicht anders zu erwarten war: Ausgang des Verfahrens S 10 AS 679/10 wegen Nichtigkeit von Meldeaufforderungen « Kritische Standpunkte Dazu Anmerkungen von Detlef Brock, Teammitglied des Sozialrechtsexperten: SG Nürnberg v. 14.03.2013 - S 10 AS 679/10 Eigener Leitsatz 1. Folgeeinladungen des Jobcenters wegen einem Meldeversäumnis sind - nichtig und unwirksam, weil  § 309 SGB III keine Rechtsgrundlage dafür ist, Hilfeempfänger die Pflicht zum Erscheinen zu einer Anhörung zu Tatbeständen einer beabsichtigen Sanktion aufzuerlegen. 2. Eine Folgeeinladung ist zu unbestimmt, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann.

Kann ein Leistungsbezieher nach dem SGB II für seinen unangemessenen Stromverbrauch keine Gründe benennen, muss das Jobcenter seine Stromschulden nicht übernehmen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 22 Abs. 8 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Danach können Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit die Schuldübernahme zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertig und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen gewährt werden.  Die Rechtfertigung der Schuldenübernahme ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, in den auch Billigkeitserwägungen einfließen (Beschluss des erkennenden Senats vom 2. Juni 2009 – L 14 AS 618/09 B ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.09.2011 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg , - L 14 AS 1533/11 B ER - geurteilt, dass Gründe für einen "unangemessenen" Stromverbrauch in einem einstwe

Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 06.06.2011, - L 1 AS 4393/10 - Die Versicherungspauschale von 30 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von einem einzelnen Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft nur einmal abgezogen werden(BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R-; Rdnr. 4). Eine erneute Berücksichtigung scheidet auch dann aus, wenn eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt und Einkommen eines nichtbedürftigen Mitglieds einem bedürftigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet wird. https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=144213&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive = Anmerkung: 1. Vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ist ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II als Pauschbetrag abzusetzen (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V ). Diese Pauschale in Höhe von 30 Euro ist