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Hartz IV - Brand aktuell:Das Gericht darf ein Klageverfahren im Hinblick auf die Regelsatzhöhe nicht einfach aussetzen, denn die Frage der Verfassungswidrigkeit oder Nichtigkeit einer Norm, hier des § 20 SGB II, stellt kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 114 Abs. 2 S. 1 SGG dar

Das Gericht darf ein Klageverfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 20 SGB II im Hinblick auf die Regelsatzhöhe nicht aussetzen, wenn nicht zu erwarten ist, dass das Bundesverfassungsgericht mit gleichgelagerten Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 20 SGB II im Hinblick auf die Regelsatzhöhe überschwemmt wird.

So brand aktuell der 6. Senat des LSG Hessen.

Nach § 114 Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen sei, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand des anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist.

Die unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift kommt von vornherein nicht in Betracht, weil kein anderes Rechtsverhältnis vorgreiflich abzuklären ist.

Insoweit stellt die Frage der Verfassungswidrigkeit oder Nichtigkeit einer Norm, hier des § 20 SGB II, kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 114 Abs. 2 S. 1 SGG dar (vgl. BSG, Beschluss vom 1. April 1992, 7 RAr 16/91 m.w.N.).

Darüber hinaus ist eine analoge Anwendung in Rechtsprechung und Literatur zwar anerkannt, insbesondere zur Vermeidung einer „Überschwemmung“ der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des Bundesverfassungsgerichts mit einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle, ohne dass dies einer weiteren Klärung einer vorgreiflichen Frage dient.

Die Aussetzung des Verfahrens in analoger Anwendung des § 114 Abs. 2 S. 1 SGG steht jedoch in einem Spannungsverhältnis zur Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), so dass diese nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommt.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Anordnung der Aussetzung um eine Ermessensentscheidung handelt, so dass diese zu erfolgen hat, wenn alle Erwägungen ausschließlich oder zumindest ganz überwiegend für die Aussetzung sprechen (BFH, Urteil vom 18. Juli 1990, I R 12/90; BFH, Beschluss vom 9. Oktober 1991, II B 115/91).

Es ist nicht zu erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht mit gleichgelagerten Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 20 SGB II im Hinblick auf die Regelsatzhöhe überschwemmt wird.

Derzeit ist lediglich das Verfahren vom 25. April 2012 (S 55 AS 9238/12) im Wege der Richtervorlage durch das Sozialgericht Berlin bei dem Bundesverfassungsgericht anhängig, während es - soweit ersichtlich - an entsprechenden Verfassungsbeschwerden sogar gänzlich fehlt.

Allein die Anhängigkeit eines Verfahrens bei dem Bundesverfassungsgericht reicht nicht aus, um die Voraussetzung der Vorgreiflichkeit für eine Verfahrensaussetzung gemäß § 114 Abs. 2 S. 1 SGG (analog) zu begründen (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Januar 2008, L 21 B 1167/07 R; vgl. hierzu: Thüringer LSG, Beschluss vom 29. Juli 2004, L 2 RA 461/04).


Der Beitrag wurde erstellt von Detlef Brock - Taemmitglied des Sozialrechtsexperten RA Ludwig Zimmermann.

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