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Sperrzeit wegen Auflösungsvertrag

Hat ein Arbeitsloser sein Beschäftigungsverhältnis gelöst und grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrfrist von 12 Wochen. Diese Sperrzeit gilt auch dann, wenn mit dem Abschluss eines Auflösungsvertrages eine höhere Abfindung verbunden ist. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 7. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Betriebsrätin verweist auf wichtigen Grund

Eine 57-jährige Frau aus dem Landkreis Kassel war 15 Jahre in einem Callcenter einer überregional tätigen Luftverkehrsgesellschaft beschäftigt. Im Hinblick auf die beabsichtigte Betriebseinstellung in Kassel wurde eine Betriebsvereinbarung geschlossen. Kurz darauf unterschrieb die als Betriebsratsvorsitzende tätige Frau einen Aufhebungsvertrag und erhielt eine Abfindung in Höhe von 75.060 €. Sie meldete sich arbeitslos. Die Bundesagentur für Arbeit gewährte Arbeitslosengeld, verhängte aber aufgrund des Auflösungsvertrages eine 12-wöchige Sperrzeit. Die Frau widersprach. Sie hätte keine Abfindung erhalten, wenn sie auf einen Arbeitsplatz in einer anderen Stadt vermittelt worden wäre. Außerdem seien ihre Eltern zunehmend pflegebedürftig und auf ihre Hilfe angewiesen.

Abfindung nach Sozialplan anstelle von „Turboprämie“ begründet keine besondere Härte

Die Richter beider Instanzen gaben der Bundesagentur Recht. Ohne Auflösungsvertrag hätte das Arbeitsverhältnis erst nach Durchführung eines Clearingverfahrens und damit zu einem späteren Zeitpunkt gelöst werden können. Die Frau habe damit ihre Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Sie könne sich auch weder auf einen wichtigen Grund noch auf eine besondere Härte berufen. Denn nach dem Sozialplan wäre ihr im Hinblick auf ihre pflegebedürftigen Eltern ein Arbeitsplatz in einer anderen Stadt nicht zumutbar gewesen. Anstelle der „Turboprämie“ für frühzeitiges Ausscheiden hätte sie daher bei einer betriebsbedingten Kündigung eine – wenngleich geringere - Abfindung nach dem Sozialplan erhalten.

Hinweise zur Rechtslage

§ 144 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Fassung vom 23.12.2003
(1) Hat der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn
1. der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe) (.)

(3) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen. Sie verkürzt
sich (.)
2. auf sechs Wochen, wenn (.)
b) eine Sperrzeit von zwölf Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde. (.)

§ 159 SGB III in der Fassung vom 20.12.2011
(1) Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn
1. die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben oder dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, (.).
3) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen. Sie verkürzt
sich (.)
2. auf sechs Wochen, wenn (.)
b) eine Sperrzeit von zwölf Wochen für die arbeitslose Person nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.
(.)

Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 22.06.2012, A.: L 7 AL 186/11
www.lareda.hessenrecht.hessen.de

Kommentare

  1. Zitat: "Ohne Auflösungsvertrag hätte das Arbeitsverhältnis erst nach Durchführung eines Clearingverfahrens und damit zu einem späteren Zeitpunkt gelöst werden können."

    zum Beispiel nach 12 Wochen...?

    Zitat: "...habe damit ihre Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Sie könne sich auch weder auf einen wichtigen Grund noch auf eine besondere Härte berufen. Denn nach dem Sozialplan wäre ihr im Hinblick auf ihre pflegebedürftigen Eltern ein Arbeitsplatz in einer anderen Stadt nicht zumutbar gewesen."

    Ja, liebe Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dann schreibt euch mal an der Uni für Rechtswissenschaften ein, damit ihr auch um die Feinheiten des Sozialrechts und der zugehörigen Rechtsprechung wißt, wenn euer Areitsplatz auf der Kippe steht.

    Klar gesagt: daß hier als Maßstäbe juristische Winkelzüge hergenommen werden, die selbst juristisch beschlagene Leute nicht so ohne weiteres verstehen, ist an Lebensfremdheit kaum zu überbieten.

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